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Nach der Armenier-Resolution
SPD-Politiker werfen größtem Islamverband Abhängigkeit von der Türkei vor

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), wirft der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) vor, unter dem Einfluss der türkischen Regierung zu stehen. Ditib hatte Özoguz vom gemeinsamen Fastenbrechen ausgeladen, nach eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen. Özoguz konterte: Der Islamverband überlasse Hardlinern den Raum. Mit der Kritik ist sie nicht die einzige.

17.06.2016
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    Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), ist "mehr als befremdet" von der Ausladung vom Fastenbrechen durch Ditib. (imago / Metodi Popow)
    Özoguz sagte dem "Spiegel": "Die Ditib behauptetet, sie sei ein deutscher Verein, lässt sich aber von Ankara steuern. Das geht nicht." Der Islamverband mache außerdem nicht deutlich, dass Drohungen und Einschüchterungen nicht akzeptiert werden.
    Der Vorsitzende von Ditib-Nord, Sedat Simsek, hatte eine von seinem Verband im April ausgesprochene Einladung für Mittwochabend in Hamburg kurzfristig zurückgezogen. Özoguz hatte wie alle türkischstämmigen Abgeordneten des Bundestages Drohungen erhalten, nachdem sie für eine Resolution gestimmt hatte, die die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor gut 100 Jahren als Völkermord klassifiziert; das lehnen viele in der Türkei vehement ab. Özoguz sei von der Ausladung "mehr als befremdet" gewesen, sagte deren Sprecherin. Sie hatte trotz Sicherheitsbedenken kommen wollen - mit Personenschutz.
    Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel hatte die Ausladung zuvor bereits als "unerhört" bezeichnet. Die Sicherheitsbedenken seien aus seiner Sicht vorgeschoben. Auch der SPD-Vize war dem Verband Abhängigkeit von der Türkei vor und sagte: "Ditib muss aufpassen, nicht als verlängerter Arm Erdogans wahrgenommen zu werden."
    Ditib Hetze gegen Abgeordnete wird abgelehnt, Kritik an ihnen nicht
    Ditib-Sprecher Zekeriya Altug wies Vorwürfe zurück, dass türkischstämmige Menschen vom türkischen Staatspräsidenten gesteuert würden. Ditib lehne Hetze und Bedrohungen gegen Abgeordnete entschieden ab und stelle sich solidarisch mit den Abgeordeten. Die freie Meinungsäußerung müsse aber geschützt werden - auch Kritik gegenüber Abgeordneten, solange sie sachlich und im Ton angemessen sei.
    Die Absage an Özoguz sei, wie schon die Absage einige Tage zuvor an Bundestagspräsident Norbert Lammert, mit großem Bedauern und aufgrund von Sicherheitsbedenken geschehen und habe ihn und den Verband zutiefst erschüttert, erklärte Altug. Denn auch Ditib erfahre Anfeindungen und Drohungen, weil der Islamverband "eben weiterhin den Dialog und den Austausch" suche.
    (vic/tgs)