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Nach dem Dieselgipfel
"Nicht zu akzeptieren, dass es nicht zu Nachrüstungen kommt"

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat sich verärgert über die Haltung der Automobilindustrie gezeigt, auf eine Hardwarenachrüstung bei Dieselautos zu verzichten. "Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass es dazu nicht kommt", sagte Hendricks im Dlf und kündigte weitere Verhandlungen an.

Barbara Hendricks im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 03.08.2017
    Barbara Hendricks
    Barbara Hendricks zum Diesel-Gipfel: "Ein erster Schritt, aber es muss weitere Erörterungen geben" (imago /ZumaPress)
    Ann-Kathrin Büüsker: Das Nationale Forum Diesel hat gestern zusammengesessen und über die Zukunft des Verbrennungsmotors beraten, gerade mit Blick auf die Abgasmanipulation wie die von Volkswagen und übeerschrittene Grenzwerte. In dieser sache wurde dann so etwas wie ein Minimalkompromiss gefunden, der im Vorfeld ja schon angeklungen war. Es wird von den Herstellern keine Hardwarenachrüstungen geben, aber ein Software-Update, das die Beteiligten dann auch eine Nachrüstung nennen. Schon gestern wurde ziemlich deutlich, dass sich gerade die Beteiligten auf politischer Seite mehr gewünscht hätten. Alle nannten die Einigung gestern einen ersten Schritt, einen wichtigen Schritt. Ich habe am Abend mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks gesprochen, eine der Gastgeberinnen des Gipfels, und ich habe sie gefragt, was denn dann der nächste Schritt ist.
    Barbara Hendricks: Es ist auf jeden Fall so, dass wir damit noch nicht am Ende angekommen sind. Wir haben ja Arbeitsgruppen eingesetzt, die sich speziell um verschiedene Themen noch kümmern werden. Zum einen geht's um Emissionsreduzierung in den im Verkehr befindlichen Fahrzeugflotten. Da werden wir das Thema der Nachrüstung der Automobile selbst auch noch mal adressieren müssen. Das lehnen bis jetzt die Automobilhersteller ab und sagen, das lohnt sich nicht, das ist zu aufwendig. Aber da werden wir sehr im Einzelnen auch mit den Experten noch mal drüber reden müssen. Das können wir nicht einfach so abräumen. Das wollen die gern, aber das können wir nicht einfach so abräumen.
    Büüsker: Ja, Frau Hendricks, wenn ich da ganz kurz einhaken darf. Das heißt, wir verstehen diese Einigung vom Dieselgipfel eigentlich nur als Einigung darauf, dass man weiter miteinander redet?
    Hendricks: Nein, so ist es nicht. Zunächst gibt es ja die Zusage der Nachrüstung im Bereich des Updates der Software, über 5,3 Millionen, und zwar zulasten der Automobilindustrie, ohne dass etwas anfällt zulasten der Automobilfahrer, also der Besitzer von Dieseln. Außerdem müssen sie die Gewährleistung übernehmen und so. Das ist mal alles geklärt. Ich war die Erste, die vor Monaten gesagt hat, das muss zulasten der Automobilindustrie gehen, und das sah von Anfang an überhaupt nicht so aus, und das haben wir jetzt durchgesetzt.
    Gewährleistung muss übernommen werden, das ist ein wichtiger, wirklich ein wichtiger Schritt. Denn 5,3 Millionen Automobile, die werden dann erstmal jedenfalls so hergerichtet, dass mal, ich sage mal, der Einspritzvorgang vernünftig stattfindet, und dass nicht mehr diese Thermofenster eingeschaltet werden zu völlig normalen Temperaturen. Das ist ein ganz wichtiger erster Schritt. Aber es ist noch nicht zu Ende, klar.
    Scharfes Monitoring für die Updates
    Büüsker: Sind Sie sich denn sicher, dass das tatsächlich auch passieren wird? Weil ganz viele Expertinnen und Experten sagen, das Softwareupdate bringt überhaupt nichts, und führen als Beispiel zum Beispiel auch den VW "Amarok" an, bei dem sich in Sachen Stickoxidemission überhaupt nichts getan hat durch das Update.
    Hendricks: Wir werden das selbstverständlich überprüfen. Wir werden das vor Update überprüfen, und zwar im realen Fahrbetrieb, und wir werden es auch nach Update überprüfen, und zwar im realen Fahrbetrieb. Also, es gibt Experten, die das behaupten, aber seien Sie sicher, es wird ein scharfes Monitoring geben, in dem ganz klar wird, wie wirkt das denn wirklich. Also nicht einfach nur so, die behaupten das, und dann glauben wir das, sondern wir werden es ganz klar überprüfen. Das weiß die Automobilindustrie auch. Das ist schon mal ein ganz wichtiger Punkt.
    Dann werden wir uns um Verkehrslenkung, Digitalisierung und Vernetzung kümmern. Wir werden über den Umstieg öffentlicher Fahrzeugflotten auf emissionsarme Mobilität sprechen. Das ist ganz wichtig in den Städten, denn wir haben natürlich zum Beispiel Kommunalfahrzeuge, die ganz viel in den Städten unterwegs sind, natürlich auch Taxen und anderes. Und dann geht es in der vierten Arbeitsgruppe, in der Expertengruppe um Optimierung von Antriebstechnologien und alternative Kraftstoffe, also um die Zukunft sozusagen. Das alles ist noch längst nicht zu Ende. Es geht in der Tat auch zwar um die Aufarbeitung der Vergangenheit, aber eben auch um die Zukunft der Automobilindustrie.
    Fahrverbote nach wie vor möglich
    Büüsker: Es gibt also noch viel zu tun, mit den Automobilherstellern. Ich würde gern nochmal zurück kommen auf die Kontrollen, die Sie ja angesprochen haben. Es wird das Softwareupdate gemacht, Sie wollen das kontrollieren lassen, das Ganze, durch das Kraftfahrtbundesamt. Was ist denn, wenn sich zeigt, dass dieses Update überhaupt nichts bringt?
    Hendricks: Es wird etwas bringen. Es wird auf jeden Fall die Luftqualität verbessert werden. Das wird auf jeden Fall so sein. Ich kann damit trotzdem nicht ausschließen, dass es vielleicht sogar noch durch Gerichte zum Beispiel zu Fahrverboten kommt. Es ist nicht vollständig auszuschließen. Aber wir machen ja ein Bündel von Maßnahmen. Da ist ja auch das Update nur eine der Maßnahmen. Aber es ist auf jeden Fall so, dass damit die Luftqualität verbessert wird. Zu behaupten, es bringt gar nichts, ist einfach falsch.
    Büüsker: Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel sagt aber genau das, nämlich dass ohne Hardwarenachrüstung eigentlich gar nichts gewonnen ist.
    Hendricks: Wenn er das behauptet, dann behauptet er das sozusagen auf falscher Datenbasis. Ja, Hardwarenachrüstung ist auch nötig, und darüber werden wir uns auch in den Arbeitsgruppen weiter noch unterhalten müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt wollen die Automobilhersteller das nicht, das ist richtig. Aber sie müssen uns das ganz klar darlegen, wieso und weshalb und warum denn das nicht geht oder wieso sich das nicht lohnt, Hardware nachzurüsten. Das ist das, was sie jetzt aktuell behaupten. Das akzeptieren wir aber zunächst mal nicht als tatsächlich schon gesetzt. Deswegen haben wir eben gerade in dieser ersten Arbeits- – in dieser ersten Expertenrunde geht es genau darum, und das wird übrigens auch unter dem Vorsitz des Umweltministeriums stattfinden.
    "Sie müssten es ja auch selbst bezahlen"
    Büüsker: Frau Hendricks, dass die Automobilhersteller sich da so wehren gegen diese Hardwarenachrüstung, wie sehr ärgert Sie das?
    Hendricks: Nun, die wehren sich dagegen mit der Begründung, dass es also sozusagen einen viel zu langen Vorlauf bräuchte, dass sie dafür zwei Jahre bräuchten, um das überhaupt technologisch hinzubekommen, und dass es im Prinzip, ja, halt Vergangenheit sei, und sie wollten also lieber in die Zukunft investieren. Und dann ist es ihnen natürlich auch zu teuer, denn das müssten sie ja auch selbst bezahlen. Natürlich ärgert mich das. Deswegen bin ich auch nicht bereit zu akzeptieren, dass es eben nicht zu Hardwarenachrüstungen kommt. Das werden wir noch weiter erörtern müssen. Das ist aber noch nicht zu Ende erörtert.
    Büüsker: Das Softwareupdate gilt jetzt für Diesel der Euronorm 5 und der Euronorm 6. Was ist mit den Euro-4-Dieseln und den schlechteren?
    Hendricks: Da gibt es insbesondere natürlich die Angebote der Automobilindustrie, tatsächlich die Flotten umzubauen, indem also Kaufanreize vonseiten der Automobilindustrie gesetzt werden, damit die älteren Euro-1 bis Euro-4, ich sag mal, aus dem Verkehr genommen werden. Das finde ich ein ganz gutes Angebot. Das muss noch im Einzelnen spezifiziert werden. Die Unternehmen haben dort auch unterschiedliche Kaufprämien bisher vorgelegt. Der VW-Konzern will in den nächsten Tagen seine Vorschläge noch erst machen. Wichtig ist mir dabei, dass jedenfalls, ich sag mal, Kaufanreize zulasten der Steuerzahler, die sind vom Tisch. Und das war mir mal ganz wichtig.
    Auch einen alten Stinker abrüsten
    Büüsker: Das heißt aber dann doch, dass sich Besitzer älterer Fahrzeuge eigentlich nur gegen mögliche Fahrverbote wehren können, wenn sie sich einen Neuwagen kaufen.
    Hendricks: Besitzer richtig alter Fahrzeuge, muss man sagen. Es sind nicht nur ältere Fahrzeuge, sondern es sind wirklich alte Fahrzeuge. Dabei muss man natürlich auch wissen, das ist ja auch nicht von der Hand zu weisen, es gibt in der Bundesrepublik Deutschland 28 Städte beziehungsweise Regionen, die besonders belastet sind nach der Definition der Europäischen Union. Das ist natürlich nicht die ganze Republik. Wenn jemand einen alten Diesel irgendwo auf dem Land fährt und nicht vorhat, in eine Stadt zu fahren, wird er natürlich auch nicht von irgendeinem Fahrverbot betroffen sein. Das heißt trotzdem nicht, dass das nicht gut wäre, wenn er sozusagen so einen alten Stinker, sage ich mal etwas untechnisch, doch abrüsten würde. Also deswegen, solche Kaufanreize sind natürlich sinnvoll.
    Büüsker: Aber gerade die Besitzer der, wie Sie das genannt haben, alten Stinker sind ja auch oft die Menschen, die nicht unbedingt so viel Geld haben und die sich dann unter Umständen nicht mal einen Neuwagen leisten können. Wie ist denn denen durch diese Kaufprämie geholfen?
    Hendricks: Das sind ja auch nicht diejenigen, die normalerweise jeden Tag damit in die Stadt fahren.
    Büüsker: Na ja, vielleicht wohnen die in Bochum oder in Gelsenkirchen …?
    Hendricks: Die ganz alten Diesel werden normalerweise auf dem Land gefahren, das muss man ehrlicherweise sagen. So ist die Verteilung. Die Euro-5 und Euro-6, das sind natürlich die allermeisten, die jetzt unterwegs sind, Euro-4 ist noch eine bedeutsame Gruppe. Auch für die wird es Angebote geben.
    Masterplan für besonders belastete Städte
    Büüsker: Schauen wir noch mal auf den Mobilitätsfonds, den es geben wird. Sie haben es zu Beginn unseres Gesprächs schon angesprochen, der soll ja Regionen unterstützen, die besonders von Emissionen belastet sind. Der Bund trägt auch Geld dazu bei, 250 Millionen. Die Automobilkonzerne werden auch einzahlen. Das klingt für mich so ein bisschen, als könnten sich die Konzerne hier freikaufen.
    Hendricks: Nein, die können sich nicht freikaufen. Diese 250 Millionen werden sie auch beibringen und werden das unter sich aufteilen nach ihren Marktanteilen, also einem vernünftigen Parameter. Und da geht es aber in der Tat darum, genau in den besonders belasteten Städten, die ja definiert sind, einen jeweils unterschiedlichen Masterplan zu entwickeln, wie man denn in genau dieser Stadt oder dieser Region dieser besonderen Belastung begegnen kann.
    Das kann auch nur ein Maßnahmenmix sein aus zum Beispiel Vernetzung von ÖPNV und Carsharing und Radverkehr. Das kann aber auch sein, dass man neue und zusätzliche Investitionen tätigen muss, für die dann möglicherweise der Bund zum Beispiel im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans sowieso zuständig wäre. Darum geht es wirklich, ganz genau zu sagen, wie kann welche Region dabei unterstützt werden, tatsächlich dem drohenden Fahrverbot auch zu entgehen? Wie kriegen wir intelligent vernetzte Verkehrssysteme hin, die eben die Mobilität auch in diesen Regionen sicherstellen.
    Büüsker: Die Automobilindustrie muss also zahlen in diesen Mobilitätsfonds. Sie muss die Garantieleistungen bei den nachgerüsteten Autos übernehmen.
    Hendricks: Richtig.
    Weitere Anforderungen an die Automobilindustrie definieren
    Büüsker: Sind das ausreichende Konsequenzen für die zum Teil doch erheblichen Betrügereien, die ein Konzern wie Volkswagen ja vorgenommen hat?
    Hendricks: Sehen Sie, sie werden natürlich auch noch diese Kaufprämien machen, das ist auch richtig. Obwohl, wie gesagt, wir sind ja noch nicht am Ende. Wir werden in diesen Arbeitsgruppen, die wir noch vorlegen, in diesen Expertenrunden, auch noch weitere Anforderungen an die Automobilindustrie definieren. Aber wir können jetzt nicht irgendwelche Strafzahlungen sozusagen zulasten von VW machen. Es geht uns darum, tatsächlich Mobilität auch für die Zukunft sicherzustellen, die Verbraucher nicht zu belasten, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, und auch die Automobilindustrie sozusagen in eine gute Zukunft zu begleiten. Die waren ja dabei sozusagen, ihre Chancen für die Zukunft letztlich zu verspielen. Und das wollen wir natürlich alle auch vermeiden.
    Büüsker: Und wenn Sie die Arbeitsgruppen betonen, dann könnte ich einen alten etwas fiesen Spruch einwenden: Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann bilde einen Arbeitskreis.
    Hendricks: Das können Sie als Spruch natürlich bemühen. Ich will Ihnen nur sagen, wir haben es in der Tag mit sehr komplexen Sachverhalten zu tun, auch technischer Natur, und das kann selbstverständlich nicht in einer eintägigen Runde am großen Tisch sozusagen entschieden werden. Es war uns von Anfang an klar, dass das nur ein erster Aufschlag sein konnte.
    Büüsker: Das war Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Das Interview haben wir am Abend aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.