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Nach dem Germanwings-Unglück
Forderung nach regelmäßigen Psycho-Tests

Die Motive des Piloten Andreas L. sind immer noch unklar. Auch die gefundene Krankmeldung gibt Anlass zu Spekulationen. Unterdessen forderte der SPD-Innenpolitiker Lischka als Konsequenz aus dem Germanwings-Absturz regelmäßige psychologische Tests für Piloten.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 27.03.2015
    Ein Lufthansa-Pilot - auf dem Bild sieht man nur den Arm und die Mütze, die er darunter trägt
    Lufthansa-Pilot (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
    Keinen Abschiedsbrief, kein Bekennerschreiben – das Verhalten des Co-Piloten der abgestürzten German Wings Maschine gibt weiterhin Rätsel auf. Allerdings haben die Ermittler eine Krankmeldung in der Düsseldorfer Wohnung von Andreas L. gefunden, wie der zuständige Staatsanwalt Christoph Kumpa heute erklärte:
    "Der Umstand, dass dabei unter anderem zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen gefunden wurden, stützt nach vorläufiger Bewertung die Annahme, dass der Verstorbene seine Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber und dem beruflichen Umfeld verheimlicht hat."
    Spekulationen über eine psychische Erkrankung des 27-Jährigen werden von der Staatsanwaltschaft und vom Arbeitgeber nicht bestätigt. Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Germanwings-Mutter Lufthansa, betont im Gegenteil:
    "Er war 100% flugtauglich – ohne jegliche Einschränkungen, ohne jegliche Auflagen."
    Richtig sind laut der Lufthansa aber Meldungen, nach denen der Co-Pilot seine Ausbildung vor einigen Jahren für mehrere Monate unterbrochen hat. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums kommentierte den Gesundheitszustand von Andreas L. heute nur indirekt:
    "Also ich werde jetzt hier nicht bestätigen oder kommentieren, was gegebenenfalls im Flugtauglichkeitszeugnis dieses Piloten vermerkt ist, weil das natürlich Gegenstand der laufenden behördlichen Ermittlungen ist. Was das Luftfahrtbundesamt macht, es verwaltet die Tauglichkeitszeugnisse. Diese resultieren aus regelmäßigen Tauglichkeitsuntersuchungen, die die Piloten machen müssen."
    Doch wie aufschlussreich sind diese Untersuchungen? Im Deutschlandfunk stellt der Luftfahrt-Psychologe Rainer Kemmler die Wirksamkeit dieser Tests in Frage:
    "Ich bin mir nicht sicher, ob durch eine immer wiederkehrende psychologische Untersuchung man das Problem aufdeckt, weil es handelt sich ja um sehr kluge Leute. Wenn jemand simuliert, also nicht zulässt, dass es andere merken, ist es sehr, sehr schwer."
    Debatte um psychologische Tests
    SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka hält psychologische Tests hingegen für sinnvoll. Sie könnten mehr helfen als das so genannte Vier-Augen-Prinzip, das bis auf weiteres Pflicht wird bei den deutschen Fluggesellschaften. Demnach darf bis auf weiteres kein Pilot mehr allein im Cockpit bleiben. Die Pilotenvereinigung Cockpit begrüßt diese neue Regel, SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol warnt indes:
    "Ich glaube, wir müssen nur aufpassen, dass wir damit nicht was suggerieren, was es vielleicht nicht gibt, nämlich die totale Minimierung eines Restrisikos, was wahrscheinlich immer bleiben wird."
    Zahlreiche europäische Airlines führen jetzt ebenfalls das das Vier-Augen-Prinzip ein. Richtig so, sagt Alexander Dobrindt, CSU. Schärfere Gesetze zur Flugsicherheit sieht der Bundesverkehrsminister hingegen erst als zweiten Schritt, die Selbstverpflichtung gehe vor:
    "Wir begleiten jetzt die Aufklärung und Aufarbeitung intensiv, sind in den Gesprächen mit allen Beteiligten und werden, wenn es nicht zur ausreichenden Selbstverpflichtung kommt, dann auch gesetzgeberisch überlegen, was zu tun ist."
    Der Bundespräsident leistet unterdessen Trauerarbeit. In Haltern am See besuchte Joachim Gauck heute einem Gedenkgottesdienst für die Schüler und Lehrerinnen, die in der abgestürzten Maschine gesessen hatten:
    "Ich hab in der Mitte gesessen und das Schluchzen gehört der Menschen, und ich wollte mit ihnen trauern."
    Kritik an den Medien nimmt zu
    Unterdessen wächst die Kritik an jenen Medien, die den Klarnamen des Co-Piloten seit gestern zahlreich veröffentlicht haben. Der Journalistik-Professor Horst Pöttker sieht darin einen Verstoß gegen den Pressekodex, wie er heute im Deutschlandfunk erklärte:
    "Das geht zu weit. Wir haben ja im Pressekodex auch eine Regel, die sagt, man soll über Unfallopfer nicht identifizierend berichten. Ich finde, da ist, besonders in den Boulevard-Medien, wieder zu viel getan worden."
    Der volle Name steht seit gestern aber nicht nur in den Boulevard, sondern auch in zahlreichen anderen überregionalen Tageszeitungen.