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Nach den Sondierungen
Die Skepsis in der SPD bleibt

Die Sondierung ist geschafft - jetzt muss die SPD ihre Basis vom Kurs in Richtung Große Koalition überzeugen. Allerdings ist das Sondierungsergebnis auch innerhalb der Parteiführung umstritten. Die SPD-Nachwuchsorganisation Jusos und andere Kritiker wollen gegen eine Neuauflage der Großen Koalition mobilisieren.

13.01.2018
    Die Finale Fassung der Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD
    Die Finale Fassung der Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD (dpa-Bildfunk / Maurizio Gambarini)
    Das SPD-Präsidiumsmitglied Uekermann ist eine von insgesamt sechs Abweichlern im SPD-Vorstand, die gegen Koalitionsverhandlungen mit der Union gestimmt hat. Zwar sieht sie im ausgehandelten Sondierungspapier einige Erfolge ihrer Partei, überzeugt ist sie vom Gesamtergebnis aber nicht. CDU und CSU blockierten einen Politikwechsel für mehr Gerechtigkeit, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Eine Fortsetzung der alten Großen Koalition könne es aber nicht geben, das habe man den Bürgern am Wahltag deutlich gemacht. Die frühere Juso-Chefin aus Bayern hat zudem generelle Bedenken gegen eine Neuauflage von Schwarz-Rot. Große Koalitionen müssten die Ausnahme bleiben, da die fehlende Polarisierung der Volksparteien der Demokratie schade.
    Die Bundesvorsitzende der Jusos, Johanna Uekermann.
    Johanna Uekermann (dpa-Bildfunk / Sebastian Kahnert)
    Ähnlich argumentiert auch Uekermanns Nachfolger bei den Jusos, der neue Bundesvorsitzende Kühnert. Auch er bleibt bei seinem Nein zur GroKo und bekräftigte den Widerstand seiner Organisation gegen eine Neuauflage. Kühnert kritisierte in der Zeitung "Welt" besonders heftig die Sondierungsergebnisse zum Thema Migration. Diese entsprächen nicht den eigenen Vorstellungen von Humanität, so Kühnert. Er wolle deshalb auch weiter innerhalb der Partei gegen eine Große Koalition mobilmachen.
    Mattheis warnt vor einem "Weiter-So"
    Die SPD-Politikerin Mattheis vom linken Flügel kündigte ebenfalls Widerstand gegen eine neue mögliche große Koalition an. Mattheis sagte im Deutschlandfunk, sie bleibe bei ihrer Kritik, dass bei einer Neuauflage kein genereller Politikwechsel stattfinde. Dieser sei aber nötig, um die SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit zu positionieren. Die vergangenen vier Jahre hätten nicht zur Profilierung der Partei beigetragen. Zudem dürfe der AfD nicht die Oppositionsführerschaft überlassen werden.
    Die baden-württembergische SPD-Politkerin Hilde Mattheis beim Landesparteitag in Donaueschingen im November 2017.
    Die SPD-Politkerin Hilde Mattheis (picture alliance / Patrick Seeger/dpa)
    Mattheis macht erheblichen Unmut an der SPD-Basis über das Ergebnis der Koalitionssondierungen mit der Union aus. Bei vielen Parteimitgliedern herrsche große Skepsis. In der alten großen Koalition habe Partei wiederholt die Erfahrung gemacht, dass Vereinbarungen mit der Union nicht vollständig umgesetzt worden seien. "Wir haben immer eine Fahne hochgezogen und mussten diese Fahne dann immer mindestens bis zur Hälfte wieder einrollen." Das habe nicht zur Profilierung der SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit beigetragen.
    Bei einer erneuten großen Koalition befürchte sie, dass das Bundestagswahlergebnis von 20,5 Prozent "nach unten noch zu toppen" sei. Das Land brauche aber eine starke sozialdemokratische Partei, in einer Großen Koalition sei es jedoch nicht möglich, zu dieser Stärke zurückzukehren. Mattheis plädierte stattdessen für eine unionsgeführte Minderheitsregierung. Dann gäbe es wieder eine politische Kultur, die den Austausch von Argumenten fördere und sich nicht nur auf einfache Mehrheiten verlasse.
    Werben für die "Zweckgemeinschaft"
    SPD-Chef Schulz, die Vize-Vorsitzenden Dreyer und Scholz sowie Bundestagsfraktionschefin Nahles werben dagegen dafür, dass der SPD-Parteitag in gut einer Woche für die Aufnahme von förmlichen Koalitionsverhandlungen stimmt. Schulz sagte im ZDF, man habe in den Sondierungsgesprächen eine Menge herausgeholt. Deshalb glaube er, dass die Delegierten des Parteitages dem Sondierungsergebnis zustimmen werden. Der SPD-Chef ließ offen, ob er im Falle einer Niederlage auf dem Parteitag zurücktreten werde.
    Schulz gestikuliert in der ZDF-Sendung "Was nun...?"
    SPD-Chef Martin Schulz. (ZDF/ dpa / Thomas Ernst)
    SPD-Bundestagsfraktionsc hefin Nahles hat in der ARD für die von ihrer Partei durchgesetzten Sondierungsergebnisse geworben. Die mit der Union vereinbarte Absenkung des Solis trage "voll die sozialdemokratische Handschrift", so Nahles. Zudem habe es die SPD nach einem jahrzehntelangen Streit mit der Union geschafft, ein Einwanderungsgesetz durchzusetzen. Insgesamt sei das erzielte Ergebnis ein fairer Kompromiss. Auch Hamburgs Regierungschef Scholz befand: "Das Gesamtpaket stimmt." Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er weiter, auf dieser Basis lohne es sich, Koalitionsverhandlungen mit der Union zu führen. Er räumte ein, dass die SPD sich mit ihrer Forderung nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht durchgesetzt habe. Allerdings würden durch den geplanten Abbau des Solidaritätszuschlages die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen entlastet.
    Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer sieht gute Chancen, die SPD-internen Kritiker umzustimmen. Die Große Koalition sei zwar nicht ihre Lieblingskonstellation, aber manchmal könnten auch Zweckgemeinschaften gute Arbeit leisten.
    CSU setzt auf "Vernunft" der SPD-Basis
    CSU-Generalsekretär Scheuer hofft auf Zustimmung bei der SPD-Basis. Er sagte der "Passauer Neuen Presse", man setze auf die Vernunft. Das Sondierungsergebnis sei eine gute Basis, beide Seiten hätten Punkte gemacht. Bundeskanzlerin Merkel hatte gestern Abend bei einem Neujahrsempfang in ihrem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern erklärt, dass sie auf eine Regierungsbildung bis Ostern setzt.
    CDU, CSU und SPD hatten sich Freitagmorgen in einem 28-seitigen Papier auf Eckpunkte für die Bildung einer neuen Großen Koalition geeinigt. Wie die deutschen Zeitungen das Ergebnis bewerten, können Sie in unserer ausführlichen Presseschau dazu nachlesen bzw. nachhören. Deutschlandfunk-Hauptstadt-Korrespondentin Katharina Hamberger fordert in ihrem Kommentar von den drei Parteien, ihre Worte mit Leben zu füllen. Dafür sei in ihrem Sondierungspapier "noch deutlich Luft nach oben".