Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Nach der Bundestagswahl
Koalitionspoker geht weiter

Wer regiert in Zukunft mit wem? Nach der Bundestagswahl beschäftigt diese Frage die Parteien gleichermaßen. Die Bildung einer Jamaika-Koalition gilt als wahrscheinlich. Doch das mögliche Bündnis zwischen CDU/CSU, FDP und Grüne steht vor hohen Hürden.

Von Paul Vorreiter | 26.09.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin.
    Bundeskanzlerin Merkel will trotz der Absage auch mit der SPD sprechen. (dpa / picture alliance / Gregor Fischer)
    Die Stimmung bei der ersten Sitzung der AfD-Bundestagsfraktion heute Vormittag in Berlin dürfte wohl angespannt sein: Parteichefin Frauke Petry hatte überraschend angekündigt, aus der Fraktion auszuscheiden.
    Spitzenkandidat Alexander Gauland betonte am Abend in der ARD, dass er Petrys Parteikarriere als beendet ansieht:
    "Ich glaube, sie weiß selbst, das sie in der Partei ihre Zukunft hinter sich hat. Man kann seinem Spitzenteam nicht in den Rücken fallen."
    Petry hat mit ihrem Schritt eine Diskussion losgetreten, wie die neu in den Bundestag eingezogene Partei auftreten soll: Als Frontalopposition, "die Kanzlerin Merkel jagen" wolle - wie Spitzenkandidat Alexander Gauland es ausgedrückt hat - oder doch eher als konservativ-liberale Kraft.
    CSU unter Druck
    Aufgrund des Erfolgs der AfD sieht sich vor allem die CSU unter Druck, sich inhaltlich neu aufzustellen. Für Wirbel sorgte das kurze Infragestellen der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU. Vor Sondierungsgeprächen mit Grünen und FDP will Parteichef Seehofer jedenfalls eine gemeinsame Linie von CDU und CSU erreichen.
    Damit dürfte auch wieder die von den Christsozialen anvisierte Obergrenze für Flüchtlinge zum Thema werden. Generalsekretär Andreas Scheuer erklärte im ZDF, warum die CSU auf einer Neupositionierung besteht:
    "Deswegen die Standortbestimmung, weil wir im konservativ-liberalen Flügel eine offene Flanke haben und die müssen wir schnell schließen. Es geht dabei nicht nur um die Zuwanderung, Integration und die Sicherheit, es geht auch um zentrale Fragen der Alterssicherung, der Steuerentlastung und der Familienpolitik."
    Eine Gelegenheit zum Klarstellen. Die bietet das erste Treffen der Unionsfraktion heute, bei der Volker Kauder als Fraktionschef voraussichtlich wiedergewählt wird.
    Rechtsruck in der Union wird zum Problem für die Grünen
    Ein Rechtsruck der Union könnte vor allem die Grünen in Schwierigkeiten bringen, die grundsätzlich bereit sind, Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition anzuvisieren. Spitzenkandidat Cem Özdemir hofft darauf, dass Kanzlerin Merkel nach dem AfD-Erfolg nicht dem Druck aus der Schwesterpartei nachgibt:
    "Die Lehre ist doch dann eher, dass die Union nicht versuchen darf, noch näher an die CSU ranzurücken, sondern da wo Frau Merkel steht, in der gesellschaftlichen Mitte, Mehrheiten organisieren muss."
    Vor allem im linken Flügel der Partei sind die Vorbehalte gegenüber einer Jamaika-Koalition groß. Mit einem 14-köpfigen Team wollen die Grünen die Möglichkeiten eines solchen Bündnisses ausloten und dabei sehen, ob ihre zentralen Forderungen: Klimaschutz und Gerechtigkeit in dieser Konstellation voranzubringen sind.
    Ebenso vorsichtig in puncto Sondierungsgespräche zeigt sich die wieder im Bundestag vertretene FDP. Der einstimmig zum Fraktionsvorsitzenden gewählte Parteichef, Christian Lindner, knüpft Gespräche mit Union und Grünen an Bedingungen:
    "Die FDP ist selbstverständlich bereit zur Übernahme von Verantwortung. Nur wir wollen die Richtung der Politik verändern, also Trendwenden erreichen und wenn das nicht möglich ist, dann wäre unser Platz die Opposition."
    Wären Neuwahlen eine Alternative, wenn alle Stricke reißen? Kanzlerin Merkel scheint daran jedenfalls noch nicht zu denken. Darauf zu spekulieren, sei, - etwas holprig ausgedrückt - "Das Nicht-Achten eines Wählervotums". Die CDU-Vorsitzende kündigte jedoch an, die SPD nicht einfach so ziehen zu lassen:
    "Es ist glaube ich wichtig, dass Deutschland eine stabile und gute Regierung bekommt, ich habe die Worte der SPD vernommen, trotzdem sollte man in Gesprächskontakt bleiben."
    SPD: Oppositionsführerschaft der AfD verhindern
    Die SPD erneuerte unterdessen immer wieder ihre Aussage vom Wahlabend: Als "Bollwerk der Demokratie" müsse sie eine Oppositionsführerschaft der AfD verhindern. Parteichef Martin Schulz riet Kanzlerin Merkel, keine Zeit damit zu verschwenden, auf die Sozialdemokraten zuzugehen:
    "Also wenn die mich anrufen will, soll sie mich anrufen, aber nach der Elefantenrunde weiß sie, dass sie ihre Zeit besser nutzt, wenn sie andere anruft."
    Schulz versprach, das Wahlfiasko bis zum Parteitag Anfang Dezember in Gremien, Klausursitzungen und acht Regionalkonferenzen aufzuarbeiten Als neue Fraktionsvorsitzende schlug er Arbeitsministerin Andrea Nahles vor.
    Am Nachmittag treffen sich ebenso die alten und neuen SPD-Abgeordneten in Berlin. Ob in der Opposition SPD und Linkspartei zueinanderfinden? Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht bleibt auch nach der Wahl skeptisch.
    "Es wäre natürlich schön, wenn wir mit der SPD mal wieder eine sozialdemokratische Partei hätten, weil dann gäbe es möglichweise auch wieder die Chance auf andere Mehrheiten."
    Welche Chancen sich ergeben, Mehrheiten zu bilden, das wird die zentrale Frage der nächsten Stunden und Tage sein.