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Nach dem Renzi-Rücktritt
Italien auf der Suche nach einer neuen Regierung

Ob es Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella gelingt, einen breiten Konsens für eine stabile Übergangsregierung zu schaffen oder einen geordneten Weg zu Neuwahlen, ist noch nicht absehbar. Der gerade zurückgetretene Ministerpräsident Matteo Renzi klang nicht so, als ob er seine politische Karriere schon am Ende sieht.

Von Jan-Christoph Kitzler | 08.12.2016
    Italiens Regierungschef Matteo Renzi tritt zurück (07.12.2016).
    Italiens Regierungschef Matteo Renzi tritt zurück. (afp / Vincenzo Pinto)
    "Die Krise ist eröffnet" – läuft im Fernsehsender "Sky TG24" nach dem offiziellen Rücktritt von Matteo Renzi groß über den Bildschirm - dabei steckt Italien schon seit der Nacht von Sonntag auf Montag tief im Chaos.
    Aber nun beginnt eben ganz offiziell die Suche nach einer neuen Regierung. Staatspräsident Sergio Mattarella hat Renzis Rücktritt unter Vorbehalt angenommen, ihm beschieden, mit seiner Regierung geschäftsführend im Amt zu bleiben. Er muss nun Kandidaten und Mehrheiten ausloten. Doch wer wird neuer Regierungschef? Wann soll es Neuwahlen geben? Das ist alles andere als klar.
    Matteo Renzi hatte sich am Abend, bei einem mit Spannung erwarteten Auftritt in der Zentrale des Partito Democratico, dessen Chef er ist, den Applaus der Parteiführung abgeholt. Und er betonte, dass seine Partei auch nach seinem Rücktritt weiter in der Verantwortung ist:
    "Wir sind die Partei der relativen Mehrheit. Wir müssen Italien und dem Staatspräsidenten helfen, die Krise zu beenden. Auf Basis dessen, was die Parteien sagen und wie er das beurteilt."
    Renzi bald wieder an der Spitze einer Regierung?
    Renzi klang nicht so, als ob er seine politische Karriere schon am Ende sieht. Er sprach von den internationalen Verpflichtungen Italiens, dem G7-Vorsitz 2017 zum Beispiel, von der Notwendigkeit, ein neues Wahlrecht auf den Weg zu bringen. Und er sprach von einer "Regierung der nationalen Verantwortung". Renzi will also eine Regierung auf breiter Basis, möglicherweise mit ihm selbst an der Spitze.
    Doch wie breit kann diese Basis sein? Die 5-Sterne-Bewegung, die größte Oppositionspartei im Parlament, will Neuwahlen - so schnell wie möglich. Der Spitzenkandidat soll schon bald per Online-Abstimmung bestimmt werden. Auch die rechtspopulistische Lega Nord will wählen und sogar Silvio Berlusconis Forza Italia setzt auf Fundamentalopposition, sagt der Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus. Renato Brunetta.
    "Ich bestätige allen Wählern zu 100 Prozent, dass Forza Italia in dieser Legislaturperiode keiner Regierung das Vertrauen ausspricht. Wir sind die Opposition. Nein, nein, nein und nein. Das Wahlrecht muss dieses Mal im Parlament gemacht werden und nicht von der Regierung."
    Änderung des Wahlrechts notwendig
    Das Wahlrecht ist zur Zeit die größte Hürde für baldige Neuwahlen. Nach den derzeit gültigen Regeln gibt es unterschiedliche Wahlmodi für das Abgeordnetenhaus und für den Senat. Das müsse vereinheitlicht werden, sagt auch Sergio Mattarella, das Staatsoberhaupt. Ende Januar entscheidet in der Sache auch das italienische Verfassungsgericht. Und Gianni Cuperlo, der zu den Renzi-Gegnern im Partito Democratico gehört, zeigt sich jetzt pragmatisch:
    "Italien braucht eine Regierung. Das ist keine Sache des Partito Democratico oder irgendeiner anderen politischen Kraft. Das Land braucht eine Regierung, denn wir müssen dafür sorgen, dass das Parlament ein Wahlrecht für Abgeordnetenhaus und Senat schafft, und dass es in einer vernünftigen Zeit Wahlen gibt. Aber das muss dann ein politischer Wettbewerb sein, der auf sicheren und überzeugenden Regeln basiert."
    Mehrere Optionen liegen auf dem Tisch, aber ob es Sergio Mattarella gelingt, einen breiten Konsens herzustellen, der Italien eine stabile Übergangsregierung verschafft oder einen geordneten Weg zu Neuwahlen ist noch nicht absehbar. Ermutigend ist, dass der Senat es jetzt in Rekordzeit geschafft hat, das Haushaltsgesetz zu verabschieden. Das System ist also entscheidungsfähig, wenn die Parteien denn mitspielen. Sergio Mattarella, Italiens Staatsoberhaupt, will ab 18.00 Uhr mit seinen Beratungen mit den im Parlament vertretenen Parteien beginnen. Der Mann ist nicht zu beneiden.