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Nachhaltig ackern
Wie nachhaltig ist die konventionelle Landwirtschaft?

In einem Forschungsprojekt der Universität Göttingen haben Wissenschaftler herausgefunden, dass es zwischen der ökologischen und der konventionellen Landwirtschaft auch noch einen dritten Weg geben kann. Ein Landwirt in Groß Lengden im südlichen Landkreis Göttingen ist bereits darauf unterwegs.

Von Carolin Hoffrogge | 09.01.2015
    Heinrich Klingelhöfer ist Landwirt in dritter Generation, 340 Hektar bewirtschaftet der 52-Jährige im Landkreis Göttingen. Zuckerrüben, Raps, Gerste und Weizen.
    "Das ist unser Weizenlager. Sie sehen jetzt hier gerade Weizen, weil ich auf einen LKW warte, der den Weizen abholen will."
    Ob die konventionelle Landwirtschaft nachhaltig wirtschaftet, diese Frage stellt sich für Landwirt Heinrich Klingelhöfer erst gar nicht:
    "Die konventionelle Landwirtschaft ist sehr nachhaltig, da gibt es keinen Unterschied zu einem Biobetrieb. Wir Landwirte wollen ja nicht nur in diesem Jahr viel Weizen ernten, sondern nächstes Jahr auch und unsere Kinder wollen ja auch weiter wirtschaften und wenn wir da nicht nachhaltig ackern würden, das wäre ja das Aus für unsere Nachfolger."
    Konventionelle Landwirtschaft ist nachhaltig
    Der nächsten Generation den Boden so überlassen, dass er fruchtbar bleibt ist für Landwirt Klingelhöfer unabdingbar. Schließlich sollen seine 340 Hektar Zuckerrüben, Weizen, Raps und Gerste jedes Jahr aufs Neue guten Ertrag abwerfen.
    "Wenn ich beispielsweise daran denke, dass es Vorschriften gibt, ob sie jetzt quer zum Hang oder von oben nach unten pflügen müssen, das machen wir ja schon seit Jahrzehnten, das haben ja unsere Vorfahren auch schon gemacht. Die sehen schon zu, dass der Boden nicht wegschlemmt, deshalb machen wir beispielsweise auch viel Mulchsaat, da wo Raps hinkommt wird nicht gepflügt, sondern Mulchsaat gemacht. Die Rüben werden in Mulchsaat gelegt, damit es nicht abschlämmen kann und das sind alles Punkte, die zur Nachhaltigkeit beitragen. Mulchsaat heißt, dass das Stroh, meistens ist es Gerste oder Weizen, die Kultur, die dort vorher gewesen ist, wird nicht gepflügt, sondern gegrubbert."
    Mit seinem Grubber, also einem Gerät zum Lockern des Bodens, sorgt Heinrich Klingelhöfer für die Gesundheit seiner Äcker. Damit seine Landwirtschaft insgesamt nachhaltiger wird, nimmt er an diversen sogenannten Agrarumweltprogrammen der niedersächsischen Landesregierung teil:
    "Beispielsweise das Milan- Programm, wo wir Luzernegras gesät haben. Es muss einmal im Jahr gemäht werden. Der Milan ist eine aussterbende Rasse und es gibt hier in Südniedersachsen noch relativ viele Milane, die aber Schwierigkeiten Mäuse zu fangen, aber wenn die Fläche gemäht ist, können die schön Mäuse fangen. Wir machen außerdem Blühstreifen, da haben wir 20 Meter breite Streifen um die Flächen. Die Verbraucher werden das vielleicht schon gesehen haben, wenn da Sonnenblumen oder Phacelia, andere Blühpflanzen, die für Bienen eben auch oder Insekten allgemein gut sind, da wachsen."
    Zuschüsse und Auflagen
    Mittlerweile finden sich auf Klingelhöfers Äcker wieder Arten, die auf der Roten Liste stehen: zum Beispiel das Sommeradonisröschen, der Ackerrittersporn oder der Ackerhahnenfuß. Im Landkreis Göttingen nimmt der Landschaftspflegeverband die Landwirte an die Hand, berät sie, welche der dreißig niedersächsischen Agrarumweltprogramme für sie sinnvoll sind. Dabei reichen die Ausgleichszahlungen pro Hektar von 75 Euro für Zwischenfrüchte, die im Winter aufs Feld kommen über 540 Euro als Prämie für bunte Blühstreifen bis zu knapp 1.400 Euro für besondere Ackerwildkräuterprogramme. An all diesen Programmen müssen die Landwirte mindestens fünf Jahre teilnehmen. Hören sie früher auf, holt sich der Staat das Geld zurück.
    "Wir können das nicht einfach nur so machen, sondern es muss alles dokumentiert werden, aufgeschrieben werden. Es gibt da bestimmte Fristen, Blühstreifen müssen bis zum 15. April gesät werden. Sie müssen an so viele Dinge denken, dass sie da alles einhalten. Wenn da irgendwas nicht richtig ist, gibt es kein Geld."
    Reduzierter Einsatz von Chemikalien
    Nehmen die Landwirte an diesen Agrarumweltprogrammen teil, entwickelt sich der sogenannte Dritte Weg, sagt Professor Teja Tscharntke, Agrarökologe an der Universität Göttingen. Diesen dritten Weg hat Tscharntke gemeinsam mit seinem Team auf Feldern in Estland untersucht. Die Felder wurden im Rahmen von estländischen Agrarumweltmaßnahmen bewirtschaftet: 15 Prozent Hülsenfrüchte, dauerhafte Ackerrandstreifen, den Schutz wertvoller Landschaftselemente und einen reduzierten Einsatz von Chemikalien. Die Göttinger Agrarökologen zählten dann die Vielfalt der Pflanzen, aber auch die der Vögel und Hummeln.
    "Sowohl die Vögel als auch die Pflanzen erwiesen sich als im mittleren gefördert, nah schon an dem Bereich wie sie beim ökologischen Landbau stattfindet, was Pflanzenartenvielfalt und Vogelvielfalt anbelangt. Bei den Hummeln war es sogar so, dass der Mittelweg zwischen ökologischem und konventionellen Landbau zu einer ähnlich starken Förderung der Hummeln geführt hat. Es ist durchaus attraktiv zu nennen. Davon kann man lernen. Es kommt auf die Förderung solcher Agrarumweltprogramme an, weil der Verbraucher sich nachher schwertut, im Supermarkt an der Theke zu erkennen, ob der Anbau der Produkte, die er kauft mit besonderes umweltgerecht erfolgt ist. Das ist schwierig, weil wir bisher nur die Schwarz-weiß - Situation haben, zwischen ökologischem und konventionellen Landbau.
    Da viele Landwirte langwierige Umstellungsprozesse auf den Ökolandbau scheuen, so Wissenschaftler Tscharntke, seien die Agrarumweltprogramme ideal, die konventionelle Landwirtschaft hierzulande zu "begrünen" - für mehr Artenschutz und Bodengesundheit.