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Nach US-Zollentscheidung
Zum Aufatmen zu früh

In Europa hat man erleichtert auf die Entscheidung reagiert, dass die USA Europa vorläufig nicht mit Strafzöllen belegen wollen. Handelsexperten sehen die Gefahr allerdings noch nicht gebannt: Denn wenn die Zölle das Wachstum in China bremsen, wären auch Europa und ganz besonders Deutschland betroffen.

Von Mischa Ehrhardt | 23.03.2018
    Ein Stahlarbeiter in Wuhan (China) bei der Arbeit.
    "Die Welt ist heute so vernetzt, dass ein Schaden, den man an einer Ecke der Welt anrichtet, auch Auswirkungen an einer anderen hat": Volkswirte kritisieren die Zölle, die gegen China in Kraft treten sollen. (dpa / picture alliance / epa Yuan Zhen)
    Ein kleines Aufatmen als bekannt wurde, dass Europa von den Strafzöllen auf Stahl und Aluminium vorläufig ausgenommen ist. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeister äußerte sich beispielsweise in diesem Sinne heute im Deutschlandfunk.
    "Ich bin sehr froh, dass wir für die Deutsche Stahl- und Aluminiumindustrie und die Beschäftigten dort jetzt eine Situation vermieden haben, die zu großer Unsicherheit geführt hätte, auch wenn der Gesamtbetrag am Bruttoinlandsprodukt überschaubar bleibt."
    Nun jedenfalls gelte es, mit den Amerikanern zu sprechen, um auszuloten, in welchen Bereichen man möglicherweise zu Kompromissen und Absprachen kommen kann, die im Sinne beider Wirtschaftsräume sind.
    Chefvolkswirt: Chinas Schaden ist auch Deutschlands Schaden
    In führenden Industrieverbänden sieht man die Lage etwas kritischer. Wir alle sind auch ein bisschen China, sagte beispielsweise der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben. Die Logik ist ebenso einfach wie einleuchtend: Bekommt China wirtschaftliche Probleme, so trifft das auch Deutschland, für dessen Exporteure China einer der wichtigsten Märkte ist.
    So argumentiert auch Martin Lück, der Chefvolkswirt des Vermögensverwalters Blackrock in Deutschland: "Die Welt ist heute so vernetzt und die Globalisierung so weit fortgeschritten, dass ein Schaden, den man an einer Ecke der Welt anrichtet, auch Auswirkungen an einer anderen hat. China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Selbst, wenn die Europäische Union jetzt von den US-Zöllen ausgenommen wird, hat sie einen erheblichen Handelsanteil mit China. Wenn das Wachstum in China durch die Handelsbeschränkungen seitens Amerika niedriger ausfällt, dann würde das auch Europa und ganz besonders uns hier in Deutschland betreffen."
    Trumps Strategie der Spaltung
    Noch eine weitere Befürchtung hört man heute, am Tag eins der vorläufigen Verschonung durch amerikanische Strafzölle: Donald Trump hat eines seiner Ziele erreicht, nämlich den Rest der Welt zu spalten - die eine Seite bleibt vorerst verschont, andere Länder wie China sollen dagegen unter den Sanktionen leiden.
    Das wiederum könnte dazu führen, dass China ganz bewusst Konsequenzen zieht und die verschonten Handelspartner der USA als Kollaborateure sieht, die mit dem US-Präsidenten bilateral verhandeln, letztlich also gemeinsame Sache mit ihm machen. Und schließlich ist es zum Aufatmen eigentlich auch deswegen noch zu früh, weil die EU zunächst nur vorläufig von den Schutzzöllen ausgenommen ist - und Donald Trump aller Voraussicht nach unberechenbar bleiben wird. Und schließlich wird es insgesamt schwer, die Spannungen aufzulösen, weil Trump mit Blick auf China schließlich auch ein inhaltliches Argument auf seiner Seite hat.
    Furcht vor einer weiteren Eskalation
    Nämlich, dass die Chinesen den Schutz des geistigen Eigentums nicht besonders genau nehmen. Jedes Unternehmen, das in China produziert, muss im Grunde einen Teil seines geistigen Eigentums an den Joint-Venture Partner abtreten; sonst darf man da gar nicht investieren. Das sind Dinge, die gehören natürlich adressiert. Aber so etwas gehört in vernünftige Verhandlungsrunden hinein, und nicht durch Cowboy-haftes Auftreten.
    Die Furcht vor einer weiteren Eskalation auf Grund der amerikanischen Strafzölle jedenfalls ist größer geworden. Das hat man an den Börsenkursen in dieser Woche und auch heute ablesen können. Zum Aufatmen ist es aus Sicht der meisten Experten noch zu früh.