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Nachfolger auf Abruf

Der Wechsel von CDU-Ministerpräsident Peter Müller ans Bundesverfassungsgericht wird immer wahrscheinlicher. Im Saarland wären somit drei Ämter neu zu besetzen: Ministerpräsident, Parteivorsitzender und das Justizressort.

Von Tonia Koch | 13.01.2011
    Fragen zu seiner beruflichen Zukunft entgegnet Peter Müller gegenwärtig mit einem Lächeln, zuweilen auch mit einem herzhaften Lachen und Sätzen wie diesem.

    "Sie wissen doch, dass der Ministerpräsident dieses Landes irgendwann beschlossen hat, auf Was-wäre-wenn-Fragen nicht zu antworten."

    Und für jene, die sich mit dieser dürren Erklärung nicht zufriedengeben wollen, legt der Saarländer noch einmal nach.

    "Ich habe am vergangenen Wochenende den unbedachten Satz gesagt, Politik sollte sich ab und zu an dem Prinzip von Papst Johannes Paul XXIII orientieren, das da lautet: Giovanni nimm dich nicht so wichtig."

    Er wolle entsprechend handeln. Deshalb werde er sich an Spekulationen um seinen möglichen Wechsel ans Bundesverfassungsgericht nicht beteiligen. Personalfragen seien ohnehin zweitrangig, so der Ministerpräsident.


    "Sie spielen auch deshalb keine Rolle, weil es zu Personalfragen nichts zu vermelden gibt. Der Sachstand ist ihnen bekannt, an diesem Stand hat sich nichts geändert und deshalb ist auch nichts Ergänzendes zu kommentieren."

    Sachstand ist, dass Peter Müller seit elf Jahren die saarländische Landesregierung führt. Fakt ist auch, dass der Wähler bei der Landtagswahl im August 2009 die lange mit absoluter Mehrheit regierende CDU abgestraft hat. Müllers Partei musste Verluste in Höhe von 13 Prozentpunkten einstecken. Er musste seine CDU in ein Bündnis mit Grünen und Liberalen führen. Zum Sachstand zählt auch, dass der Regierungschef dieses sogenannte Jamaika–Bündnis nicht als Liebesheirat, sondern als pure Zweckgemeinschaft empfindet. Und die so ungleiche politische Dreierkonstellation hat sein Bestreben, sich neuen Aufgaben zu widmen, noch verstärkt. Weil er keine Affinität zur Wirtschaft hat, will der studierte Jurist ans Bundesverfassungsgericht. Zumindest dementiert Müller diesen Wunsch nicht länger. Die Opposition reagiert nicht überrascht. Oskar Lafontaine Anfang der Woche auf dem Neujahrsempfang der Linken.

    "Ich hab’ ja hier schon einmal gesagt, das war prophetisch: Das Wandern ist des Müllers Lust. Also, es wird Zeit, dass er seine Rolle klärt."

    Dass Müller sich schnellstmöglich erklärt, ist nicht länger nur eine Forderung der Opposition. Sein grüner Koalitionspartner, der saarländische Landesvorsitzende Hubert Ulrich, hat ebenfalls darum gebeten, der Ministerpräsident möge seine Pläne öffentlich kundtun.

    "Ich würde mir wünschen, dass da in den nächsten Wochen Klarheit geschaffen wird. Das, glaube ich, ist auch notwendig gegenüber der saarländischen Öffentlichkeit. Die Christdemokraten müssen ja auch innerhalb ihrer eigenen Reihen eine gewisse Klarheit haben."

    Peter Müller schätzt die Lage anders ein. Er verspüre keinen Druck aus den eigenen Reihen.
    "Ich treffe jeden Tag jede Menge Parteifreunde, da ist keiner unruhig."

    Zwar ist das Jahr noch zu jung, als dass die Basis ausreichend Zeit gehabt hätte, die Personalie Müller zu diskutieren. Aber die CDU Ensdorf, die sich gestern zur Vorstandssitzung traf, teilt die Einschätzung ihres Parteivorsitzenden.

    "Peter Müller hat einen guten Job gemacht, wenn er nach Karlsruhe geht, gewinnen die was und wir verlieren was, aber wir denken, dass es genauso gut weiter geht."

    Die formalen Voraussetzungen, das Amt eines Verfassungsrichters zu bekleiden, erfüllt der Ministerpräsident. Vor seiner politischen Karriere war er Richter am Landgericht und augenblicklich führt er das Amt des saarländischen Justizministers in Personalunion. Darüber hinaus hat er offenbar bereits den Segen der Parteien. Und den braucht er auch: Da Verfassungsrichter von den Wahlausschüssen des Bundestages und des Bundesrates jeweils mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden müssen, verständigen sich die Parteispitzen auf einen gemeinsamen Personalvorschlag. Diese Hürde hat Müller scheinbar genommen. Offen ist nur noch der Zeitpunkt seines Wechsels. Gemunkelt wird, er gehe um Ostern, spätestens aber im Herbst. Für das Saarland heißt das: Es wären drei Ämter neu zu besetzen: Ministerpräsident, Parteivorsitzender und das Justizressort. Kein Problem sagt die Basis.

    "Er war eine Leitfigur, aber er hat auch fähige Nachfolger, insofern sehe ich der ganzen Sache optimistisch entgegen. Jeder ist ersetzbar. Ein Neuanfang bietet viele Risiken aber auch Chancen und von der Warte aus, bin ich mir sicher, dass die CDU-Saar das schaffen wird, ohne dass viele Probleme entstehen. Es ist genügend Personal in der CDU vorhanden, das die Lücke schließen kann, sodass kein Vakuum entstehen dürfte."

    Arbeitsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Innenminister Stefan Toscani stehen in den Startlöchern. Ein dritter Kandidat, Fraktionschef Klaus Meiser, nach Müller die stärkste Figur in der Saar-CDU, hat sich vorzeitig aus dem Rennen um das Amt des Ministerpräsidenten verabschiedet.

    "Ja, ich denke einmal, zunächst ist neben und hinter dem Ministerpräsidenten die wichtigste Position im Rahmen der Koalition für die CDU der Fraktionsvorsitz und ich mache dieses Amt sehr gern. Zum Zweiten, wenn Peter Müller wechselt, sollten wir einen Generationswechsel vornehmen, ich selbst bin ein Jahr älter als Müller. Und die Rolle, die ich dann weiter wahrnehmen möchte, ist die des Fraktionsvorsitzenden, anderen den Rücken frei zu halten und meine Erfahrung einzubringen."

    Den reibungslosesten Übergang verspricht Annegret Kramp-Karrenbauer. Seit wenigen Monaten ist sie Mitglied im Präsidium der Bundes-CDU und gilt als Müllers Wunschkandidatin. Für den Fall, dass beim internen Klärungsprozess, der kommende Woche mit einer Klausurtagung des CDU-Vorstandes eingeleitet wird, zwei Kandidaten für den Parteivorsitz übrig bleiben, wirbt die Junge Union für eine Mitgliederbefragung. Markus Uhl:

    "Wir haben gesagt, wir wollen mehr mit der Basis diskutieren und dann macht es auch Sinn, die Mitglieder zu befragen, wenn es um das Amt des Landesvorsitzenden geht, sofern es mehrere Kandidaten gibt."

    Sorgen, dass Müllers Abgang den Bestand der Jamaika-Koalition gefährden könnte, macht sich das Regierungsbündnis nicht. Nicht einmal die Opposition glaubt, davon profitieren zu können. Eugen Roth, stellvertretender SPD-Landesvorsitzender.

    "So wie ich das sehe, werden sie die Legislatur beenden, danach lösen wir sie dann ab."