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Nach Rücktrittsankündigung
"Wowereit hat der Stadt genutzt"

"Wowereit war ein großartiger Regierender Bürgermeister von Berlin", unterstreicht Walter Momper (SPD), der dieses Amt selbst von 1989 bis 1991 innehatte. Zu seinen Leistungen zähle die Sanierung des Haushalts. Der nicht fristgerecht eröffnete Berliner Flughafen hänge ihm allerdings "wie ein Mühlstein am Hals", sagte er im DLF.

Walter Momper im Gespräch mit Christiane Kaess | 27.08.2014
    Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Walter Momper
    Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Walter Momper (dpa / picture-alliance / Roland Popp)
    13 Jahre lang hat Klaus Wowereit die Hauptstadt regiert. Die Bilanz von Walter Momper (SPD), selbst ehemaliger Regierender Bürgermeister, fällt positiv aus. "Er hinterlässt eine große Lücke," betonte er. Zu seinen Leistungen zähle vor allem die Sanierung des Berliner Haushalts mit zum Teil "scharfen Maßnahmen". Neben der Stabilisierung der Finanzen sei es ihm auch gelungen, moderne Industrien in die Stadt zu holen. Und nicht zuletzt habe er das Lebensgefühl der Berliner gut zum Ausdruck gebracht.

    Mit Blick auf die Nachfolge Wowereits betonte Mompert: "Da kann nicht einer bestimmen, wie's gemacht wird." Das Verfahren, die SPD-Mitglieder über einen Kandidaten bestimmen zu lassen, findet Mompert gut. Mit dem Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh und dem Landesvorsitzenden Jan Stöß habe man "zwei junge Leute, die das beide können."

    Das Interview mit Walter Momper in voller Länge:
    Christiane Kaess: Er ist der dienstälteste deutsche Landesregierungschef, der Regierende Bürgermeister von Berlin. Klaus Wowereit hat der Stadt internationales Flair gegeben und eine gewisse Lässigkeit. Auf Bundesebene traute man ihm einst sogar die Kanzlerkandidatur zu. Aber Wowereit stand zuletzt auch zentral im Millionendebakel um den Berliner Großflughafen. Gestern hat er also angekündigt, er werde seinen Posten zum 11. Dezember zur Verfügung stellen – nach 13 Jahren.
    Im Juni 2001 war er zum ersten Mal zum Bürgermeister der Hauptstadt gewählt worden. Zwei Wahlperioden hat er ein Bündnis mit der Linken geführt und seit November 2011 dann eine rot-schwarze Koalition. In den letzten Monaten allerdings wurde Wowereit immer umstrittener, auch in der eigenen Partei. Um seine Nachfolge entbrannte in der Berliner SPD gestern umgehend ein Machtkampf zwischen Fraktionschef Saleh und Landeschef Stöß. Die Partei will in einem Mitgliederentscheid den Nachfolgekandidaten bestimmen. In der Opposition wurde die Forderung nach Neuwahlen laut.
    Walter Momper von der SPD war von 1989 bis 1991 Regierender Bürgermeister von Berlin, also zur Zeit des Mauerfalls, und er ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Momper.
    "Er hinterlässt eine große Lücke"
    Walter Momper: Schönen guten Morgen!
    Kaess: Herr Momper, hinterlässt Klaus Wowereit in Berlin mehr als eine große Baustelle?
    Momper: Ja ich glaube, er hinterlässt eine große Lücke, denn er ist schon ein großartiger Regierender Bürgermeister in dieser Zeit gewesen. Er hat die Stadt zu der modernen Großstadt gemacht, die wir heute sind. Er hat das Lebensgefühl der Berliner gut zum Ausdruck gebracht. Und er hat natürlich auch einiges geleistet, etwa die Finanzen zu stabilisieren, die modernen Industrien, wie man sagt, also Mode, Medien und dergleichen, in die Stadt zu holen. Da hat er schon ganz schöne Leistungen. Es wird schwierig werden, ihn zu ersetzen.
    Kaess: Aber wenn wir noch mal auf die Baustellen schauen – allein diese Diskussion jetzt um seine Nachfolge. Kann man sagen, dass Wowereit seiner Partei auch geschadet hat, weil er eben keinen Nachfolger aufgebaut hat?
    Momper: Nein, das kann man so nicht sagen, sondern diese beiden Herren, über die jetzt die Rede war, der Stöß und der Saleh, die sind ja beide zu seiner Zeit schon aufgetreten als potenzielle Nachfolger. Nein, das, glaube ich, kann man wirklich nicht sagen. Er hat der Stadt nicht geschadet, er hat der Stadt genutzt, auch wenn ihm ein großes Projekt bisher noch nicht gelungen ist, nämlich das des Flughafenbaus und den Flughafen zu eröffnen.
    Kaess: Sie haben die beiden angekündigt, die jetzt um die Nachfolge sich bewerben. Aber warum hat denn Wowereit sich nicht um einen der beiden zum Beispiel gekümmert, um ihn als eindeutigen Nachfolger aufzubauen?
    "Man muss für die Leitung Leute aus dem eigenen Bereich wählen"
    Momper: Na ja, er wollte der Partei wohl die Wahlfreiheit lassen. Das ist ja auch nicht gut, wenn einer von der Spitze her bestimmt, wer wird mein Nachfolger. Das sind ja keine Erbhöfe, die hier verteilt werden, sondern das sind demokratische Ämter, die demokratisch gewählt werden, und zwar in diesem Falle durch die Partei SPD. Da kann nicht einer bestimmen, wie es gemacht wird.
    Kaess: Wowereit selbst hat gestern davon gesprochen, dass die parteiinterne Diskussion um seine Person der Regierungsarbeit geschadet habe. Ist das Verhältnis zwischen ihm und der Partei zerrüttet?
    Momper: Nein, überhaupt nicht. Das kann man überhaupt nicht sagen. Trotzdem: Es können einige das Wasser noch immer nicht halten, das kennen wir doch, und die wollen dann schon immer vor der Zeit diskutieren und mäkeln dann herum an diesem und an jenem, und das hat ihn natürlich gestört, aber das hat ihm auch geschadet, wenn man so will.
    Kaess: Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse von der SPD, der hat jetzt seine Partei aufgefordert, sich bei der Suche nach einem Nachfolger nicht auf den Berliner Landesverband zu beschränken, und in einem Bericht des Tagesspiegels heißt es, SPD-Chef Sigmar Gabriel soll versucht haben, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz für die Nachfolge zu gewinnen. Dieser habe aber abgelehnt. Wäre es tatsächlich besser, einen Prominenten von außen für dieses Amt zu gewinnen?
    Momper: Das Letztere ist eine Ente. Das haben wir nun schon gestern Abend dementiert.
    Kaess: ... läuft aber heute noch über die Agenturen.
    Momper: Na ja, gut. Das kann man nur nicht so schnell bremsen. Aber es trifft einfach nicht zu. Das ist das erste und das zweite ist: Ja gut, der Thierse kann hier einen Rat geben. Ich halte nichts davon. Man muss schon aus dem eigenen Bereich die Leute wählen, die da auch das leiten sollen. Hier sind zwei Kandidaten, womöglich kommen noch mehr dazu, dagegen ist ja auch gar nichts zu sagen. Ich bin froh, dass meine Partei so eine Auswahl hat. Das ist ja besser, als wenn nur einer da ist und man keine Wahl hat.
    Haushaltssanierung war eine "ganz große Leistung"
    Kaess: Aber dennoch: Diese Diskussion, einen Prominenten von außen zu holen, zeigt das auch, wie groß die Fußstapfen sein werden für einen Nachfolger?
    Momper: Na ja, in gewisser Weise natürlich schon. Man will immer den Idealkandidaten haben. Den gibt es aber bekanntlich nicht. Es gibt immer nur die reale Auswahl, die man hat, und da sind die beiden, glaube ich, als Kandidaten in Ordnung, die wir jetzt schon auf dem Tapet haben.
    Kaess: Warum?
    Momper: Weil die sind junge Leute. Der eine hat drei Jahre lang die Fraktion geführt, hat das gut gemacht, und der andere, der Stöß, hat die Partei geführt und hat das gut gemacht, war vorher auch im Bezirksamt als politischer Beamter tätig. Also die beiden können das, das ist überhaupt gar keine Frage. Nur sie sind natürlich nicht von vornherein von der Statur, von der Klaus Wowereit ja auch erst gewesen ist, nachdem er Regierender Bürgermeister geworden ist. Der ist ja auch nicht als Regierender Bürgermeister geboren.
    Kaess: Von der Statur sprechen Sie, und Wowereit ist ja tatsächlich auch immer wieder aufgefallen durch seine markigen Sprüche und konnte auch ganz gut Negatives in Positives verwandeln. Ganz stark in Erinnerung geblieben ist ja sein Spruch "Berlin ist arm, aber sexy". Ist das denn tatsächlich ein Prädikat für die Stadt, oder kaschiert das eigentlich das politische Versagen?
    Momper: Nein! Das "arm aber sexy" ist eine reale Beschreibung. Sexy ist nicht schlecht in unserer Gesellschaft und arm sind wir nun, sind wir auch immer noch.
    Kaess: Aber da hätte man ja politisch etwas dagegen tun können, oder mehr tun können.
    Momper: Ja das hat er ja auch. Der hat doch den Haushalt saniert. Vor 14 Jahren, als es losging, als Berlin kaum zahlungsfähig war, hat er durch relativ scharfe Maßnahmen, zusammen übrigens damals mit der PdS damals noch, den Haushalt saniert, und das ist eine ganz große Leistung, die er erbracht hat.
    "Flughafen hängt Wowereit wie ein Mühlstein am Hals"
    Kaess: Ist aber auch lange her.
    Momper: Ja, natürlich! So etwas wirkt nachhaltig. Auch wenn Sie heute die Neuverschuldung nicht mehr machen wollen, also die Einnahmen ausgeben und nicht mehr, dann ist das darauf zurückzuführen, dass er damals die scharfen Maßnahmen getroffen hat. Er hat ja beim Personal eingespart, die erste Wowereit-Milliarde, die zweite Wowereit-Milliarde. Das waren ja ganz schön happige Sachen, die Kita-Gebühren erhöht und und und.
    Kaess: Wie erklären Sie denn aber auf der anderen Seite dieses, ich nenne es mal, Phänomen Wowereit, jemand der lange ein Gefühl für diese Stadt hatte und dann offensichtlich plötzlich nicht mehr, wenn man den Schluss seiner Amtszeit oder die letzten Monate anguckt?
    Momper: Nein. Entschuldigung, davon kann nun wirklich keine Rede sein. Dem Mann hängt wie ein Mühlstein am Halse der Flughafen, der nicht eröffnete Flughafen.
    Kaess: Zu Recht, oder?
    Momper: Ja, zu Recht. Natürlich! Das hat er auch selbst gesagt, das ist seine größte Niederlage gewesen. Nur wenn ein Ding erst mal gegen eine Wand gefahren ist, dann kannst Du auch schwer was daran machen, und hier ist es ja offenbar so gewesen, dass das Management der ganzen Bude ihn belogen hat und den ganzen Aufsichtsrat auch und nicht ordentlich gearbeitet hat. Die sind ja auch inzwischen alle rausgeflogen.
    Aber er hat es nun mal nicht fertig bekommen. Das ist wie gesagt ein großes Problem für ihn gewesen, für uns alle natürlich, für die ganze Stadt. Aber das ist der springende Punkt. Deshalb sind seine Beliebtheitswerte auch in den Keller gegangen, nicht irgendwelcher Dinge wegen. Ansonsten sind die Leute mit dem, was er macht, relativ zufrieden. Da gibt es ja gar keine Kritik dran. Deshalb sind eben diese Beliebtheitswerte auch so abgesunken.
    Kaess: ..., sagt Walter Momper von der SPD, von 1989 bis 1991 selbst Regierender Bürgermeister von Berlin gewesen. Danke für dieses Interview heute Morgen.
    Momper: Ja bitte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.