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Nach dem Truppenabzug

Bruchwälder, Moore, offene Dünenlandschaft, Tümpel und jede Menge Heide - die Wahner Heide zwischen Köln und Troisdorf ist das zweitgrößte Naturschutzgebiet Nordrhein-Westfalens. Es besteht bereits seit 1931. Was allerdings nicht daran hinderte, später den Köln-Bonner Flughafen mitten hinein zu bauen. Aber 1968 wurde die Wahner Heide endgültig "vor Neuem" geschützt. Schwarzkehlchen, Heidelerche und Neuntöter - viele anderswo verschwundene Vögel leben in diesem Naturschutzgebiet, das zu den artenreichsten Heidelandschaften Mitteleuropas gehört. Auch fast 2000, zum Teil höchst seltene Käferarten finden dort die jeweils passende Umgebung. Noch älter als die Geschichte des Naturschutzgebietes Wahner Heide ist die des Truppenübungsplatzes. Und das halten Naturschützer heute eher für einen Glücksfall. Bis zum vergangenen Februar formten Panzer und Soldaten die Landschaft mit und verhinderten offenbar Schlimmeres.

Von Axel Denecke | 02.06.2004
    Seit 1817 war die Wahner Heide Truppenübungsplatz, - zuletzt übten dort belgische NATO-Truppen. Das ging nicht spurlos an dem südöstlich von Köln gelegenen Naturschutzgebiet vorbei. Auf seinen naturkundlichen Führungen zeigt Holger Sticht vom Bündnis für die Wahner Heide den Besuchern nicht nur Bruchwälder, Moore und Caluna-Heide, sondern auch vom Militär scheinbar verwüstete Flächen.

    Wir stehen hier auf einer Panzertrasse, das ist sozusagen eine Panzerautobahn. Hier fuhren also regelmäßig Panzer her, vor allem konzentriert in der Mitte, aber sie fuhren auch in die Randbereiche, dadurch sind diese Vertiefungen entstanden, so dass sich solche kleinen Gewässer ausbilden konnten.

    Entstanden war die abwechslungsreiche Heidelandschaft durch Beweidung und Rodung von Menschenhand. Das Militär trat mit Panzern und mit Pioniertrupps die Nachfolge dieser Form der Landschaftspflege an. Die offenen Sanddünen der ehemaligen Gefechtsstände und die Panzerpisten wurden Lebensraum für höchst seltene Pflanzenarten.

    Der rundblättrige Sonnentau, so eine hochgradig gefährdete Art, der von Natur aus in Heidemooren siedelt, der ist in der Lage hier diesen, durch den Menschen entstandenen Lebensraum zu besiedeln.

    Neben dem Sonnentau leben über 700 weitere Rote-Liste-Arten in der Wahner Heide, weite Teile der 5000 ha großen Fläche sind FFH -Schutzgebiet. Die militärische Nutzung bewahrte die Wahner Heide nicht nur vor der Zerstörung durch den Bau von Straßen und Gewerbegebieten, auch Besucher durften den ehemaligen Truppenübungsplatz an Wochentagen nicht betreten - ideale Bedingungen für eine ungestörte Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt. Ende Februar zog nun das belgische Militär ab. Seitdem steht die Heide Besuchern täglich offen.

    Neue Hinweistafeln, ein markiertes Wegenetz und Landschaftswächter mahnen nun die Besucher zum verantwortungsvollen Verhalten in der Wahner Heide. Neu diskutiert wird seit dem Abzug des Militärs aber auch die Ausweitung der Nutzung in der Wahner Heide durch den Flughafen Köln/Bonn. Der inmitten des Naturschutzgebietes gelegene Airport ist seit dem Start der Billigflieger im Aufwind. Der Bezirksplanungsrat beschloss im Dezember 2003 die Ausweisung von neuen Bauflächen in der Wahner Heide sowie die partielle Nutzung von ehemaligen Kasernenflächen in der Zentralheide. Andere Pläne sehen sogar eine Eingliederung der Kaserne in die Flughafenfläche vor. Für Naturschützer Holger Sticht eine Horrorvorstellung:

    Eine gewerbliche Nutzung durch die Flughafen GmbH, das wäre das schlimmste, was passieren könnte, denn es sind hier wertvollste Standorte und Arten hier vorhanden. Wir haben vorgeschlagen, ein kleines Infozentrum, ein kleines Heidecafé mit Heideprodukten hinein zu bringen mit den Produkten, die hier erwirtschaftet werden mit der Heidschnuckenherde, der Ziegenherde oder der Rinderherde.

    Ob die Entwicklung der Natur oder die des Flughafens in der Wahner Heide oberste Priorität haben werden, wird letztlich in Düsseldorf entschieden. Einstweilen weist der Flughafen darauf hin, dass er die Viehherden und andere Pflegemaßnahmen in der Wahner Heide bezahlt - als Ausgleichsmaßnahmen für seinen Ausbau der letzten Jahre. Die Naturschützer hoffen dagegen, dass sich die Menschen im Raum Köln/Bonn weniger für Billigflieger erwärmen als für die wesentlich lautloseren Flieger, die in der Wahner Heide zu beobachten sind.

    Da fliegt ein Graureiher, - seit 2003 neuer Brutvogel in der Wahner Heide. Schönes Beispiel dafür, dass eine Art in Bedrängnis kommen kann, und man doch die Chance hat, wenn man die richtigen Maßnahmen einleitet, dieses Aussterben zu verhindern.