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Nachfolge von Raúl Castro
Wenig Hoffnung auf mehr Wandel in Kuba

Nach zehn Jahren als Präsident gibt der 86-jährige Raúl Castro nun sein Amt auf. Als Favorit für seine Nachfolge gilt der amtierende Vizepräsident Miguel Diaz-Canel - doch der habe seinen ursprünglichen Elan schon längst gegen eine hölzerne Funktionärsmentalität getauscht, sagen Beobachter.

Von Burkhard Birke | 18.04.2018
    Blick in eine Straße auf Kuba.
    Blick in eine Straße auf Kuba: Auf den neuen Präsidenten wartet eine Herkulesaufgabe. (Burkhard Birke / Deutschlandfunk)
    Allen Kubanern möge es besser gehen und Kuba sich öffnen: Als Taxifahrer ist Alejandro Sprachrohr des Volkes. Allein die Hoffnung ist größer als die konkrete Erwartung.
    Der Nachfolger von Raúl Castro wird den Prinzipien der kubanischen Revolution treu bleiben, glaubt der Politikprofessor und ehemalige UN-Diplomat Kubas Nestor Garcia.
    "Prinzipien wie Solidarität und eine gewisse Fürsorge für das Volk, dessen Probleme gelöst werden. Es muss versucht werden, mehr Probleme zu lösen. Die Landesverteidigung muss gestärkt werden. Wer auch immer die Nachfolge antritt, wird unbeirrt an der Linie festhalten."
    Überraschungen also ausgeschlossen? Die Weichen hat Raúl Castro vor langer Zeit gestellt. Er gibt auch nur die Präsidentschaft, nicht aber das Amt des Vorsitzenden der kommunistischen Partei Kubas und das des Oberbefehlshabers der Streitkräfte auf.
    Im März bereits bestimmten die Kubaner über vorgegebene Listen in Wahlen die 605 Nationalversammlungsvertreter. Heute und morgen treten sie in Havanna zusammen, um den Ministerrat und dessen Präsidenten zu wählen. Traditionell bestand die Führungsspitze aus alten Männern, die an der Seite von Fidel und Raúl Castro 1959 als Revolutionäre triumphierend in Havanna einmarschiert sind. Germanist und Regierungsdolmetscher Jesus Irsula widerspricht, ohne an einen realen Kurswechsel zu glauben:
    "Man hat den Eindruck, das sind nur Leute über 80, die das Land regieren. Der Außenminister ist ein junger Mann, Mitte 50, der Minister für Außenhandel ist ein relativ junger Mann, und die stellvertretenden Minister auch. Ich denke daher wird es keine großen Veränderungen geben, weil die personelle Zusammensetzung, die hat sich geändert in den letzten Jahren."
    Miguel Diaz-Canel ist Favorit
    So wurde unter anderem auch der 57-jährige aus Santa Clara stammende Miguel Diaz-Canel zu Raúl Castros Stellvertreter und Kronprinz. Der Lateinamerikaexperte und Buchautor Hannes Bahrmann:
    "Diaz-Canel war ein sehr sympathischer Bezirkssekretär, der in den 90er-Jahren sich wirklich auch Verdienste erworben hat, in der período especial, wo es nichts mehr gab, wo kein Strom mehr da war, wo die Leute wirklich auch hungerten, wo er selbst als Elektroingenieur bei Krankenhäusern die Notstromversorgung installiert hat. Der eine eigene Radiosendung hatte, als DJ auch operierte. Davon ist nichts mehr übrig. Der ist heute wirklich eine der klassischen Funktionärsfiguren, läuft sehr hölzern rum. Fühlt sich ganz offensichtlich nicht wohl in seiner Haut, denn das, was er früher gemacht hat, war sehr authentisch."
    Diaz-Canel wirkt volksnäher als der publikumsscheue Raúl Castro. Das allein wird jedoch nicht ausreichen, das Volk zu überzeugen und die gigantischen Probleme anzupacken. Kuba importiert nahezu zwei Drittel seiner Nahrungsmittel. Die meisten Staatsbetriebe sind unproduktiv. Das billige Öl aus Venezuela sprudelt angesichts der Probleme dort kaum noch. Und seit Donald Trump im Weißen Haus in Washington sitzt, weht wieder ein eisiger Wind über die Meerenge von Florida.
    Auf den neuen Präsidenten wartet eine Herkulesaufgabe
    Die nach dem Besuch von US Präsident Obama aufgekommene Euphorie ist verflogen. Die US-Touristen bleiben weg und die Hoffnung auf ein Ende des seit 1962 geltenden Handelsembargos tendiert gegen null.
    "In dieser Situation verteidigt das Volk die bedrohte Revolution", sprach der designierte Präsident Miguel Diaz Canel vor einigen Wochen bei der Wahl in die Mikrofone.
    Die vom scheidenden Präsidenten Raúl Castro eher halbherzig eingeleiteten Wirtschaftsreformen lassen durchschlagende Erfolge vermissen. Die Öffnung für den Privatsektor mit 580.000 Selbstständigen und 150.000 Landpächtern unter den 11,5 Millionen Kubanern führt zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft.
    Eine Tendenz, die das System zweier Währungen noch verstärkt. Es gibt eine konvertierbare und eine praktisch wertlose nationale Währung, in der die meisten Kubaner entlohnt werden. Trotz rationierter und subventionierter Lebensmittel, Mieten, trotz gratis Bildung und Schule kommen die wenigsten Kubaner mit Löhnen von umgerechnet 20 bis 30 Dollar im Monat über die Runden. Auf Diaz Canel wartet also eine Herkulesaufgabe.