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Nach der Katastrophe in Japan

Das Erdbeben in Japan hat gezeigt: Totale Sicherheit gibt es nicht. Noch ist unklar, wie groß die Gefahr wirklich ist, die von dem beschädigten Atomreaktor Fukushima 1 ausgeht. Das führt in Deutschland zu einer neuerlichen Debatte um den Ausstieg aus der Atomenergie.

Von Arndt Reuning, Günter Hetztke und Dagmar Röhrlich | 13.03.2011
    "Wir gehen davon aus, dass damit die Lage am Reaktor Nummer drei unter Kontrolle gebracht werden kann. Der Wasserkühlkreislauf für diesen Reaktor ist zum Stillstand gekommen. Und wir versuchen, den Druck im Inneren des Reaktors zu reduzieren. Wenn wir Luft ablassen und Wasser hineinpumpen, können wir den Reaktor stabilisieren. Dadurch wird Radioaktivität freigesetzt. Es besteht jedoch keine Gesundheitsgefahr."

    … sagte Yukio Edano noch heute Morgen. Das ernste Gesicht des japanischen Kabinettssekretärs ist längst weit über das Land hinaus bekannt. Verbunden wird es meist mit immer neuen Krisennachrichten, mit den verzweifelten Versuchen der japanischen Behörden, das Schlimmste noch zu verhindern.

    Dass trotz der gestrigen Explosion an einem Reaktor gefährlich hohe Strahlungswerte aufträten, darauf gebe es derzeit keine Hinweise. Sagte Kabinettssekretär Yukio Edano noch am Nachmittag. Und erklärt gleichzeitig, dass es in Block 1 des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi höchstwahrscheinlich eine teilweise Kernschmelze gegeben habe. In Block 3 sei der Kern nicht geschmolzen, habe sich aber verformt.

    Bestätigt werden konnte die Kernschmelze in Block 1 noch nicht, da die Ingenieure nicht nahe genug an die Reaktoren gelangen können. Außerdem arbeiten anscheinend einige Messinstrumente nicht korrekt. Deshalb sind Aussagen über den Zustand noch immer schwierig. Strahlenschutzexperte Herwig Paretzke geht nach der Rücksprache mit seinen japanischen Kollegen davon aus, dass bislang nichts von einer Kernschmelze nach außen gedrungen ist.

    Eine Kernschmelze bedeutet nämlich nicht zwangsläufig, dass Radioaktivität austritt – durch Kühlung lässt sich die Lage soweit unter Kontrolle halten, dass die Radioaktivität im Reaktorgebäude eingeschlossen bleibt.

    Das war auch im Block 1 der Fall. Da dort die Kühlung nicht funktioniert hat, wurde der Druckbehälter mit Meerwasser geflutet. Dieses Meerwasser war mit Bor versetzt worden, um eine Kettenreaktion zu verhindern. Die Lage gilt nicht mehr als kritisch aber als instabil. Sollte daher die Kühlung des Behälters nicht reichen, wird nach dem Zwiebelprinzip die nächstäußere Hülle mit Wasser gefüllt. Schließlich das Reaktorgebäude. Auch im Block 3 soll die erste Flutung begonnen haben.

    Die Regierung ist derzeit dennoch optimistisch, dass die Folgen der potenziellen Kernschmelzen auf die Reaktorgebäude beschränkt werden können. Der Grund dafür sind die Messwerte der Radioaktivität in der Luft. Trotz einiger kurzer Anstiege sinken die Werte insgesamt ab. Das spreche dafür, dass der Reaktordruckbehälter und das sogenannte Containment noch intakt seien.

    Die japanische Regierung hat jedenfalls damit begonnen, die Anwohner in Sicherheit zu bringen. Erst waren es zehn Kilometer, dann 20. Auf diesen Radius hat die japanische Regierung mittlerweile die Sicherheitszone um das Atomkraftwerk Fukushima 1 ausgeweitet. Zehn Kilometer sind es um das Kraftwerk Fukushima 2. 200.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen und sind auf der Flucht.

    Mit diesen Evakuierungsmaßnahmen könne eine akute Gefährdung der Bevölkerung zunächst abgewendet werden, glaubt der britische Atomenergie-Experte Malcolm Grimston.

    "Wenn ich das von hier aus recht überblicke, dann hat das meiste radioaktive Material, das dort frei gesetzt wurde, eine sehr kurze Lebensdauer. Innerhalb weniger Wochen oder Monate wird das wieder verschwunden sein. Und weil sich aufgrund der Evakuierung keine Menschen im Umkreis der Anlage aufhalten, sehe ich das nicht als eine Bedrohung für die Gesundheit an."

    Ein leicht flüchtiger Stoff, der eventuell auch weitere Strecken in der Luft zurück legen könnte, ist das radioaktive Iod-131. Es ist deshalb besonders bedeutsam, weil der menschliche Körper eine gewisse Dosis davon für seinen Hormonhaushalt braucht. Das essenzielle Spurenelement hilft dabei, in der Schilddrüse den körpereigenen Stoff Thyroxin herzustellen. Dazu muss der Organismus Iod üblicher weise mit der Nahrung aufnehmen und in der Schilddrüse einlagern. Oder eben über die Luft, denn der Körper macht keinen Unterschied zwischen dem natürlichen Iod und der künstlichen, radioaktiven Variante. Der Nuklearphysiker Walt Patterson dazu in einem BBC-Interview:

    "Vor allem macht man sich Sorgen wegen des Iods. Biologisch gesehen ist das recht gefährlich, ein sehr radioaktives Material. Andererseits bedeutet diese starke Radioaktivität, dass es rasch wieder zerfällt. Die japanischen Behörden wollen der Gefahr begegnen, indem sie Jodtabletten verteilen – um den Körper mit dem Stoff zu sättigen, sodass er dass radioaktive Jod aus dem Umwelt nicht einlagert."

    In der Luft gemessen werden bislang Radiojod und Radiocäsium, aber weder Edelgase noch die vielen anderen giftigen Radionuklide, die bei einer Kernschmelze freigesetzt werden. Das könnte dafür sprechen, dass die erhöhten Messwerte bei Radiojod und Radiocäsium von einem alten Filter herrühren, der bei den Ereignissen in Brand geraten sein könnte.

    Es gibt aber noch eine alternative Erklärung: Der Druck im Reaktordruckbehälter war so hoch angestiegen, dass Leckagen auftraten. Dabei gelangte Wasser in das sogenannte Containment, die Sicherheitshülle um den Fukushima-1-Reaktor – und trat als Dampf aus. Ob das aber bedeutet, die größte Gefahr ist überstanden, lässt sich zur Zeit noch nicht sagen. Heute Nachmittag rief die japanische Regierung auch für das Atomkraftwerk Onagawa den Notstand aus. Eine Folge des Lecks in Kraftwerk Fukushima-1.

    Der Schaden jedenfalls, den das Beben und seine Folgen im Bewusstsein der Japaner angerichtet haben, dürfte immens sein. Japan setzt bei seiner Energieversorgung so stark wie kaum ein anderes Land auf die Kernenergie – Nur in den USA und Frankreich spielt sie eine gewichtigere Rolle. Denn Japan hat kaum eigene Rohstoffe. Das wurde den Japanern besonders während der Ölkrise in den 1970er-Jahren schmerzhaft bewusst. Denn damals war das Land auch in der Stromversorgung zu fast zwei Dritteln vom Öl abhängig und bekam die Auswirkungen der Ölknappheit stärker zu spüren als andere Länder. Danach war die Linie der Politik klar: Möglichst weitgehende Unabhängigkeit bei der Energieversorgung – der Ausbau der Atomenergie erhielt nationale Priorität.

    Das erste Forschungsprogramm in Japan startete allerdings schon im Jahr 1954. Gerade einmal drei Jahre nachdem in den USA das erste Atomkraftwerk überhaupt seinen Betrieb aufgenommen hatte. 1966 ging in Japan der erste kommerzielle Reaktor in Betrieb. Inzwischen decken 17 Atomanlagen mit 55 Reaktoren fast ein Drittel des Strombedarfs des Inselstaates. Außerdem gibt es noch 50 Versuchsreaktoren.

    Atomenergie ist in Japan aber auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und Exportartikel: Inländische Konzerne wie Mitsubishi Heavy Industries, Toshiba und Hitachi kämpfen auch international um Aufträge.

    In den vergangenen Jahren lieferte der Klimaschutz ein zusätzliches Argument für die Kernenergie: Um 25 Prozent will die Regierung bis zum Jahr 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren. Atomenergie ist neben Energieeffizienz und erneuerbaren Energien ein Eckpfeiler in Japans Klimaschutz-Strategie.

    13 neue Kraftwerke sind derzeit geplant, zwei sind im Bau: Bis Ende des Jahrzehnts soll die Atomkraft über 40 Prozent des Strombedarfs liefern. Nach einem Plan des Wirtschaftsministeriums sollte Atomenergie bis zum Ende des Jahrhunderts sogar 60 Prozent des Energiebedarfs decken. Ein ehrgeiziges Ziel, weil eine Reihe von Reaktoren älter ist als 40 Jahre und damit das Ende ihrer gesetzlichen Laufzeit erreicht haben.

    Zu ihnen gehörte auch der Reaktor 1 im Kraftwerk Fukushima. Er sollte eigentlich bis April dieses Jahres vom Netz gehen. Denn der Reaktor ist nicht nur der älteste der sechs Reaktoren in der Anlage, er ist auch einer der ältesten der Welt. Der Siedewasserreaktor Fukushima 1 liefert seit 1971 kommerziell Strom. Immer wieder kam es zu Pannen an diesem Standort. 2006 trat radioaktiver Dampf aus einem Rohr aus, im Jahr 2000 musste ein Reaktor wegen eines Lochs in einem Brennstab abgeschaltet werden. 2002 musste die Betreibergesellschaft Tepco – Tokyo Electric Power - zugeben, über zehn Jahre lang Berichte über Risse in Reaktoren und Reaktordruckbehältern gefälscht zu haben. Zeitweise gingen alle 17 Tepco-Reaktoren im ganzen Land vom Netz.

    Fukushima 1 wurde 2001 generalüberholt, denn es hatte im Laufe seiner vier Jahrzehnte dauernden Laufzeit immer wieder Probleme gegeben – mit Rissen in den Stahlrohren des Kühlsystems und der Kernummantelung. Ein bekanntes Problem bei diesem Reaktortyp, den es auch in Deutschland gibt.

    "Es ist nach menschlichem Ermessen nicht vorstellbar, dass Deutschland von den Auswirkungen des Unglücks in Japan betroffen sein könnte. Wir sind zu weit davon entfernt. Aber ich will dennoch sagen, natürlich ist uns Japan nah und ich verstehe auch deshalb jeden, der sich Sorgen macht, ob eines unserer hiesigen Kernkraftwerke unter bestimmten Umständen ebenso in Gefahr geraten könnte."

    Versucht Bundeskanzlerin Angela Merkel die deutsche Öffentlichkeit zu beruhigen. Die vier großen Energiekonzerne E.ON, RWE und EnBW sowie Vattenfall betreiben derzeit 17 Atomkraftwerke in Deutschland, wobei selten alle Anlagen gleichzeitig am Netz sind. Denn zum einen müssen sie turnusmäßig abgeschaltet werden, um eine umfassende Revision durchzuführen. Zum anderen zwingen immer wieder Pannen die Betreiber, die Reaktoren herunterzufahren. So mussten in der Vergangenheit beispielsweise im AKW Krümmel an der Elbe defekte Brennelemente ausgetauscht werden; im AKW Philippsburg war eine Rohrleitung durch eine Explosion geborsten; ein gebrochener Schalter an der Zwischenkühlpumpe im AKW Brunsbüttel musste ausgetauscht werden oder aber Biblis B lag still, nachdem schadhafte Stellen in der Edelstahlauskleidung der Rohre entdeckt worden sind, weil der Rostschutz im Kühlkreislauf defekt war. Auf diesen Mangel war man erst sehr spät aufmerksam geworden, weil die Kamera-Überwachungstechnik nicht auf dem neuen Stand war.

    Insgesamt erzeugen die Atomkraftwerke rund 23 Prozent des Stroms in Deutschland. Der Anteil am gesamten Energieverbrauch hierzulande - bezogen auf Verkehr, Industrie, private Haushalte sowie Gewerbe und Dienstleistung - ist aber deutlich geringer und liegt bei 11 Prozent. Hier haben Mineralöl, Stein- und Braunkohle sowie Erdgas einen höheren Anteil.

    Vor allem die ältesten deutschen Kernkraftwerke waren den Atomkritikern stets ein Dorn im Auge, weil die Modelle der "Baureihe 69" besonders störanfällig sind – etwa die Anlagen Isar 1, Philippsburg 1 oder auch Brunsbüttel. Bei diesen sogenannten Siedewasserreaktoren wird Wasser erhitzt und der Dampf jagt durch eine Turbine, die Strom erzeugt, was – im Gegensatz zu den Druckwasserreaktoren - beim Bau Kosten gespart hat. Dieser günstige Preis hat allerdings einen Haken: "Bei Kernschmelzunfällen könnte es unter ungünstigen Bedingungen schon innerhalb weniger Stunden zum Versagen des Sicherheitsbehälters kommen – mit katastrophalen Folgen", mit dieser Einschätzung ließ sich schon vor Jahren der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, zitieren.

    Umso erleichterter waren die Atomkritiker, als die damalige rot-grüne Bundesregierung im Juni des Jahres 2001 mit der Atomwirtschaft den Ausstieg aus der Atomenergie vertraglich vereinbarte. Isar 1, Philippsburg 1 oder auch Brunsbüttel, die Siedewasserreaktoren, sowie drei weitere Meiler wären heute nicht mehr am Netz – wäre es bei diesem rot-grünen Ausstiegsszenario geblieben. Ein Konsens, dem schwierige Verhandlungen vorausgegangen waren, so damals Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD):

    "Erst der Respekt für die Interessen der jeweils anderen Seite ermöglichte den Kompromiss. Wir haben ein klares Ende für die Nutzung der Kernenergie festgelegt Das vereinbarte Verfahren trägt zugleich aber auch den berechtigten Anliegen der wirtschaftlichen Interessen der Energieversorgungsunternehmen Rechnung."

    Für Bündnis 90/Die Grünen ging damit ein lang ersehnter Traum in Erfüllung. Bundesumweltminister Jürgen Trittin im Juni 2001.

    "Mit dem heute in den Geschäftsgang gegebenen neuen Atomgesetz haben sich Grüne in Deutschland als Richtungsgeber erwiesen. Kein Land steigt schneller aus der Atomkraft aus als die Bundesrepublik Deutschland. Und während in anderen Ländern auf Nuklear- und fossile Brennstoffe gesetzt wird, haben wir in Deutschland die Energiewende eingeleitet."

    Etwa im Jahr 2021 sollte - nach dem vom Bundestag und Bundesrat besiegelten Ausstieg aus der Atomenergie - der letzte deutsche Meiler vom Netz gehen. Ein Beschluss, den nicht nur die vier großen Energiekonzerne als verfehlt bezeichneten, sondern auch die damalige CDU/CSU-Opposition. Fraktionsvorsitzender war Friedrich Merz.

    "Die CDU/CSU wird nach dem nächsten Regierungswechsel diese Entscheidung rückgängig machen. Sie ist nicht unumkehrbar."

    CDU/CSU und FDP mussten bis zum Jahr 2009 warten, um die Energiepolitik zum zentralen Wahlkampfthema zu machen. Die neue schwarz-gelbe Bundesregierung kündigte dann an, bis zum Herbst des vergangenen Jahres ein neues Energiekonzept erstellen zu wollen – doch bereits im Frühjahr 2010 kam es zum Ausstieg aus dem Atomausstieg. Denn die Berliner Koalition legte fest, dass die Atomkraftwerke doch länger als bisher geplant am Netz bleiben sollen.

    "Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine Revolution im Bereich der Energieversorgung. Das ist eine Revolution, die planbar wird und damit auch eine völlige qualitative Veränderung unserer Energieversorgung in wenigen Jahrzehnten mit sich bringen wird."

    So Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Verabschiedung des Energiekonzeptes. Erwartungsgemäß schäumte erwartungsgemäß vor Wut. Claudia Roth, Vorsitzende der Grünen, im vergangenen Herbst.

    "Das ist ein Anschlag auf die Sicherheit der Menschen in diesem Land. Sicherheit spielt bei Schwarz-Geld offensichtlich keine Rolle, sofern es nicht um die Sicherheit der Bankkonten der großen Energiekonzerne geht."

    Politisches Geplänkel – das sich mit der Reaktorkatastrophe in Japan ändern könnte. Dessen Ausmaß liegt zwar noch immer im Dunkeln, doch Deutschland ist bereit mittendrin in einer hitzigen Diskussion um Für und Wider der Kernenergie. Wie sicher sind die deutschen Atomkraftwerke? Kann ein Unfall tatsächlich ausgeschlossen werden? Diese Fragen werden angesichts der Ereignisse in Japan wieder heftig debattiert. Die Bundesregierung hält unbeirrt an ihrer Atompolitik fest.

    Eine Haltung, die bei der Opposition nur Kopfschütteln auslöst. Angesichts dieser eindeutigen Festlegung befürchtet Renate Künast, Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen, dass die Bundesregierung auch künftig keinen Deut von ihrer Atompolitik abrücken, sondern lediglich Beruhigungspillen für die Öffentlichkeit verteilen wird.

    "Ich glaube, dass jetzt Frau Merkel und Herr Röttgen uns vormachen, dass eine ganz neue Überprüfung stattfindet und nach einigen Wochen und Tagen werden sie uns nur minimale kleinste rechtliche Veränderungen vorschlagen. Aber die großen Maßnahmen müssen heißen: Die sieben ältesten sofort abschalten, weil sie da bei einem Kleinflugzeugabsturz sofort in die Situation kommen können die Kernschmelze beeinflussen können; und bei allen anderen, glaube ich, ist das Auslaufen, das rot-grün mal vereinbart hatte, wirtschaftlich und von der Sicherheit der richtige Weg."

    Es mag zynisch klingen – aber die Diskussion könnte die anstehenden Landtagswahlen beeinflussen. Vor allem in Baden-Württemberg, wo vier Kernkraftwerke stehen. Wie kaum ein anderer Spitzenpolitiker in Deutschland machte sich der amtierende Ministerpräsident Stefan Mappus für die Atomenergie stark. Der CDU-Politiker wollte die Meiler mindestens 15 Jahre länger laufen lassen. Eine Forderung, die den Wahlkämpfer jetzt wieder einholen könnte – zwei Wochen vor dem Wahltag Ende März.

    "Oberstes Gebot war und ist immer die Sicherheit. Das heißt im Klartext: Kernkraftwerke, die nicht den erforderlichen Sicherheitsansprüchen genügen, werden abgeschaltet. Nicht in sieben Jahren, nicht in 15 Jahren, nicht in 20 Jahren – sondern sofort."

    Fakt ist: Im Endspurt des Wahlkampfes rückt die Angst vor der atomaren Gefahr wieder ins Zentrum der Politik.

    Zwischen dem Kernkraftwerk Neckarwestheim und Stuttgart bildeten gestern Zehntausende Personen eine 45 Kilometer lange Menschenkette, um gegen die Atompolitik von schwarz-gelb zu protestieren. Angesichts der tiefen Verunsicherung in weiten Teilen der Bevölkerung zeigte sich Bundesumweltminister Norbert Röttgen zumindest nachdenklich:

    " Ich glaube, es ist uns noch mal mit Dringlichkeit bewusst geworden in diesen Tagen, dass wir eine andere Energiepolitik brauchen. Dass es Grundsatzfragen nicht nur eines Landes sondern einer Menschheit sind, die wir beantworten müssen schneller zu anderen Versorgungsmöglichkeiten zu kommen. Dass wir wegwollen ist klar, aber über den Weg, die Geschwindigkeit und auch grundsätzliche Fragen der Vertretbarkeit, der Verantwortbarkeit sind neu gestellt. Ich empfehle keinem, diesen Fragen auszuweichen."

    Zumindest nicht bis zum 27. März 2011. Dann wird in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gewählt.
    Rettung von Erdbebenopfern in Japan
    Rettung von Erdbebenopfern in Japan (picture alliance / dpa)
    Fünf vor Zwölf für deutsche Atomkraftwerke?
    Fünf vor Zwölf für deutsche Atomkraftwerke? (picture alliance / dpa)
    Blick in den für den Brennelementewechsel geöffneten Reaktor-Block Nummer zwei des Kernkraftwerks Philippsburg
    Blick in den für den Brennelementewechsel geöffneten Reaktor-Block Nummer zwei des Kernkraftwerks Philippsburg (picture alliance / dpa)