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Nach Hurrikan Harvey
Wiederaufbau reicht Houston nicht

Houston in Texas wurde schon häufig von extremen Unwettern getroffen. Hurrikan Harvey vor knapp zwei Monaten hat alle Rekorde gebrochen und schwerste Schäden angerichtet. Die Stadt, die gut von der Öl- und Gasbranche lebt, will nun umdenken: "Der Klimawandel ist real", sagt der Bürgermeister. Die Stadtplanung müsse sich anpassen.

Von Kajetan Dyrlich | 14.10.2017
    Einwohner von Houston stehen vor einem Berg beschädigter Möbel und Gegenstände auf der Straße
    Nach Hurrikan Harvey mussten die Menschen überall in Houston von der Flut beschädigte Möbel ins Freie räumen. Der Sturm hat die schwersten Schäden in der Geschichte der Stadt angerichtet. (AFP/ Mark Ralston)
    Es gibt viel zu tun am Haus von Sheilla Hollie in Houston. Noch vor wenigen Wochen war hier alles voller Schlamm. Das ganze Gebäude völlig verwüstet. Der Dreck ist zwar inzwischen raus – doch ihr Haus ist immer noch unbewohnbar. Und das sechs Wochen, nachdem Tropensturm Harvey Houston getroffen hat. Sheilla Hollie kommt täglich hierher, um irgendwann wieder in ihr Haus zurückzukehren. Dafür hat sie ihren Job als Finanzanalystin gekündigt:
    "Gott sei Dank, ich habe einen Bruder, der auch in Houston lebt. Und bei dem ich wohnen kann. Und er unterstützt mich, jeden Tag, für acht bis neun Stunden. Erst wenn es dunkel wird, hören wir auf zu arbeiten. Es dauert einfach sehr lange, bis alles wieder so ist, wie es einmal war."
    Sheilla Hollie in ihrem Haus in Houston, Texas
    Sheilla Hollies Haus in Houston, Texas, wurde bereits zum dritten Mal innerhalb eines Jahres geflutet. Jetzt möchte sie wegziehen. (Deutschlandradio/ Kajetan Dyrlich)
    Zum dritten Mal in einem Jahr das Haus geflutet
    Harvey ist nicht der erste Sturm, der Sheilla Hollies Haus in Houston und ihr Eigentum zerstört hat:
    "Es ist bereits das dritte Mal, dass mein Haus geflutet wurde. Ich bin erst im November vergangenen Jahres wieder in mein Haus eingezogen, nachdem wir kurz davor von einer Flut getroffen wurden. Ich hätte nie gedacht, dass es so schnell wieder passieren würde – innerhalb gerade mal eines Jahres."
    Gleich mehrfach wurde Houston in den vergangenen Jahren von schweren Hurrikans und Unwettern getroffen. Doch der Tropensturm Harvey hat alle Rekorde gebrochen. Solch ein schweres Unwetter kommt rein statistisch betrachtet – wenn überhaupt – nur alle 1.000 Jahre einmal vor, wie Houstons Bürgermeister Sylvester Turner erzählt:
    "Durch den Sturm stand das Wasser in einigen Gegenden Houstons 12 Meter, in manchen sogar 15 Meter hoch. Noch nie zuvor hat es derart extreme Niederschläge in der Geschichte der Vereinigten Staaten gegeben."
    Trotzdem hat sich das Leben in vielen Teilen Houstons wieder normalisiert. Kinder gehen wieder zur Schule, der Flughafen ist in Takt, viele Straßen instandgesetzt. Trotzdem ist noch viel zu tun. Und wegen einer 50-Millionen Dollar Unterstützung seitens des Staates Texas muss Turner auch die Steuern in seiner Stadt nicht erhöhen. Das Geld braucht er unter anderem, um Menschen zu helfen, die immer noch in Not sind:
    "Es gibt immer noch viele, vor allem ältere Menschen mit Behinderung oder geringem Einkommen, die in ihren Wohnungen sind und wirklich dort nicht sicher sind. Wir versuchen so schnell wie möglich zu ihnen zu kommen und ihnen zu helfen. Wir wollen ganz sicher sein, dass wir niemanden zurücklassen."
    Passanten und Autos auf einer überfluteten Straße in Houston im US-Bundesstaat Texas am 27. August 2017.
    Eine überflutete Straße in Houston im US-Bundesstaat Texas (AFP / Thomas B. Shea)
    Bürgermeister Turner: So wie bisher kann es nicht weitergehen
    Houston vermarktet sich gerne als Energiehauptstadt. Der alten Energie wohlgemerkt. Viele Gas- und Ölunternehmen wie Exxon Mobile haben rund um Houston riesige Raffinerien aufgebaut. Die Öl- und Gasbranche – ein wichtiger Arbeitgeber in Houston. Doch anders als US-Präsident Trump im Weißen Haus ist Demokrat Turner überzeugt: So wie bisher kann es nicht weitergehen:
    "Der Klimawandel ist real, ich akzeptiere die Wissenschaft. Die Atmosphäre wird wärmer. Deshalb unterstützt die Stadt Houston das Klimaabkommen von Paris. Wir müssen einiges anders machen. Beispielsweise haben wir mehr in Solar-Energie investiert als alle anderen Städte in den Vereinigten Staaten. Wir werden grüner und grüner jeden Tag."
    Die Stadt nach verheerenden Unwettern wie Harvey einfach nur wiederaufzubauen, reiche nicht aus, meint Turner. Vielmehr müsse man jetzt alles daransetzen, die Stadt vor statistisch immer wiederkehrenden Unwettern in Zukunft zu schützen.
    "Wir müssen vorsichtiger sein, wie wir unsere Stadt entwickeln. Wir können sie nicht einfach so wiederaufbauen, wie sie in der Vergangenheit mal aussah. Wir müssen schlauer sein. Und wir müssen eine Stadt bauen, die anerkennt, dass diese Stürme uns jedes Jahr aufs Neue treffen könnten."
    Sheilla Hollie wird noch einige Wochen weiter an ihrem Haus arbeiten müssen. Weihnachten wolle sie hier wieder feiern, sagt sie. Und das Haus irgendwann – so hofft sie – zu einem guten Preis verkaufen.
    "Ich mag diese Nachbarschaft. Wenn man immer wieder seinen Besitz verlieren will, dann bleibt man hier. Ich kenne einige, die es lieben hier zu leben und bleiben wollen. Aber ich habe genug. Ich habe genug. Ich bin bereit von hier wegzuziehen."