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Nach dem Teufel jetzt Beelzebub

Klimapolitik. - Eines der erfolgreichsten Klimaschutzabkommen ist das Montreal-Protokoll, mit dem die ozonschädigenden FCKW gebannt wurden. Die Ersatzstoffe lassen die Ozonschicht in Ruhe, sind aber überaus wirksame Treibhausgase. Daher raten Klimaforscher den Politikern, einen analogen Bann auch für sie einzuführen. Auf der Klimakonferenz der Welt-Meteorologieorganisation in Denver zeigte sich, dass die Empfehlung auf Gegenwind stößt.

Von Volker Mrasek | 28.10.2011
    Es geht um Stoffe wie H-FKW 134a. Was sich hinter diesem Akronym verbirgt, wissen zwar nur Experten genau. Doch fast alle von uns machen Gebrauch von dem Gas, das Fluor enthält ...

    "Wenn man sich in der Welt umschaut, dann haben fast alle Autos heute eine Klimaanlage. Und fast alle dieser Klimaanlagen laufen mit H-FKW 134a. Es ist aber ein Treibhausgas."

    Der niederländische Atmosphärenphysiker Guus Velders hat die Nachfolger der FCKW zum Steckenpferd seiner Forschung gemacht. Der Einfachheit halber nennt man sie auch Fluor- oder F-Gase. Von der Industrie werden sie als Kälte-, Isolier- und Aufschäummittel benutzt. Entweichen sie aus Anlagen, sind sie unglaublich langlebig in der Atmosphäre. Auch deshalb hat ein Stoff wie H-FKW 134a ein extrem hohes Erwärmungspotential: Es ist rund 1400 Mal so groß ist wie das von Kohlendioxid. In den nächsten Jahrzehnten werden hohe Zuwachsraten bei klimaschädlichen F-Gasen befürchtet, angetrieben vom Wirtschaftswachstum in Ländern wie China und Indien. Auf der Klimakonferenz in Denver gab es Zahlen dazu. Der Atmosphärenchemiker A.R. Ravishankara von der Nationalen Fachbehörde für Ozean und Atmosphäre in den USA:

    "Wenn von diesen H-FKW weiter Gebrauch gemacht wird, dann könnten sie im Jahr 2050 ein Fünftel des Treibhauseffektes von Kohlendioxid erreichen."

    Der gebürtige Inder Ravishankara ist Hauptautor eines neuen UN-Reports über die Fluor-Gase. Darin wird ebenfalls auf ihre kritische Klimawirkung hingewiesen. Der Bericht soll noch in diesem Monat erscheinen. Und zwar anlässlich der nächsten internationalen Vertragsstaaten-Konferenz im Rahmen des Montreal-Protokolls zum Schutz der Ozonschicht. Sie findet auf Bali statt und beginnt am 21. November. Ravishankara:

    "Der Report fasst den aktuellen Wissensstand über H-FKW zusammen. Seine wichtigste Botschaft lautet: Diese Gase sind nicht alle gleich. Es gibt Wege, anstelle der besonders klimaschädlichen H-FKW solche zu verwenden, die nur ein geringes Erwärmungspotential haben."

    In manchen Fällen können F-Gase auch ganz ersetzt werden, wie Physiker Guus Velders erläutert:

    "Nehmen wir Europa: Wenn Sie an Ihren Kühlschrank zuhause denken, dann ist es sehr wahrscheinlich, daß er mit Isobutan läuft. Dieser Kohlenwasserstoff hat weder Auswirkungen auf die Ozonschicht noch auf das Klima. Auch in anderen Anwendungsbereichen gibt es für F-Gase geeignete Ersatzstoffe."

    Einige Staaten, darunter die USA, Kanada und Mexiko, fordern deshalb inzwischen auch den Ausstieg aus der Produktion der schädlichsten F-Gase. Entsprechende Anträge liegen auf dem Tisch. Doch es gibt zum Teil großen Widerstand von Seiten der Schwellen- und Entwicklungsländer. Sie fürchten finanzielle Mehrbelastungen. Bisher gilt das Montreal-Protokoll als Meilenstein der internationalen Umweltpolitik. Und das auch völlig zurecht, meint Guus Velders:

    "Der Ausstoß der Ozon-zerstörenden FCKW ist infolge der politischen Beschlüsse um gut 90 Prozent zurückgegangen. Das ist ein großer Erfolg, und nebenbei auch für das Klima! Denn die FCKW waren und sind zugleich starke Treibhausgase."

    Diesen Kredit könnten die Vertragsstaaten des Montreal-Protokolls jetzt aber verspielen – wenn sie keine Lösung für die ebenfalls klimaschädlichen F-Gase finden, denen sie den Weg geebnet haben. Wenn auch ungewollt. Velders:

    "We have to be careful, that we don't loose the climate benefits."

    Wir müssen aufpassen, sagt der niederländische Experte, daß wir den Nutzen für das Klima nicht aufs Spiel setzen.