Dienstag, 16. April 2024

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Nach NS-Vergleich
Geschäftsführer der sächsischen Gedenkstätten in der Kritik

Wegen eines NS-Vergleichs auf Twitter steht Siegfried Reiprich in der Kritik. Er hatte die Reichspogromnacht in einem Atemzug mit den jüngsten Ausschreitungen in Stuttgart genannt. Dlf-Landeskorrespondent Bastian Brandau meint: Reiprich sollte sein Amt sofort verlieren.

Von Bastian Brandau | 02.07.2020
Siegfried Reiprich, Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten
In Sachsen schon länger umstritten: Siegfried Reiprich, Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten (Stiftung Sächsische Gedenkstätten / Foto: Steffen Giersch)
Leider muss man es so sagen: Die Äußerungen Siegfried Reiprichs dürften in Sachsen niemanden überrascht haben, der sich auch nur kurz mit der Person Reiprich an der Spitze der Gedenkstätten-Stiftung auseinandergesetzt hat. Das allein ist schon schlimm genug. Wie sich Reiprich, seit 2009 Geschäftsführer der Stiftung sächsische Gedenkstätten, geäußert hat, ist nicht weniger als skandalös.
Wenn der Mann an der Spitze der Gedenkstätten für Opfer des Nationalsozialismus bei Twitter nun die Reichspogromnacht in einem Atemzug mit den Krawallen in Stuttgart nennt, ist er endgültig untragbar. Noch dazu, wenn er in einem anderen Tweet auf rassistische Inhalte verlinkt. Alles allerdings nichts Neues in der Stiftung sächsische Gedenkstätten, deren Arbeit auch schon mehrfach Thema im sächsischen Landtag war.
Menschen stehen vor einem geplünderten Geschäft in der Stuttgarter Marienstraße.
Krude Thesen zur Krawallnacht von Stuttgart
Die Debatte über die Hintergründe der Ausschreitungen in Stuttgart wird zunehmend kontrovers und mit kruden Thesen geführt. Ein Überblick.

Personalie Reiprich war politisch gewollt
Schon 2015 sorgte ein zustimmender Tweet zu Pegida von Reiprichs Stellvertreter für Aufsehen - gesendet über den offiziellen Account der Stiftung, die jahrelang eine einseitige Gedenkkultur betrieb: Das Gedenken an die NS-Verbrechen in Sachsen stand hinter dem an die Verbrechen des Sozialismus zurück. Deshalb stieg unter anderen die Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz aus einer gemeinsam geplanten Ausstellung aus. Hinzu kamen immer wieder interne Mobbing-Vorwürfe gegen Reiprich, die dieser allerdings zurückwies. Und wenn Mitarbeiter in leitenden Funktionen der einzelnen Gedenkstätten unter Verweis auf Probleme in der Geschäftsstelle mit Journalisten lieber über private E-Mails kommunizieren möchten, spricht das Bände über Kultur und Klima in der Gedenkstätten-Stiftung.
Allein: Die Personalie Reiprich war politisch gewollt von der sächsischen CDU, die ihn, den in den 80ern aus der DDR ausgebürgerten Naturwissenschaftler, 2009 ins Amt gehoben hatte. 2014 verlängerte die schwarz-gelbe Regierung seinen Vertrag kurz vor Ende der Legislaturperiode. In der nun schwarz-roten Koalition kämpfte SPD-Ministerin Eva-Maria Stange fünf Jahre mit Reiprich, ohne sich letztlich aber zu einer Entlassung durchringen zu können. Zuletzt hatte man einen modus vivendi gefunden. Reiprich galt als isoliert, selbst bei Projektpartnern fiel auf, dass die Gedenkstätten weitgehend autonom arbeiteten.
Siegfried Reiprich sollte sein Amt verlieren
Was aber weiter fehlte, und besonders in Sachsen so wichtig wäre, waren Impulse und eine Leitidee zur Gedenkkultur. Die hatte eine 2016 erstmals durchgeführte Evaluation der Stiftung gefordert. Doch Impulse wissenschaftlicher oder strategischer Art zur Arbeit der Gedenkstätten hatte von Reiprich schon lange niemand mehr erwartet.
Wenn sich nun mit der neuen Kultur-Ministerin Barbara Klepsch auch eine CDU-Politikerin von Reiprich distanziert, kommt dies schlicht Jahre zu spät. Dennoch könnte die Ministerin ihr Gesicht wahren und reinen Tisch machen. Reiprich, der kürzlich angekündigt hatte, Ende November vorzeitig gehen zu wollen, sollte sofort sein Amt verlieren. Es wäre in einer Zeit des erstarkenden Rechtsextremismus ein wichtiges Zeichen, wenn die Gedenkstätten von einer Person geleitet würden, die dieser Aufgabe fachlich und menschlich gewachsen und ideologisch unverdächtig ist. Auf Siegfried Reiprich trifft all dies nicht zu.
Bastian Brandau
Bastian Brandau, geboren in Lüneburg, studierte Politikwissenschaften auf Magister in Göttingen und Bologna. Erste Radioerfahrungen beim Stadtradio Göttingen, dem NDR und WDR. Volontariat beim Deutschlandradio in Berlin, Köln und Brüssel. Seit 2016 Landeskorrespondent in Sachsen.