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Nach der Parlamentswahl
Wahlsieger wollen egoistisches Polen

Bei der Parlamentswahl in Polen ist die Partei "Recht und Gerechtigkeit" wieder stärkste Kraft – und kann voraussichtlich sogar allein regieren. In der Außenpolitik will die "PiS" einen schärferen Ton anschlagen. Im Wahlkampf forderte sie, Polen müsse sich innerhalb der EU mehr auf seine eigenen Interessen konzentrieren.

26.10.2015
    Beata Szydlo, Spitzenkandidatin von "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) auf einer Wahlveranstaltung
    Wahlsiegerin Beata Szydlo von der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) auf einer Wahlveranstaltung (JANEK SKARZYNSKI / AFP)
    Der Jubel war groß auf der Wahlparty der Partei "Recht und Gerechtigkeit". Nach acht Jahren wird die PiS wieder stärkste Fraktion im Parlament - und wird aller Voraussicht nach sogar alleine regieren können. Die Spitzenkandidatin der Rechtskonservativen Beata Szydlo erklärte:
    "Wir haben ehrlich und hart gearbeitet - und das acht Jahre lang. Wir haben uns den Erfolg verdient, weil wir genauso sind wie unsere Landsleute, wir haben uns nicht von der Wirklichkeit entfremdet. Wir sind zu den Menschen gegangen, die es schwer haben, die Hilfe brauchen. Wir haben uns über Erfolge gefreut, die unser Land hatte. Aber wir haben auch niemanden zurückgestoßen. Das ist unser größtes Kapital, das dürfen wir auch im Moment des Erfolgs nicht vergessen."
    Laut Nachwahlbefragungen stimmten 39 Prozent für die PiS, die traditionell vor allem im Osten des Landes ihre Anhängerschaft hat. Auf den zweiten Platz kam die rechtsliberale "Bürgerplattform" mit 23 Prozent. Sie regierte das Land acht Jahre, gemeinsam mit der gemäßigten Bauernpartei PSL. Bis vergangenes Jahr war Donald Tusk ihr Vorsitzender und gleichzeitig Ministerpräsident, Tusk ist inzwischen EU-Ratspräsident.
    Seine Nachfolgerin Ewa Kopacz räumte die Niederlage ein:
    "Die acht Jahre, die wir regiert haben, waren keine verlorenen Jahre. Polen ist heute entschieden schöner als vor acht Jahren. Polen ist ein Land, das sich wirtschaftlich entwickelt, wo die Arbeitslosenrate einstellig ist. In diesem Zustand übergeben wir das Land den Wahlsiegern."
    Die PiS steht in vieler Hinsicht für einen Politikwechsel. Im Wahlkamf setzte sie vor allem auf soziale Themen. Sie kündigte an, die Rentenreform zurückzunehmen und damit das Renteneintrittsalter nicht auf 67 Jahre anzuheben. Außerdem will sie das Kindergeld erhöhen und versprach Menschen über 75 Jahren kostenlose Arzneimittel.
    Schärfere Töne in der Außenpolitik angekündigt
    In der Außenpolitik will die PiS einen schärferen Ton anschlagen. Sie betonte im Wahlkampf, dass Polen innerhalb der EU mehr auf seine eigenen Interessen achten solle. In der Flüchtlingsdebatte attackierte sie die Regierung deshalb scharf, weil die sich zur Aufnahme von 7.000 Menschen aus dem Nahen Osten bereit erklärt hatte.
    Doch in der Partei gebe es zwei Fraktionen, sagt die Sozilogin Karolina Wigura:
    "Auf der einen Seite haben wir die Stimme der Spitzenkandidatin Beata Szydlo, die ausgeglichen ist, der politischen Mitte zuzurechnen ist. Und dann haben wir den ehemaligen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski, der eine Sprache der Angst pflegt. Und das ist für mich Grund zur Sorge."
    So warnte Kaczynski vor kurzem Flüchtlinge aus dem Nahen Osten könnten Parasiten nach Europa einschleppen.
    Zumindest einen Hinweis, wer künftig in der polnischen Politik den Ton angeben wird, gab der Wahlabend: Bei der PiS trat zunächst nicht die Spitzenkandidatin Beata Szydlo ans Mikrophon, sondern Jaroslaw Kaczynski. Im Wahlkampf hatte er sich zurückgehalten, weil für viele Polen als kontroverse Figur gilt. Diese Zurückhaltung gab er nun, am Wahlabend auf:
    "Vor uns ist eine neue Zeit. Ich will klar sagen, dass wir die Hand auch zu anderen Fraktionen ausstrecken werden, damit ein großes, rotweißes Lager im Sejm entsteht. Ich kann zusagen: An unseren Gegnern werden wir uns nicht rächen. Wir werden nicht die treten, die ohnehin schon am Boden liegen."
    Insgesamt wird das polnische Parlament deutlich nach rechts rücken. Denn dritte Kraft wird die Partei des Rockmusikers Pawel Kukiz, der mit nationalistischen Tönen auf sich aufmerksam macht. Den Nachwahlbefragungen zufolge wird es dagegen keine linke Partei im Parlament geben. Die beiden linken Formationen, die angetreten waren, scheiterten an der Wahlhürde. Mit der Partei "Modernes Polen" wird dagegen eine dezidiert wirtschaftsliberale Partei im Sejm vertreten sein.