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Nachbeben des Siemens-Skandals

Der jüngste Skandal aus dem Schmiergeld-Biotop Griechenland reicht in die Bundesrepublik und in den internationalen Sport. Rund 100 Millionen Euro, so schätzen griechische Medien, hat Siemens an Politiker und Funktionäre gezahlt, um an Aufträge für die Olympischen Spiele in Athen zu kommen. Nun ist erstmals ein früherer Minister angeklagt.

Von Grit Hartmann | 03.06.2010
    Die Griechen haben seit einigen Tagen eine neue Symbolfigur für die Korruptionskultur, die das Land jährlich geschätzte 20 Milliarden Euro kostet und in die Pleite trieb: Tassos Mantelis, den Ex-Minister für Verkehr und Telekommunikation der Regierungspartei Pasok. Eine Bombe sei hochge-gangen, befanden Medien landesweit.
    Vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die Siemens-Korruptionsaffäre beleuchtet, räumte der sozialistische Politiker die Annahme von reichlich 200.000 Euro Schmiergeld bis zum Jahr 2000 ein. Im Gegenzug schanzte Mantelis dem Konzern Aufträge für die Spiele in Athen zu. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage.
    Das Geständnis ist das bislang stärkste Nachbeben des Siemens-Skandals im Ausland. Seit 2006 war bekannt, dass auf Schweizer Konten eines griechischen Siemens-Managers mindestens 35 Millionen Euro Schwarzgeld lagerten, reserviert für Bestechung. Nach Aussage des Managers zog Siemens damit unter anderem das Sicherheitsprojekt C 4 I an Land. Mit US-Partnern installierte der Konzern die Kommunikationsnetze der Sicherheitsbehörden für Olympia. Den Münchnern brachte das 183 Millionen. Sie waren auch sonst bestens im Geschäft: Siemens wirkte bei Stadionprojek-ten mit, baute die Athener U-Bahn oder das Telefonnetz aus.
    Da Untersuchungsausschuss und Staatsanwaltschaft weitere Politiker im Visier haben, könnte in Athen eine Zeitbombe ticken. Zuerst für den Siemens-Konzern, der sich mit dem Drahtzieher aus seiner Manageretage bereits außergerichtlich geeinigt hatte und Partner Olympischer Organisa-tionskomitees weltweit ist.
    Einen unangenehmen Beigeschmack dürfte der Skandal auch für Deutschlands mächtigsten Sportfunktionär haben, für Thomas Bach. Mit ihm hatte Siemens im Jahr 2000 einen inzwischen einvernehmlich beendeten Beratervertrag geschlossen. Der Wirtschaftsanwalt, der stets beteuert, strikt zwischen Beruf und sportlichen Ehrenämtern zu trennen, hatte nur ein Gespräch eingeräumt, in dem es auch um ein Olympia-Projekt ging. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete 2008, Bach habe für die Siemens AG mit einem Vertreter des Bundeskanzleramtes gesprochen – über viele Themen, auch über jenes, das jetzt in Athen wieder interessiert: über das Sicherheitsprojekt C 4 I.