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Salzabfälle
Hessen verschärft den Kurs

Mit einem neuen "Masterplan zur Salzreduzierung" wollen mehrere Bundesländer einen der größten Umweltskandale der Republik in den Griff bekommen. Dazu sollen im kommenden Jahrzehnt die Flüsse Weser und Werra von Salzrückständen befreit werden. Die Verschmutzung ging auf das Konto des Kasseler Bergbaukonzerns K+S.

Von Ludger Fittkau | 09.03.2016
    Am anderen Ufer der Werra ist am 25.02.2015 die Abraumhalde und das K+S-Verbundwerk Werra Standort Wintershall in Heringen (Hessen) zu sehen.
    Ein neuer Plan soll die Salzbelastung an Weser und Werra reduzieren (dpa / picture alliance / Uwe Zucchi)
    Bis zum Jahr 2027 soll die Weser schrittweise soweit entsalzen werden, dass ein "guter ökologischer Gewässerzustand" erreicht wird. Im Weserquellfluss Werra soll der Salzgehalt dafür halbiert werden. Erreicht werden soll das durch neue technische Maßnahmen wie die Rückführung konzentrierter Salzreste in die Bergwerke sowie die Abdeckung von Salzhalden.
    Mit diesem neuen Plan wollen die Umweltminister mehrerer Bundesländer einen der wohl größten umweltpolitischen Skandale der Republik in den Griff bekommen.
    Die besonders umstrittene Versenkung von Salzlaugen in den Untergrund der Region Osthessen und Thüringen durch den Kasseler Konzern "Kali und Salz" - kurz K+S soll jedoch erst 2021 gestoppt werden. Dagegen klagt der BUND. Thomas Norgall, hessischer Naturschutzreferent des Umweltverbandes:
    "Alles war bisher vorgelegt wurde zur Reinhaltung des Grundwassers und auch der Werra und der Weser fanden wir alles unzureichend, unschlüssig und letztlich darauf ausgerichtet, dass Kali und Salz weitermachen kann wie bisher."
    Doch erstmals besteht nun die Chance, dass sich alle Bundesländer, durch die Werra und Weser fließen, auf einen gemeinsamen sogenannten "Masterplan zur Salzreduzierung" einigen. Die hessische Umweltministerin Priska Hinz hofft auch, dass Brüssel diesem Plan zustimmen wird. Die EU hat nämlich gegen Deutschland ein sogenanntes "Vertragsverletzungsverfahren" wegen Verstoßes gegen europäische Wasserschutzbestimmungen angestrengt. Priska Hinz:
    "Wir sind in gutem und ständigem Austausch mit der Generaldirektion Umwelt in Brüssel. Die Bundesregierung, gegen die ja das Vertragsverletzungsverfahren läuft, ebenfalls, gemeinsam mit den Ländern aus der Flussgebietsgemeinschaft. Und die letzten Zeichen stehen sehr gut."
    Timon Gremmels, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im hessischen Landtag wundert sich allerdings über den Optimismus der grünen Umweltministerin. Nicht mögliche Blockaden aus Brüssel fürchtet er. Gremmels zweifelt aber, ob das Land Niedersachsen in der sogenannten Weserministerkonferenz am 18. März dem von Priska Hinz forcierten neuen Plan zur Salzreduzierung wirklich zustimmen wird:
    "Völlig offen ist, ob am Ende des Tages ihr Parteifreund, der niedersächsische Umweltminister dem zustimmen wird. Das ist die viel spannendere Frage."
    Besonders kritisch sieht man in Niedersachsen - aber auch in Nordhessen- die Pläne für eine sogenannte "Oberweser-Pipeline", durch die Abwässer aus der Kaliproduktion in die Weser geleitet werden sollen, um den Salzgehalt der besonders stark belasteten Werra zu reduzieren. Priska Hinz, die hessische Umweltministerin:
    "Also es wäre natürlich ganz toll, wenn wir diese Pipeline nicht bräuchten."
    Sigrid Erfurth, umweltpolitische Sprecherin der Grünen im hessischen Landtag sieht die Chancen bei "50 zu 50", dass auf die Oberweser-Pipeline verzichtet werden kann:
    "In der Schlussphase der Entwicklung des Masterplans Salz sind noch mal weitere Verfahren dazugekommen, nämlich das Einstapeln von Lauge unter Tage, also man verdickt sie und bringt sie dann unter Tage und noch mal schnellere Verfahren, um Halden abzudecken."
    Denn die offenen Salzhalden belasten ebenfalls den Boden im Bergbaugebiet. Marjana Schott, die umweltpolitische Sprecherin der Linken im hessischen Landtag, glaubt nicht daran, dass die Abdeckung der Salzhalden gelingen wird:
    "Die Feldversuche zur Haldenabdeckung sind gemacht an Stellen, wo die Haldenabdeckung bei Weitem nicht so schräg sind. Das was man hier an Halden vorfindet, ist nicht abdeckbar. Und die Halden wachsen immer weiter. Wie wollen Sie die abdecken?"
    Überschattet werden die aktuellen Pläne zum Stopp der Versalzung durch die Anklage gegen führende Mitarbeiter von K+S sowie thüringische Staatsbeamte wegen möglicher Trinkwasserverunreinigung in Thüringen. Die hessische Umweltministerin Priska Hinz glaubt jedoch nicht, dass ihr Kampf gegen den fortschreitenden Umweltskandal durch einen Gerichtsprozess gefährdet wird:
    "Nein, das belastet die praktischen Maßnahmen nicht. Das Unternehmen ist ja handlungsfähig. Vor allem die zweite Ebene, die ja dann auch in die Ausführung der Maßnahmen mit eingebunden ist, ist voll handlungsfähig."
    Das Landgericht Meiningen wird in den nächsten Monaten entscheiden, ob es die Klage gegen K+S zulässt.