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Nach Urteil
Steuergewerkschaft wirbt für Neugestaltung der Erbschaftssteuer

Als "deutliches Warnzeichen" für den Bund bezeichnet der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, die Karlsruher Entscheidung zur Änderung der Erbschaftssteuerregelung für Unternehmen. Im DLF-Interview riet er der Großen Koalition zu einer grundsätzlichen Neugestaltung der Erbschaftssteuer.

Thomas Eigenthaler im Gespräch mit Marina Schweizer | 18.12.2014
    Die Erbschaftssteuer soll nach dem Willen der Steuergewerkschaft neu ausgearbeitet werden
    Es lohne sich, noch mal völlig neu über die grundsätzliche Verfassung der Erbschaftssteuer nachzudenken, sagte der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, Interview mit dem Deutschlandfunk. (imago/Christian Ohde)
    Silvia Engels: Das Bundesverfassungsgericht hat gestern Teile des deutschen Erbschaftssteuerrechts gekippt, nämlich speziell die Regelungen, die bei der Vererbung von Firmen gelten. Die letzte schwarz-gelbe Bundesregierung hatte nämlich Steuerrabatte und Ausnahmen gewährt, um bei der Übergabe gerade kleine Betriebe nicht durch zu hohe Steuern zu stark zu belasten. Doch die Richter in Karlsruhe bemängeln zu viele Missbrauchsmöglichkeiten; sie verlangen Änderung.
    Meine Kollegin Marina Schweizer sprach darüber mit dem Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler.
    Marina Schweizer: Sie hatten vor dem Urteil gesagt, Sie erwarten deutliche und kritische Worte. Sind Sie denn jetzt zufrieden?
    Thomas Eigenthaler: Das Urteil war in der Tat so zu erwarten. Es gab zwei Indikatoren. Der Bundesfinanzhof, immerhin das höchste Fachgericht, hat ganz massive Probleme gesehen beim Erbschaftssteuergesetz und auch die Richter beim Verfassungsgericht haben in der mündlichen Verhandlung immer wieder nachgebohrt. Alle Fachleute haben im Grunde erwartet, das kann nicht gut gehen.
    Schweizer: Und wie beurteilen Sie das Ganze denn jetzt?
    "Betriebe wurden zu sehr verschont"
    Eigenthaler: Das Gericht hat sich sehr viel Mühe gegeben bei seiner Begründung. Man hat verstanden, um was es geht. Es geht darum, dass Betriebe einfach zu sehr verschont wurden bei der Erbschaftssteuer, insbesondere die ganz großen Betriebe. Da gab es ein deutliches Warnzeichen des Gerichtes. Aber auch die ganz kleinen Betriebe kamen nicht gut weg, weil man hörte, dort gibt es überhaupt keine Kriterien für die Verschonung.
    Schweizer: Dann lassen Sie uns doch als erstes auf die kleinen Betriebe schauen. Betriebe bis 20 Mitarbeiter müssen ja bisher nicht nachweisen, dass sie Arbeitsplätze erhalten haben. In diese Kategorie fallen 90 Prozent der deutschen Unternehmen. Das ist also eher eine Regel als eine Ausnahme und Karlsruhe verlangt Nachbesserung. Liegt Ihnen, der Steuergewerkschaft, das jetzt mit Blick auf neue Prüfungen bis 2016 im Magen?
    Eigenthaler: Nun, die Fälle mussten ja bislang schon geprüft werden. Man muss sich ja vergegenwärtigen, dass die Erbschaftssteuer so läuft: Man bewertet zunächst das Unternehmen und in einem zweiten Schritt wird es steuerfrei gestellt. Es wird verschont. Insofern wird es künftig nur noch darum gehen, dass die Anforderungen verschärft werden, und das Gericht hat deutlich gesagt, bislang wurde überhaupt nicht gefragt, hast Du denn Arbeitsplätze abgebaut oder nicht, und da wird man künftig eine neue Dokumentation darüber brauchen, dass tatsächlich Arbeitsplätze auch erhalten worden sind.
    Schweizer: Und das heißt dann doch aber auch etwas mehr Arbeit für die Finanzverwaltungen?
    Eigenthaler: Das ist richtig. Die Prüfungsvorgänge werden möglicherweise intensiver werden. Aber es hängt natürlich davon ab, auf welche Regelungen sich die neue Koalition in Berlin, die seit 2013 regiert, auf was man sich dort verständigen wird.
    "Größeren Wurf wagen: breite Bemessungsgrundlage - niedriger Steuersatz"
    Schweizer: Welche Regelung würden Sie denn als sinnvoll erachten?
    Eigenthaler: Nun, das Gericht hat zwei Wege gewiesen. Entweder eine kleine Reparatur, wie ich es ausdrücke, dass man im bestehenden System nachjustiert, sozusagen ein Fein-Tuning vornimmt. Das Gericht hat aber auch gesagt, ihr könnt ein völlig neues System aufsetzen. Jetzt darf man gespannt sein, was die Große Koalition aus diesen beiden Vorlagen machen wird.
    Schweizer: Und Sie haben da gar keine Präferenz?
    Eigenthaler: Persönlich würde ich eher einen größeren Wurf wagen, die zweite Alternative wählen, die lautet: Eine breitere Bemessungsgrundlage, lasst uns gar nicht so viel in der Gegend rumverschonen, macht die Bemessungsgrundlage breiter. Aber der Steuersatz, der darf dann maximal zehn Prozent sein. Nach meiner festen Überzeugung würde das auf mehr Transparenz, auf mehr Akzeptanz bei allen stoßen.
    Schweizer: Wenn ich Sie jetzt richtig verstehe, dann sagen Sie, die Erbschaftssteuer müsste aus Ihrer Sicht eigentlich neu gestaltet werden?
    "Unerträgliche Situation für den Steuerzahler"
    Eigenthaler: Ja. Wir haben die Situation, dass wir die Erbschaftssteuer schon zum dritten Mal jetzt beim Bundesverfassungsgericht haben, und wenn man nicht ganz genau aufpasst, dann wird sie möglicherweise wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Im Grunde ist das für den Steuerzahler eine unerträgliche Situation.
    Deshalb: Ich warne vor Schnellschüssen. Es lohnt sich, noch mal völlig neu darüber nachzudenken, wie soll eine Erbschaftssteuer ganz grundsätzlich verfasst sein. Und der Weg, eine breite Bemessungsgrundlage ohne große Ausnahmen, dafür aber ein niedriger Steuersatz, der schiene mir sehr, sehr gangbar zu sein.
    Schweizer: Herr Eigenthaler, ganz zum Schluss noch die Frage, die uns alle umgetrieben hat, vor dem Urteil schon und auch jetzt, nachdem das Urteil gesprochen worden ist. Ist denn nach diesem Urteil der Steuergerechtigkeit schon ausreichend Rechnung getragen?
    "Bei Milliarden-Vermögen kann Staat nicht auf Durchzug schalten"
    Eigenthaler: Nun, wenn man die Grundsätze des Gerichts umsetzt, dann müssen vor allem die großen Unternehmen mehr Erbschaftssteuer bezahlen in der Zukunft. Dort waren die Warnhinweise des Gerichts sehr deutlich. Hier wurde von Überprivilegierung gesprochen, dass man über das Ziel hinausgeschossen hat.
    Und ich denke, das ist auch die richtige Richtung. Wo Milliarden-Vermögen vielleicht da sind, da kann der Staat nicht einfach hier auf Durchzug schalten, die Ampel auf Grün stellen. Da müssen die Kriterien sehr scharf angeschaut werden. Es ist richtig, dass man kleine und mittlere Unternehmen verschont, aber im größeren Bereich muss man sehr genau hinschauen, was man macht.
    Engels: Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, im Gespräch mit Marina Schweizer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.