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Nach Kohle und Stahl

U-Turm, Thier-Areal und Phoenixsee sind die drei Leuchtturmprojekte der Stadt Dortmund. Sie zeugen vom Wandel, der auf einem gutem Weg ist. Auch, weil die Stadt den Ruf hat, besonders geschickt mit Fördergeldern für den Strukturwandel zu sein.

Von Kay Bandermann | 26.09.2010
    Dortmund hat seit Kurzem eine neue Attraktion. Eine Attraktion für Einheimische.

    "Toll, der Ausblick ist toll, ja! Wie das alles möglich ist, also, das ist schon fantastisch. Ich finde es einfach nur toll. Ich hätte mir das so nicht vorgestellt.".

    Es ist eine Baustelle. Jeden Tag kommen Schaulustige in die Kohlensiepenstraße im Dortmunder Stadtteil Schüren. Auf einer großzügig angelegten, stählernen Plattform stehen Dutzende Menschen, ausgerüstet mit Ferngläsern und Fotoapparaten. Eine frische Brise weht ihnen entgegen. In der Ferne: die Silhouette des alten Stadtteils Hörde, ein Gasometer, das Gerüst eines Hochofens, zwei Kirchtürme.
    Im Vordergrund tut sich ein riesiges Loch in Richtung Westen auf, eine metertief ausgebaggerte Landschaft, etwa 100 Hektar groß. Mittendrin liegt ein flaches Gewässer. Es sieht so aus als wäre gerade Ebbe. Das sind die Vorboten des künftigen Phoenixsees.

    "Mein Vater hat hier gearbeitet, über 40 Jahre bei Hoesch. Insofern weiß ich also genau, wie es vorher ausgesehen hat; bin einfach nur begeistert, wenn ich sehe, was daraus geworden ist."

    Wo einst die ehemalige Hoesch AG in ihrer Industrieanlage tonnenweise Stahl produziert hatte, wurde vor mehr als zehn Jahren der Umbruch eingeläutet. Am 22. Februar 2000 meldeten die abendlichen Regionalnachrichten die Überraschung:

    "Im Dortmunder Ortsteil Hörde will die Stadt einen großzügigen Freizeitpark anlegen. Auf dem jetzigen Gelände des Stahlwerks Phoenix-Ost soll nach den Vorstellungen der Planer eine Seenlandschaft entstehen, die die Ausmaße der Hamburger Binnenalster hätte."

    Segelboote und schnatternde Enten statt Hochofenschlacke und Stahlkocherschweiß? Soll ein 160 Jahre altes Industrieareal in ein maritimes Kleinod umgewandelt werden? Ein Freizeitpark bei 18 Prozent Arbeitslosigkeit? Viele Dortmunder konnten bei dieser Vorstellung nur mit dem Kopf schütteln.

    "Die Reaktion war in der Öffentlichkeit, dass die gesagt haben, die haben sich wohl im Datum vertan, das ist ja eigentlich etwas für den 1. April. Das wird bestimmt nichts. Was soll das? Und das Wasser, das da im See aufgesammelt werden soll, das geht bestimmt durch die Bergbaustollen bis nach Neuseeland durch. Und wer soll das alles bezahlen? Und so weiter, und so weiter."

    Ullrich Sierau war seinerzeit Planungsdezernent der Stadt Dortmund. Die geradezu fantastisch klingende Idee vom Phoenixsee hat er mit einem Team entscheidend mitentwickelt. Immer wieder musste sich der 54-Jährige Zweifel an der Machbarkeit anhören: Wiederholt wurde der finanzielle Größenwahn des 200-Millionen-Euro-Projekts angeprangert, ein ums andere Mal gab es bautechnisch bedingte Rückschläge. Doch am 1. Oktober soll es endlich soweit sein: Dann wird der See geflutet – bis zum kommenden Sommer mit 15 Liter Frischwasser pro Sekunde. Der sagenhafte Vogel "Phoenix": In Dortmund steigt er nicht aus der Asche, sondern aus dem Wasser.

    "Ich sag mal so: Hörde brauchte das auch. Die Stahlindustrie ist ja nicht mehr."

    "Ich finde das sehr schön, dass das hier so ein Naherholungsgebiet wird. Auch die Verbindung zu Phoenix-West, zum Westfalenpark, als Radfahrer finde ich das sehr schön."

    Der Phoenixsee ist nicht der einzige Ort, an dem die ehemalige Kohle-, Stahl- und Bierstadt ihre Wandlungswilligkeit und Zuversicht zeigen will. Mitten in der Dortmunder City – auf dem Gelände der ehemaligen Thier-Brauerei – wächst ein riesiges Einkaufszentrum in die Höhe. In wenigen Tagen ist Richtfest, im Herbst 2011 soll der Konsumtempel mit seinen 150 Einzelgeschäften die Pforten öffnen. Nur einen Steinwurf von der künftigen Thier-Galerie entfernt, wird in Kürze der denkmalgeschützte U-Turm wiedereröffnet – ein Zentrum für Kreative, Künstler und Kunstliebhaber. Mit 50 Millionen Euro war die Sanierung des ehemaligen Gär- und Lagerhochhauses der Union-Brauerei nicht gerade billig, dafür mit Videoprojektionen auf der Turmspitze spektakulär in Szene gesetzt.

    U-Turm, Thier-Areal und Phoenixsee: drei Leuchtturmprojekte einer Stadt, die sich nach dem Niedergang der Stahl- und Kohleindustrie neu erfinden will. Sie zeugen von einem Wandel, der in Dortmund auf gutem Weg ist und der anderen Städten im Ruhrgebiet und an der Saar noch bevorsteht – möglicherweise schneller als ihnen lieb ist.

    Die Europäische Kommission rüttelt am sogenannten Kohlekompromiss. Die Bundesregierung will die Subventionen für den Steinkohlebergbau frühestens im Jahr 2018 einstellen. Brüssel allerdings will die Beihilfen schon vier Jahre früher beenden, also im Herbst 2014. Am kommenden Mittwoch will die Gewerkschaft IG BCE mit Hunderten Bergleuten vor der EU-Kommission zum Protest aufmarschieren. Kanzlerin Angela Merkel stellte sich kürzlich an die Seite der Kumpel und versprach, ein früheres Ende der Kohlesubventionen zu verhindern. Die Entscheidung – 2018 oder 2014 – fällt wohl am 10. Dezember, wenn sich der EU-Ministerrat mit dem Thema befasst.

    Anders als die verbliebenen deutschen Kohleförderregionen kann Dortmund der Brüsseler Entscheidung entspannt entgegensehen. Die Stadt hat die Zeiten des Kohlebergbaus längst hinter sich gelassen und in weiser Voraussicht im Jahr 2000 mit dem sogenannten Dortmund-Projekt einen schwierigen aber wichtigen Wandel eingeleitet.

    "Ja, die Skeptiker sind heute sicherlich geläutert, aber vor zehn Jahren mussten dicke Bretter gebohrt werden."

    Erinnert sich Projektleiter Udo Mager. "Dortmund-Projekt", das klang für viele nach einer verschwörerischen Hinterzimmerveranstaltung, nach einer Kopfgeburt, die wohl einen Berg von Papier, aber keine Arbeitsplätze hervorbringen würde.

    "Das Bild des 'Neuen Dortmund' – der Begriff ist damals entstanden, war die Antwort auf den gravierenden Wandel in der Montanindustrie. 'Den Wandel gestalten': Das war unsere Arbeitsdevise. Und wir haben dem alten Dreiklang von Kohle, Stahl und Bier das Bild eines Dortmund gegenübergestellt, das sich als attraktiver Lebens- und Wohnstandort, als Arbeitsstandort und als Technologiestandort entwickeln sollte.""

    Dafür war es höchste Zeit. Gerade hatte der ThyssenKrupp-Konzern angekündigt, er werde seine Rohstahlproduktion in Dortmund beenden und am Standort Duisburg konzentrieren. 1987 hatte die letzte Zeche geschlossen; jetzt würde auch der letzte Hochofen erlöschen. So mancher beklagte das Ende der Montanzeit. Dortmund schien seine Identität zu verlieren - vom Wegfall von 70.000 Arbeitsplätzen im Verlaufe der vergangenen Jahre ganz zu schweigen.

    Mit Hilfe von McKinsey-Beratern, die ThyssenKrupp der Stadt als Trostpflaster spendierte, wurden neue wirtschaftliche Felder mit Chancen auf neue Arbeitsplätze identifiziert, sagt Projektleiter Udo Mager.

    ""Und so sind wir sehr schnell auf die Informations- und Kommunikationstechnik, auf die Mikro- und Nanotechnologie gekommen und – nach einem zähen Ringen mit den damaligen Beratern von McKinsey, die die Logistik eher als konservative, traditionelle, nicht wachstumsstarke Branche, angesehen haben – auch auf die Logistik. Das waren die drei Branchen."

    Für die Logistik sprach die zentrale Lage der Stadt und die gute Verkehrsanbindung. In der IT-Branche konnte Dortmund mit dem größten Informatiklehrstuhl als Pfund wuchern. Nirgendwo studieren mehr junge Leute dieses Fach. Außerdem wurde von dort aus die Entwicklung des Internets in Deutschland angestoßen. Und im Bereich der Mikrotechnologie hatten sich bereits einige Firmen in der Stadt erfolgreich etabliert. Allen voran der Halbleiterhersteller Elmos. Das mittlerweile börsennotierte Unternehmen produziert kleine elektronische Schaltkreise, vor allem für die Automobilindustrie. Elmos – 1984 gegründet – nutzte damals gewissermaßen die Gunst der Stunde, meint der heutige Vorstandsvorsitzende Anton Mindl.

    "Sprich: Das Defizit auf der einen Seite, dass ein Industriezweig nicht mehr in die Zukunft führt und trägt, war der Vorteil, was die Gründungsunterstützung angeht für die Hochtechnologie."

    Die städtische Hilfe für die Hightech-Schmiede ermöglichte den Aufbau vieler Arbeitsplätze. Von den weltweit etwa 1100 Elmos-Mitarbeitern arbeiten allein 700 in Dortmund und fertigen in sterilen Werksräumen die winzigen Wunderwerke. Unter der Belegschaft sind besonders viele Akademiker. Doch auch so mancher junge Bergmann oder Metaller schulte zum Mikrotechnologen um, mit Unterstützung der Arbeitsagentur. Auch deshalb widerstand Elmos allen Abwerbeversuchen anderer Städte, etwa aus den neuen Bundesländern: Ein subtiles örtliches Netzwerk freundlicher Gefälligkeiten hielt die Firma in Dortmund. Elmos-Chef Mindl nennt das "Tradition".

    "Eine Tradition in Talenten, die aus den Universitäten der Umgebung kommen, eine Tradition an Verbindungen zu notwendigen Strukturvoraussetzungen. Ob es jetzt so – in Anführungszeichen – einfache Dinge sind wie die Energieversorgung oder auch die Kontakte zu den ortsansässigen Banken. All das hilft natürlich, wenn es gut funktioniert, eine Firma an dem Standort zu stabilisieren."

    Solche unternehmerischen Erfolgsgeschichten geschehen nicht über Nacht. Der Strukturwandel braucht Geduld und einen langen Atem. Über viele Jahre forschte Microparts an einem speziellen Produkt: einem besonders wirkungsvollen Zerstäuber für die Inhalatoren von Asthmatikern. Heute ist dieses Produkt weltweit einzigartig. Microparts wurde vom Pharmakonzern Boehringer-Ingelheim aufgekauft. In diesen Tagen wird eine Zerstäuberfabrik für die Massenproduktion mit mehr als 100 neuen Arbeitsplätzen in Betrieb genommen. Und auch in diesem Fall zeigte sich die Stadt wohl gesonnen: Die Werkshalle durfte sogar dicht an einem Naherholungsgebiet gebaut werden. Die Naturschützer hatten dagegen protestiert – doch die Wirtschaftsförderer im Dortmunder Rathaus setzten sich durch. Rene Rüdinger sieht es so:

    "Wir merken als Technologieunternehmen, dass man uns gern hat in der Stadt."

    Er ist nicht der Einzige, der dieses Gefühl hat. Andere Unternehmer bemühen schon mal das Bild vom roten Teppich, der ihnen ausgerollt werde in Dortmund – immer vorausgesetzt, sie gehörten zu den ausgewählten Zukunftsbranchen. Rene Rüdinger und sein Unternehmen Albonair gehören dazu. Es könnte das nächste Elmos oder Microparts werden. Ende 2007 waren sie zwar noch zu zweit bei Albonair; doch schon drei Jahre später zählt die Firma 100 Mitarbeiter. Ein Aufstieg, der nicht zuletzt durch eine gezielte Förderung durch die Politik möglich war:

    "Man bemüht sich, wenn Probleme entstehen, diese zu lösen. Und bei allen Fragestellungen merkt man den Wunsch, ein Technologieunternehmen gerne in Dortmund zu haben. Das ist für uns sehr wichtig. Und ich bin mir auch nicht so sicher, ob es in allen Städten so wäre wie hier in Dortmund."

    Die Unterstützung der Firmengründer und jungen Unternehmen wie Albonair ist ein besonderer Schwerpunkt beim Dortmund-Projekt. Der Erfolg dieser Strategie ist messbar. So hieß es kürzlich in einer Studie der Technischen Universität Dortmund:

    "Dortmund zeichnet sich seit zirka zehn Jahren durch eine insgesamt überdurchschnittliche Gründungsdynamik aus, die sich auch in der Erwerbstätigkeit niederschlägt. Im Vergleich zu Deutschland, NRW und der Metropole Ruhr hat nur Dortmund zwischen 1999 und 2009 insgesamt einen Beschäftigungsgewinn zu verzeichnen."

    Die Zwischenbilanz des Dortmund-Projekts: Die rund 70.000 verlorenen Arbeitsplätze wurden bisher durch 43.000 neue Jobs ersetzt. Die Arbeitslosenquote ging von 18 auf 13 Prozent zurück.

    Allerdings profitierten nicht alle Menschen im "neuen Dortmund" von dieser Entwicklung in gleichem Maße. Im Schatten der Leuchttürme gibt es nach wie vor dunkle Ecken und Problemviertel. Zum Beispiel die Nordstadt. Nirgendwo in Dortmund leben so viele Menschen auf engstem Raum. Gewaltkriminalität, Drogenhandel, offene Trinkerszene, Tagelöhner- und Straßenstrich – die Gegend rund um den Nordmarkt zieht sie offensichtlich magisch an.

    "Wir stehen hier in der Tat vor einem Berg sozialer Probleme mit Randgruppen; wir stehen aber auch vor einem Berg von Potenzialen. Das Glas Nordstadt ist halb voll und nicht halb leer."

    Hubert Nagusch kennt sich in dem Stadtteil sehr gut aus: Er wurde in der Nordstadt geboren, ging dort zur Schule und leitet jetzt eine kleine Außenstelle der Wirtschaftsförderung, mitten im Viertel.

    "Die Kunden sind bestehende Unternehmen; also, hier zumeist in der Nordstadt: Handwerker, Einzelhandel, Dienstleistungen, Gastronomie, aber auch mittelständische Betriebe. Die Kunden sind aber auch Existenzgründerinnen und Existenzgründer."

    Das Projekt "Lokale Ökonomie" erfordert Graswurzelarbeit: Es ist mühselig, kleinteilig und steht ganz im Kontrast zu spektakulären Großprojekten à la Phoenixsee. Seine Währung heiße Arbeitsplätze, sagt Hubert Nagusch. 200 Jobs habe er in drei Jahren geschaffen oder gesichert. Dennoch kann er auch von Rückschlägen erzählen: von Insolvenzen oder von Firmen, die in die besseren Dortmunder Vororte abwandern, sobald sie erfolgreich sind. Doch Nagusch gibt nicht auf. Er glaubt an seine Nordstadt.

    "Hier gibt es immer viel neue Kreativität. Hier gibt es kluge Migrantinnen und Migranten. Hier gibt es eine multikulturelle Szene. Hier gibt es ganz viel Kraft. Und ich denke, das muss der Weg sein, hier im ersten Schritt den sozialen Frieden zu wahren und im zweiten, die Nordstadt weiterzuentwickeln."

    Die soziale Schieflage in Dortmund ist unbestritten. Es gibt ein Wohlstandsgefälle in der Stadt. Millionensummen fließen in den umstrittenen Ausbau des Flughafens und in die Entwicklung von Wohngebieten für Besserverdiener, gleichzeitig haben andere Stadtteile mit ihren vielen Langzeitarbeitslosen das Nachsehen. Die Kommunalpolitiker und die Stadtverwaltung müssen genau darauf achten, dass die Schere nicht weiter auseinandergeht.
    Kritiker einbinden und Bündnisse schmieden, lautet die Devise, die Ullrich Sierau ausgegeben hat. Er ist mittlerweile nicht mehr Planungsdezernent, sondern Oberbürgermeister von Dortmund.

    "Wir haben da mittlerweile, glaube ich, eine ganz gute Kultur der Auseinandersetzung. Sehr viel Transparenz, sehr viel Dialog. Das führt auch dazu, dass die Menschen, die es interessiert, auch viel mehr hinter die Kulissen gucken können. Insofern gibt es dann auch eine hohe Akzeptanz für diese Dinge. Und da sind wir schon ganz stolz drauf."

    Dennoch ist der SPD-Politiker nicht unumstritten. Manche finden seinen Planungseifer überzogen. Sierau gilt als detailverliebt, pedantisch und hin und wieder ruppig im Umgang mit seinen Mitarbeitern. Andere sehen es als ein gutes Signal, dass mit Sierau ein Raumplaner an der Spitze der Stadt steht und kein ein Jurist oder Verwaltungsfachwirt. Und die Zeit, die im mitunter zähen Planungsprozess verloren gehe, rechnet Sierau vor, hole er hinterher wieder auf.

    "Weil ich durch diese Form der Interaktion Konflikte bereinige, die mich hinterher in den formellen Planungsverfahren unglaublich viel Zeit kosten können oder sogar dazu führen können, dass Projekte scheitern. Und insofern haben wir mit dieser zweigleisigen Form von Planung, nämlich informell und formell, sehr, sehr gute Erfahrungen gesammelt."

    Und Sierau hat schon ein nächstes Ziel im Blick: die Arbeitslosenquote von aktuell 13 auf unter zehn Prozent zu drücken. Einstellig war sie in Dortmund zuletzt im Oktober 1981. Damals hatte allein der Stahlriese Hoesch 20.000 Beschäftigte. Heute gibt es keinen einzigen Industriebetrieb mit mehr als 1500 Mitarbeitern. Der größte Arbeitgeber der Stadt ist die Stadt selbst. Diese mittelständische Struktur ohne Big Player und Dax-Konzernzentralen hat durchaus ihre Vorzüge: sie macht weniger anfällig in Krisenzeiten. Die jüngste Rezession hat die Dortmunder Wirtschaft vergleichsweise glimpflich überstanden. Das gilt auch für die städtischen Finanzen. Während die Ruhrgebietsmetropolen Essen, Bochum, Duisburg und Oberhausen unter der Zwangsverwaltung der Bezirksregierung stehen, bekam Dortmund für seinen Haushalt kürzlich "grünes Licht". Zurück zum Phoenixsee.

    "Die Gebäude werden alle ausgerichtet sein in Richtung See. Die Menschen, die hier im Norden am Südhang bauen, haben einen besonders guten Blick auf die Emscher-Auen, die sehr üppig bepflanzt werden, jetzt ab 1. Oktober und hier die Möglichkeit eröffnen, entlang eines schönen Spazierwegs diese Einrichtung zu genießen."

    Heinz Hueppe, oberster Bauleiter des Projekts, muss eigentlich nicht mehr viel Werbung für den Phoenixsee machen. Die attraktiven, aber nicht gerade billigen Grundstücke am Wasser gehen weg wie warme Semmeln.

    "Es gibt Anzeichen dafür, dass sehr viele Menschen aus den näherliegenden Gebieten wie dem Sauerland hier Interesse gezeigt haben und zurückkommen. Wir haben weitere Investoren aus dem Bereich Köln und Düsseldorf. Das zeigt mir, dass dieses Projekt über die Grenzen von Dortmund sich entwickelt und auch angefragt wird."

    Die Einnahmen aus dem Verkauf der Grundstücke sollen das Geld wieder einspielen, das der Bau des Sees gekostet hat. Dieser Rückfluss ist wichtig, denn in das Projekt Phoenixsee flossen mit 20 Millionen Euro vergleichsweise wenig öffentliche Mittel. Unter den Städten im Ruhrgebiet hat Dortmund den Ruf, besonders geschickt und fantasievoll beim Einwerben von Fördergeldern für den Strukturwandel zu sein. Mehr als 300 Millionen Euro sind in den vergangenen zehn Jahren aus den Strukturhilfefonds der EU, flankiert durch Bundes- und Landesmittel, in Projekte der Stadt geflossen: für Umschulungen, für Technologiezentren, für die Sanierung von Industrieflächen.

    Auch das gehört zum Dortmunder Erfolgsrezept: Lobbyismus und gute Kontaktpflege auf politischer Seite. Sollen es die anderen doch auch machen, sagt Oberbürgermeister Ullrich Sierau Kritikern, die daran Anstoß nehmen. Auch jenen Nörglern, die vor zehn Jahren den Phoenixsee für einen Aprilscherz hielten.