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Nach Schweizer Votum
Henkel: Zuwanderung in die EU steuern

Nach dem Schweizer Votum zur Begrenzung der Zuwanderung plädiert der AfD-Spitzenpolitiker Hans-Olaf Henkel für ein geändertes Zuwanderungsrecht auch in Deutschland. Ihm schwebe ein Punktesystem wie in Kanada vor, sagte Henkel im Deutschlandfunk.

Hans-Olaf Henkel im Gespräch mit Martin Zagatta | 11.02.2014
    Hans-Olaf Henkel
    Hätte bei einer vergleichbaren Abstimmung in Deutschland gegen eine Zuwanderungsbegrenzung nach Schweizer Vorbild gestimmt: Hans-Olaf Henkel (picture-alliance / dpa / David Ebener)
    Martin Zagatta: Nachdem sich die Schweizer in einer Volksabstimmung dafür ausgesprochen haben, auch die Zuwanderung von EU-Bürgern zu begrenzen, sind Rechtspopulisten wie der Niederländer Geert Wilders oder der französische Front National sofort aufgesprungen auf das Thema, und in Deutschland fordert jetzt offenbar die Euro-kritische AfD, die Alternative für Deutschland, auch ein Zuwanderungsrecht nach Schweizer Modell. Ob das tatsächlich so gemeint ist, das können wir jetzt Hans-Olaf Henkel fragen, den Kandidaten der AfD bei der Europawahl und früheren BDI-Präsidenten. Guten Tag, Herr Henkel!
    Hans-Olaf Henkel: Guten Morgen oder guten Tag!
    Zagatta: Ist Ihnen Deutschland zu weltoffen?
    Henkel: Überhaupt nicht. Wenn diese Abstimmung in Deutschland dem Volk vorgelegt worden wäre, hätte ich dagegen gestimmt. Ich glaube, damit habe ich Ihre Frage beantwortet.
    Zagatta: Sind wir dann völlig falsch informiert, oder führen diese Schlagzeilen jetzt in die Irre, dass die AfD ein ähnliches Zuwanderungsrecht nach Schweizer Modell fordert und will?
    Henkel: Na ja, das ist teilweise richtig, teilweise falsch. Erst einmal möchte ich grundsätzlich sagen, …
    Zagatta: Andere in der AfD wollen das, Sie nicht?
    Henkel: Nein, nein! Das kann man nicht so sagen, sondern wir wollen - - Die ganze AfD arbeitet gerade an einem neuen Vorschlag für ein geändertes Zuwanderungsrecht. Und wenn ich das, was wir dort jetzt eingebaut haben und demnächst auch der Öffentlichkeit vorgestellt wird, nachdem es dann die Mitglieder abgesegnet haben, mit dem vergleiche, was in der Schweiz passiert ist, dann muss ich sagen, die Schweiz orientiert sich an der Herkunft der Zuwanderer, und das wollen wir nicht. Wir wollen uns an der Qualifikation der Zuwanderer orientieren und wir schlagen deshalb auch mit großer Wahrscheinlichkeit die Einführung des kanadischen Punktemodells vor, das im wesentlichen so funktioniert, dass die Kanadier sich die Zuwanderer aussuchen. Und ich bin auch der Meinung, dass wir nicht weiter davon ausgehen dürfen, dass die Zuwanderer sich immer das eigene Land aussuchen können, in das sie hin wollen.
    Zagatta: Und das soll dann auch für EU-Bürger gelten, diese Freizügigkeit?
    "Großzügigere Regelung für Kriegsflüchtlinge"
    Henkel: Nein, nein, nein! Daran wollen wir gar nichts ändern. Die Freizügigkeit innerhalb der EU wird überhaupt nicht angetastet. Es geht um Zuwanderer in die EU und da bin ich der Meinung in der Tat, dass wir uns an diesem kanadischen Beispiel ein gutes Beispiel nehmen können. Dort orientiert man sich zunächst mal an der Bildung der Zuwanderer. Ein weiteres Kriterium ist, ob sie die Sprache sprechen, und ein drittes Kriterium ist, ob sie im Arbeitsmarkt unterkommen. Aber so wie die Schweizer, dass man jeden Arbeitgeber dazu verpflichtet, erst mal alle Arbeitsämter zu befragen, ob es einen Schweizer Kandidaten gibt, und erst dann einen Ausländer einzustellen, das kommt mit uns nicht in Frage.
    Zagatta: Herr Henkel, ob man das jetzt mit einem Punktesystem macht oder nicht, das was Sie jetzt fordern, das haben wir doch in Deutschland schon längst. Wer außerhalb der EU hat denn ein Recht, hier einzuwandern und sich ohne Arbeitsplatz niederzulassen? Das sind doch in der Regel Asylverfahren und davon gar nicht betroffen.
    Henkel: Na ja, das ist auch nicht richtig. Erst mal stimmt die Aussage nicht, denn wir haben …
    Zagatta: Sondern?
    Henkel: Na ja, wir haben in den letzten Jahren einen erheblichen Einwanderungsdruck auch von Menschen außerhalb der Europäischen Union. Und wenn sie dann tatsächlich das Asylverfahren bestanden haben, dann dürfen sie natürlich hier auch bleiben. Übrigens in unserem Programm gehen wir davon aus und schlagen auch vor, dass Menschen, die sich hier in einem Asylverfahren befinden, auch arbeiten dürfen.
    Zagatta: Aber, Herr Henkel, wenn ich Sie dann recht verstehe, wollen Sie jetzt die Hand anlegen – das ist ja wieder ein ganz anderes Thema – an die Asylverfahren?
    Henkel: Nein! Nein, nein, das gehört alles zusammen. Wir haben einen Vorschlag, der befasst sich mit den Menschen, die nach Deutschland kommen, und das sind drei Gruppen. Das sind Menschen, die Arbeit suchen beziehungsweise hier leben wollen aus wirtschaftlichen Gründen, dann gibt es Menschen, die suchen Asyl, und dann gibt es Menschen, die kommen her, weil es irgendwo auf der Welt große militärische Auseinandersetzungen gibt. Wir befassen uns mit allen drei Gruppen, und was die Gruppe Asylsuchende betrifft, die sich im Asylverfahren befinden, so sind wir der Meinung, die müssen auch in Deutschland arbeiten dürfen. Das lässt die derzeitige Gesetzeslage nicht zu. ich halte das für nicht richtig, auch für moralisch verwerflich. Und wir setzen uns auch für eine wesentlich großzügigere Regelung für Kriegsflüchtlinge ein.
    "Nach der Qualifikation aussuchen und nicht nach der Herkunft"
    Zagatta: Dann bleiben wir doch bei der ersten Gruppe, die Sie angesprochen haben: Menschen, die hier Arbeit suchen. Wer da einwandert, das sind doch in der Regel – und das wird von der Wirtschaft auch so gewünscht – Inder, die hervorragende Computer-Kenntnisse haben, Menschen, die sogar hier gesucht werden.
    Henkel: Richtig!
    Zagatta: Was wollen Sie daran ändern?
    Henkel: Wir wollen sicherstellen, dass diese Personen hineinkommen, wenn sie gewisse Qualifikationen erreichen.
    Zagatta: Das passiert doch jetzt auch schon.
    Henkel: Nein, das passiert eben nicht. Es gibt dieses Modell, das kanadische Modell, in der Europäischen Union eben nicht. Ich darf vielleicht darauf hinweisen, dass ich damals auch schon Mitglied der Zuwanderungskommission war unter der rot-grünen Regierung. Geleitet hat diese Zuwanderungskommission damals Frau Süssmuth und schon damals wurde aus dieser Gruppe dieser Vorschlag gemacht, er wurde leider verworfen. Also ich glaube, es ist richtig und wichtig, dass wir uns unsere Zuwanderer aussuchen, und wir sollten auch dafür sorgen, dass sie sich nicht weiterhin immer nur das Land aussuchen können.
    Zagatta: Jetzt kommen aber aus Wirtschaftsverbänden, auch vom BDI schon die Hinweise, man sollte mit so einer Diskussion, gerade als ein Land wie Deutschland, das ja Exportweltmeister war bis vor kurzem und vielleicht auch immer noch ist, mit solchen Forderungen ganz, ganz vorsichtig sein. Pfuschen Sie da Ihren alten Kollegen nicht ganz schön ins Handwerk?
    Henkel: Na überhaupt nicht! Das ist übrigens auch eine Forderung, die ich damals schon als BDI-Präsident aufgestellt habe, dass wir uns in die Lage versetzen sollen, die Leute, diejenigen, die in die EU kommen wollen, nach der Qualifikation auszusuchen und nicht nach der Herkunft. Und im übrigen möchte ich auch mal darauf hinweisen: Ich habe ja schon gesagt, dass ich niemals für dieses Gesetz in Deutschland gestimmt hätte. Aber die Situation in Deutschland ist ja anders als die in der Schweiz. In Deutschland haben wir nur neun Prozent Ausländer, in der Schweiz sind es schon 23. Man muss sich mal in die Situation der Schweizer versetzen. Auch in der Schweiz hätte ich als Schweizer nicht dafür gestimmt, auch das möchte ich klarstellen. Aber wir müssen doch das Votum der Schweizer Bevölkerung tolerieren und ich wende mich dagegen, dass jetzt die Schweizer en Block sowohl von europäischen Bürokraten als auch von deutschen Politikern verunglimpft, beleidigt und sogar bedroht werden. Da werden jetzt die ersten Gespräche ausgesetzt mit der Schweiz. Wenn wir schon von wirtschaftlichen Zusammenhängen sprechen, dann möchte ich auch mal daran erinnern, dass es nicht so ist, dass die Schweiz nun viel mehr davon profitiert, mit der EU zusammen zu sein, als umgekehrt, denn die EU kauft nicht so viele Güter aus der Schweiz ein wie die Schweiz aus der EU.
    Zagatta: Das war Hans-Olaf Henkel, der frühere BDI-Präsident, der jetzt als Spitzenkandidat bei der AfD antritt für die Europawahl. Herr Henkel, ich bedanke mich für dieses Gespräch und für diese Erläuterungen.
    Henkel: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.