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Nach G7-Eklat
An der Schwelle zum Handelskrieg

Der G7-Gipfel in Kanada ist am Wochenende mit gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen den westlichen Staaten und US-Präsident Trump zu Ende gegangen. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich im Anschluss enttäuscht, betonte jedoch, dass man sich weiter für transatlantische Partnerschaften einsetzen werde.

Von Stephan Detjen | 11.06.2018
    Donald Trump bei seiner Abschlusserklärung zum G7-Gipfel in Kanada (9.6.2018).
    Donald Trump bei seiner Abschlusserklärung zum G7-Gipfel in Kanada. (AP / Evan Vucci)
    10.000 Meter über dem Nordatlantik hatte Angela Merkel gerade ein Abendessen im Kanzler-Airbus "Theodor Heuss" zu sich genommen. Es bleiben wenige Stunde für einen kurzen Schlaf vor der Landung in Berlin. Zur gleichen Zeit befand sich Donald Trump, der das G7-Treffen vorzeitig verlassen hatte, in seiner Airforce One auf dem Weg nach Singapur bereits mitten über Europa. Kurz vor einer Zwischenlandung in Kreta, um drei Minuten nach eins deutscher Zeit, setzte er den Tweet ab, der das mühsam errungene Ergebnis des Gipfels in 280 Zeichen zunichtemachte.
    "Die Rücknahme, sozusagen, die – per Tweet ist natürlich ernüchternd und auch ein Stück deprimierend", schilderte Merkel gestern Abend in der ARD-Sendung "Anne Will" ihre ersten Gedanken, nachdem sie die Twitter-Nachricht gelesen hatte. Am Abend zuvor hatte ein strahlender Justin Trudeau seinen Landsleuten noch erklärt, dass der Gipfel doch noch ein Erfolg geworden sei.
    "Ich bin froh, ihnen mitteilen zu können, dass alle sieben Mitglieder eine gemeinsame Abschlusserklärung vereinbart haben."
    Selbst Donald Trump hatte vor dem Abflug aus Charlevoix noch von einem "wirklich enorm erfolgreichen" G7 Gipfel gesprochen. Doch die gemeinsame Abschlusserklärung war das Ergebnis eines harten Ringens. Zwei Nächte hindurch hatten die Sherpas, die Unterhändler der Staats- und Regierungschefs, an Kompromissformeln gefeilt. Kontroverse Formulierungen, über die es keine Einigung gab, standen in eckigen Klammern in dem Textentwurf, der schließlich am Samstagvormittag den Chefs vorgelegt wurde.
    "Wir waren das Sparschwein, das alle ausgeplündert haben"
    "Wir haben ja nicht um den Tisch gesessen und uns angelächelt", sagt Merkel im Rückblick. Den entscheidenden Moment der Verhandlungen hatte Jesco Denzel, der offizielle Photograph des Bundeskanzleramts, in einem Bild festgehalten, das Merkels Sprecher kurz nach dem Ende des Gipfels über Twitter verbreitete. Die Szene, in der Merkel, umgeben von Beratern und anderen G7-Teilnehmern nach vorne gelehnt stehend und mit den Händen auf einen Tisch gestützt auf den US Präsidenten einwirkt, der mit verschränkten Armen vor ihr sitzt, wird über Nacht zum ikonischen Sinnbild des Treffens.
    Die anderen Staaten hätten die USA über Jahrzehnte ständig übervorteilt, hatte Trump seinen Partnern während der Verhandlungen immer wieder vorgehalten. "Ich mache ihnen deswegen keinen Vorwurf, ich werfe das unseren Führern vor. In Wirklichkeit gratuliere ich den anderen dazu, dass sie so unfassbare Vereinbarungen erreicht haben, die so gut für sie und so schlecht für uns waren."
    Mit ihm soll das vorbei sein. "Wir waren das Sparschwein, das alle ausgeplündert haben. Und damit ist jetzt Schluss", ruft Trump. Die Einigkeit der gemeinsamen Abschlusserklärung von Charlevoix war nur ein dünner Firnis über den tiefen Klüften und dem Gefühl aller, die jeweils anderen Seite verletzte die Regeln des freien und fairen Handels, zu denen man sich gerade bekannt hatte. Die Kanadier sind höflich und vernünftig, aber wir lassen uns nicht herumschubbsen, hatte Justin Trudeau dem US Präsidenten am Ende des Gipfels nachgerufen und Gegenzölle angekündigt, als Trump schon in der Luft Richtung Singapur war.
    Merkel: "Wir lassen uns nicht eins ums andere Mal über den Tisch ziehen"
    Das waren die Worte, auf die sich Trump in seiner nächtlichen Twitter-Nachricht bezog, mit der er den Konsens nachträglich wieder aufkündigte. Ganz ähnlich klang auch Angela Merkel gestern Abend in der ARD.
    "Also wir lassen uns nicht eins ums andere Mal da irgendwie über den Tisch ziehen. Sondern wir handeln dann auch."
    Ab Juli sollen in der EU Strafzölle auf amerikanische Produkte gelten. Kanada, das wie kein anderes Land von den amerikanischen Stahl- und Aluminiumzöllen betroffen ist, hat Gegenzölle angekündigt. Trump prüft neue Zölle auf europäische Autos. Am Ende des Treffens in Charlevoix stehen die G7 an der Schwelle zu einem Handelskrieg.