Gospelkonzerte mit Ingrid Arthur

"Die Leute sollen sich frei fühlen"

Ingrid Arthur, Sängerin der "Weather Girls", 2018 bei einem Konzert.
"Wenn es keine Verbindung zu den Worten, die du singst, gibt, kommt da auch nichts rüber", sagt Gospel-Sängerin Ingrid Arthur. © imago stock&people
Ingrid Arthur im Gespräch mit Carsten Beyer · 29.11.2018
Sie sang mit den "Weather Girls" und steht jetzt mit den "Golden Voices of America" auf der Bühne. Bei den Konzerten von Ingrid Arthur ist Mitmachen ausdrücklich erlaubt. Denn, so sagt die US-Amerikanerin, "man muss kein Christ sein, um diese Musik zu singen."
Carsten Beyer: Gospelmusik gehört für viele Amerikaner zur Vorweihnachtszeit wie für uns die Plätzchen oder das Glühweintrinken auf dem Weihnachtsmarkt. Gospel, das ist nicht nur ein ganz bestimmter, jubilierender Sound, sondern dahinter steckt auch immer eine Botschaft von Glaube, von Nächstenliebe, und von der Hoffnung auf eine bessere Welt. All das kann ich jetzt besprechen mit einer Frau, die sich in dem Genre bestens auskennt, mit der US- Sängerin Ingrid Arthur. Herzlich willkommen im Deutschlandfunk Kultur.
Carsten Beyer: Frau Arthur, sie kommen ursprünglich aus der Stadt Gainesville in Florida. Sie haben unter anderem mit Leuten wie Cissy Houston und Bette Middler auf der Bühne gestanden, sie waren eine Zeit lang Mitglied der "Weather Girls" und sie sind dann irgendwann mal, vor mehr als 15 Jahren hier in Berlin gelandet. Wie kam es dazu, was hat sie hier verschlagen?
Ingrid Arthur: Um nicht zu weit auszuholen: Ich habe in New York gearbeitet und in einem Club gesungen, als ein Mann hereinkam, der Sänger für eine Gospeltour in Deutschland suchte. Er hieß Bob Singleton und sein Ensemble hieß "The Golden Gospel Singers". Und dann war ich mit ihm fünf, sechs Jahre auf Tournee.
Carsten Beyer: Und dann hat es ihnen so gut gefallen, dass sie hiergeblieben sind?
Arthur: Ich bin in diesen Jahren viel hin und hergefahren, doch in den USA gab es nichts, was mich zurückgehalten hätte. Keine Kinder, kein Ehemann und auch nicht die Liebe meines Lebens. Deswegen entschloss ich mich die Welt zu entdecken.

"Gospelmusik ist Teil unseres Lebens"

Beyer: Und: wie nehmen sie die Stadt wahr? Ist Berlin ein gutes Pflaster für die Gospel-Musik?
Arthur: Berlin ist großartig für die Musik. Die Gospelmusik findet hier allerdings vor allem in der Wintersaison statt. Aber ich liebe Berlin. Ich lebe hier jetzt schon über 13, 14 Jahre und ich liebe es meine Musik mit den Menschen hier zu teilen.
Beyer: Ist das denn anders als, als in den USA? Wie lebendig ist dort die Gospel-Kultur noch?
Arthur: In den USA singen wir die Gospelmusik Tag für Tag. Sie ist einfach Teil unserer Kultur, unseren Lebens, unseres Alltags. Zumindest für uns, die mit der Kirche aufgewachsen sind. Hier in Deutschland läuft Gospelmusik oft nur zur Weihnachtszeit, was natürlich auch völlig ok ist, aber für mich ist Gospel Teil meines täglichen Lebens.
Beyer: Was macht denn eigentlich eine gute Gospelsängerin aus? Was muss man können, um diese Musik überzeugend zu interpretieren?
Arthur: Am wichtigsten ist es, dass es eine Verbindung zu dieser Musik gibt. Das lehre ich auch in meinen Workshops. Du kannst ein Stück wie "Oh happy day" den ganzen Tag singen. Wenn es aber keine Verbindung zu den Worten, die Du singst, gibt, kommt da auch nichts rüber. Ich habe dadurch, dass ich mit der Kirche aufgewachsen bin, viel über Jesus und über Gott erfahren. Und darüber, dass man andere Menschen mit Respekt behandelt. Das alles wird auch über die Gospelmusik transportiert. Es geht darum, das Leben so lebenswert wie möglich zu machen und ein ehrenhafter Mensch zu sein. Das spielt für mich die größte Rolle.

Spirituelle Verbindung zur Musik ist wichtig

Beyer: Das heißt, wenn man nicht gläubig ist, kann man keinen Gospel singen? Oder reicht es aus, wenn eine bestimmte Art von Spiritualität mitbringt?
Arthur: Ich gebe zweimal im Jahr einen Workshop. Und dahin kommen eine Menge Leute, die Gospel mögen. Das ist toll. Mein Ziel ist es dann immer eine Verbindung zu vermitteln, dass Gospel ganz natürlich zum Leben dazu gehört. Musik kann eine große Kraft erzeugen. Deswegen muss man sorgfältig mit dem umgehen, womit man seine Seele füttert. Insofern ist es für mich auch sehr wichtig zu verstehen, über was man da singt. Den Leuten, die zu mir in die Gospel-Workshops kommen, sage ich immer: Man muss kein Christ sein, um diese Musik zu singen, aber es ist wichtig eine spirituelle Verbindung dazu zu bekommen.
Beyer: Sie selbst haben mal die, in diesem Jahr verstorbene, Aretha Franklin als ihr großes Vorbild bezeichnet? Was hat Sie an ihr besonders beeindruckt? Was haben Sie von ihr gelernt?
Arthur: Ich liebe Aretha Franklin und ich habe ihr am vergangenen Wochenende im Berliner "A-Trane" ein Tribut gewidmet. Das erste Mal, dass ich so etwas gemacht habe. Es war großartig. Es ist fantastisch, was Aretha Franklin geschaffen hat. Denkt man alleine an die tollen Blues-Songs, die sie in ihren Zwanzigern aufgenommen hat, wie "Drinking Again". Sie war auf jeden Fall ein Idol für mich und zu gerne hätte ich sie auch kennengelernt. Sie und ihre Musik waren phantastisch. Und sie wuchs in einer Ära auf, in der ein Wort besondere Bedeutung hatte: Respekt. Ich habe wirklich viel von ihr gelernt.

"Jeder darf aufstehen, klatschen und mitmachen"

Beyer: Morgen startet in Berlin eine ganze Konzertreihe mit den "Gospel Voices of America" in der Auenkirche in Berlin-Wilmersdorf, die sie organisiert haben. Bis zum 29. Dezember gibt es insgesamt acht Konzerte. Wer sind das, die "Gospel Voices of America"? Wie setzt sich dieses Ensemble zusammen?
Arthur: Die Mitglieder unserer Band kommen aus New York und aus verschiedenen Ecken in Deutschland: Kaiserlautern, Heidelberg, München. Es handelt sich ausschließlich um Amerikaner, und jeder von ihnen bekommt in unserem Programm ein oder zwei Soloparts. Und das muss natürlich zu der Musik passen, die ich bereits für uns ausgewählt habe. Wichtig ist uns auch, dass diese Songs beim deutschen Publikum funktionieren. Wir wollen den Leuten dabei aber auch immer etwas Neues bieten – und trotzdem werden wir natürlich einige von den Standards singen, wie "Oh happy day" oder "He’s got the whole world in his hands".

Beyer: Das heißt, es gibt bestimmte Stücke, die das deutsche Publikum auch erwartet. Was kommen da für Leute?
Arthur: Zunächst möchte ich noch feststellen, wir sind kein gewöhnliches Vokal-Quartett sind. Wir spielen mit einem Flügel und haben einen wundervollen Pianisten. Das Publikum wird eine gute Zeit haben. Wir nehmen es mit auf eine Reise. Nach Georgia z.B. von woher ich komme oder nach New York. Das Ganze wird wie eine musikalische Drehscheibe sein, mit alten Songs, populären Liedern und natürlich Standards, wie "Oh happy day".
Beyer: Und dürfen die Leute auch mitsingen und aufstehen?
Arthur: Auf jeden Fall. Die Leute sollen sich frei fühlen. Egal, was die Leute um dich herum denken: Jeder darf aufstehen, mit den Händen klatschen und mitmachen.
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