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Nach dem Putsch in der Türkei
Die Sorge um den Rechtsstaat

Es gab auch am Sonntag viele Reaktionen in Deutschland auf den gescheiterten Putschversuch in der Türkei. Dabei halten sich die Sorge um die Menschenrechte und die Solidarität mit den demokratischen Kräften im Land die Waage.

Von Klaus Remme | 17.07.2016
    Sie sehen einen Schal mit dem Konterfei des türkischen Präsidenten - hier hochgehalten in Berlin.
    Ein Schal mit dem Konterfei des türkischen Präsidenten - hier hochgehalten in Berlin. (picture-alliance / dpa / Paul Zinken)
    Putschisten sind Straftäter aber keine Terroristen, sagte EU Kommissar Günther Oettinger, CDU, der "Welt am Sonntag". Wie viele warnt er vor einer weiteren Radikalisierung in der Türkei, die Kooperation müsse streng nach rechtsstaatlichen Prinzipien fortgesetzt werden, andernfalls werde sich Erdogan außenpolitisch isolieren.
    Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier würdigte in der "Bild am Sonntag" noch einmal die geschlossene Reaktion der im türkischen Parlament vertretenen Parteien. Er verwies auf derzeit etwa 200.000 Urlauber in der Türkei und fügte wörtlich hinzu: Mit kaum einem anderen Land verbinden uns so vertraute und enge menschliche Beziehungen. Dies gilt natürlich insbesondere für die türkische Gemeinde in Deutschland. Ihr Vorsitzender Gökay Sofuoğlu sagte heute Morgen im Deutschlandfunk:
    "Ich habe die Sorge, dass in der Türkei jetzt vieles vermischt wird, dass unter dem Deckmantel Putschisten nicht nur diese Militärangehörige festgenommen werden, man sollte jetzt wirklich sorgfältig mit der Situation umgehen, dass man nicht unschuldige Menschen festnimmt, nur weil man jetzt aus Sicht Erdogans eine legitime Grundlage hat."
    "Der nächste Fingerzeig"
    Die Opposition hierzulande beklagt seit Monaten eklatante Demokratiedefizite in der Türkei und prangert Menschenrechtsverletzungen und Einschränkungen der Meinungsfreiheit an. Unter diesem Erdogan wird es nichts mit dem EU-Beitritt, sagte der Grünen Chef Cem Özdemir der "Welt am Sonntag". Christian Lindner, Vorsitzender FDP, plädierte im Interview der Woche im Deutschlandfunk vor, in diesem Punkt für mehr Ehrlichkeit:
    "Dieses Ereignis ist für mich der nächste Fingerzeig, dass wir die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden sollten, das ist auch nicht ein Interesse des türkischen Volkes, das über eine solche fiktive Frage weiter gesprochen wird. Ende. Und dann kann man auch auf einer anderen Ebene miteinander sprechen."
    Konkrete, laufende Kooperationen stellte Lindner nicht in Frage, aus pragmatischen Gründe müsse das Flüchtlingsabkommen weiter verfolgt werden. Auch der Bundeswehreinsatz in Incirlik sei nicht zu kritisieren. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagt der "Rheinischen Post", nach dem Putschversuch sei geplant, die Bundeswehr Flüge von Incirlik morgen wieder wie geplant aufzunehmen.
    "Die Türkei nicht isolieren"
    Unmittelbar nach Ausbruch der Unruhen waren die Flüge von türkischer Seite aus gestoppt worden. Von der Leyen nannte die Türkei einen wichtigen NATO-Partner, der voll demokratisch kontrollierte Streitkräfte brauche. Zur Zukunft der bilateralen Beziehungen sagte Gökay Sofuoğlu:
    "Die Länder hatten immer wieder Krisen, ich hoffe, dass man diese Krise nicht als Anlass nimmt, die Türkei zu isolieren. Die demokratischen Kräfte in der Türkei brauchen jetzt mehr Gespräche, die brauchen mehr Solidarität, es wäre der falsche Weg, die Kontakte zur Türkei, besonders zu den Oppositionellen zu unterbrechen."
    Eines ist sicher: Die ohnehin belasteten Beziehungen zu Ankara sind durch die Ereignisse Freitag Nacht nicht weniger problematisch geworden.