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Nach Olympia in Rio
Müll im Maracanã

Es war das Wahrzeichen der letzten Olympischen Spiele in Rio de Janeiro: das Maracanã-Stadion, Bühne der Eröffnungs- und Abschlusszeremonie. Doch nur wenige Monate nach Ende der Spiele ist das Stadion völlig heruntergekommen.

Von Carsten Upadek | 08.01.2017
    Blick auf das Maranaca-Stadion in Rio de Janeiro.
    Blick auf das Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro: das einstige Olympia-Wahrzeichen verfällt. (dpa picture alliance/Nicole Becker)
    Exklusiv betrat die brasilianische Journalistin Carolina Castro von der Zeitung "O Globo" Anfang 2017 das eigentlich verriegelte Maracanã-Stadion. Mit ihrem Handy filmte sie grau-gelben Rasenfilz.
    "Das ist die Mitte des Rasens im Maracanã. Ohne Anstrengung kann ich mit dem Fuß ganze Rasenstücke aus dem Boden schieben. Dieser Rasen ist nicht mehr bespielbar."
    Nicht besser sah es anderswo aus. Die Journalistin fand zerbrochene Scheiben, kaputte Lampen, Reste der Olympia-Requisiten und einen Ort, an dem tausende kaputte Tribünen-Sitzplätze aufgehäuft sind. Carolina Castro berichtete beim Sender SporTV:
    "Dieser Schuppen befindet sich unter einer der Rampen des Maracanã. Es gibt dort viele Kater, sehr viele Katzen! Müll liegt rum, Wasser ist eingedrungen, es schimmelt. Da war ein furchtbarer Schimmelgeruch!"
    "Ich nenne die Situation skandalös!", schimpft Orlando Santos vom "Volkskomitee WM und Olympia", Gegner der Mega-Sportevents in Brasilien. "Das war vorher schon abzusehen. Es verbindet Fehler bei der Privatisierung mit Verantwortungslosigkeit der Administration bei den zahlreichen Umbauten des Maracanã, die in Wirklichkeit obskuren Interessen dienten."
    Korruptionsvorwürfe gegen Gouverneur und Bauunternehmen
    Mitte November verhaftete die brasilianische Polizei Sergio Cabral, 2007 bis 2014 Gouverneur des Staates Rio de Janeiro. In den Jahren unter Cabral wurde das Maracanã mehrfach umgebaut für umgerechnet über 400 Millionen Euro. Fünf Prozent davon soll Cabral als Schmiergeld von den Bauunternehmen bekommen haben, also etwa 20 Millionen Euro.
    Einer der beteiligten Konzerne ist Odebrecht, Brasiliens größten Bauunternehmen. Eine Firmengruppe um Odebrecht gewann 2013 die Lizenz, das Maracanã betreiben zu dürfen. Inzwischen steckt der Konzern aber selbst bis zum Hals in Korruptionsverfahren. Odebrecht versucht seit gut einem Jahr, das Stadion loszuwerden. Eine Atempause sollten die Olympischen Spiele bringen. Im März 2016 übernahm das Olympia-Organisationskomitee Rio-2016 den Stadion-Komplex. Bis zur Rückgabe Anfang November hätte eine Lösung gefunden werden sollen. Stattdessen eskaliert der Streit. Journalistin Castro:
    "Rio-2016 garantiert, das Maracanã dem Staat zurückgegeben, der Staat garantiert, es Odebrecht zu übergeben - und Odebrecht garantiert, das nicht akzeptiert zu haben, weil das Stadion in diesem Zustand ist."
    Das Konsortium schreibt in einer Stellungnahme, man werde die Administration nicht übernehmen, bis "alle Reparaturarbeiten von Schäden und Gebrauchsspuren durch die Nutzung abgeschlossen sind." Rio-2016-Sprecher Mario Andrada hält dagegen: "Der Betreiber will sich nicht um das Maracanã kümmern, er will es loswerden und nutzt das Olympia-Organisationskomitee, um die Regierung unter Druck zu setzen, das Stadion zurückzunehmen. Wir haben das Maracanã im besseren Zustand zurückgegeben, als wir es übernommen haben!"
    Müll, toter Rasen und Katzen
    Am 4.11.2016 habe der damalige Innen-Staatssekretär die Rücknahme des Stadions unterschrieben, so Andrada. "Wir haben es übergeben inklusive einer kleinen Liste mit noch auszuführenden Arbeiten." Aber ohne Müll, versichert der Rio-2016-Sprecher. Nach der Rückgabe fanden mehrere Fußballspiele statt, ohne aber einen für das Maracanã Verantwortlichen oder einen Vertrag.
    "Es gab eine verbale Autorisation des Staates und keinen Einspruch des Konzessionsnehmers", sagt Fred Luz, Geschäftsführer von Flamengo, Brasiliens mitgliederstärkstem Fußballverein. Flamengo sieht das Maracanã als Heimstadion: "Wir hatten die Minimum-Konditionen, um zu spielen. Aber wir haben nicht analysiert, wie die Struktur beeinträchtigt ist. Das Maracanã haben wir lupenrein abgegeben, das weiß jeder."
    Flamengo ist sehr daran interessiert, mit Partnern selbst die Verwaltung des Maracanã zu übernehmen. Erbost reagierte das Präsidium, als es Ende November hörte, der Staat treffe sich inoffiziell mit Vertretern des Vermarktungs-Riesen Lagardère. Die Franzosen haben die Rechte an 58 Arenen weltweit. Die Rechnung des Staates: ein Verkauf der Konzession von Odebrecht an Lagardère geht schneller, als eine Neuausschreibung.
    Flamengo und seine Partner verbündeten sich daraufhin mit "Amsterdam Arenas" und "G.L. Events", andere dicke Fische im Teich des Event-Managements. Fred Luz droht:
    "Flamengo wird nicht im Maracanã spielen, wenn Lagardère gewinnt. In den letzten Jahren haben wir für 80 Prozent des Umsatzes im Maracanã gesorgt. Ob das Stadion ohne Flamengo rentabel sein kann?"
    Der Vertrag zwischen Flamengo und noch Betreiber Odebrecht ist zum 31.12.2016 ausgelaufen. Der Verein spielt 2017 wohl im "Luso-Brasileiro", ein kleines, althergebrachtes Stadion in Rio mit 20.000 Plätzen.
    Im symbolträchtigen, teuer umgebauten Maracanã, der Bühne für Fußball-WM und Olympische Spiele, stirbt der Rasen, rottet Müll und regieren die Katzen.