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Nachhaltige Tomaten aus den Niederlanden

Partnerland der diesjährigen Grünen Woche sind die Niederlande, die selbstbewusst auftreten als ein Agrarland, das auf vollen Geschmack und Umweltfreundlichkeit setzt - und dabei ausgeklügelte Methoden verwendet - jedenfalls beim Treibhausanbau. In anderen Bereichen gibt es noch Defizite.

Von Kerstin Schweighöfer | 18.01.2013
    Ein Treibhaus so groß wie vier Fußballfelder - und rechts und links ein Urwald aus mehr als zwei Meter hohen Tomatenstauden. Annamay heißt die Sorte, die hier bei Sunny Tom in Venlo geerntet wird, jedes Jahr sind es mehr als 3,5 Millionen Kilogramm, erzählt der technische Leiter dieses Mega-Treibhauses Ronald Arts:

    "Diese Sorte ist voller Geschmack, die Zeiten, dass man uns vorwerfen konnte, Wasserbomben zu produzieren, sind längst vorbei! 95 Prozent unserer Tomaten werden nach Deutschland exportiert, dort ist man bereit, für mehr Geschmack auch mehr zu bezahlen. Niederländische Hausfrauen sind noch nicht so weit!"

    Und Annamay ist nicht nur besonders geschmackvoll, sondern obendrein sehr umweltfreundlich. Nur noch ein Schimmelbekämpfungsmittel muss eingesetzt werden, ansonsten kann sie biologisch heranreifen, unter nachhaltigen Umständen. Wir haben einen Wärmetauscher, erklärt Ronald Arts:

    "Im Sommer kühlen wir das Treibhaus mit Grundwasser aus 90 Meter Tiefe. Gleichzeitig speichern wir dort überschüssige Wärme. Das Grundwasser, das auf diese Weise erwärmt wird, pumpen wir im Winter nach oben und beheizen das Treibhaus damit."

    Auf diese Weise kann das Venloer Unternehmen gut 35 Prozent an Energie einsparen. Und weil die Temperaturen im Treibhaus nun viel konstanter gehalten werden können, gedeihen die Tomaten besser – die Ernte fällt zehn Prozent höher aus.

    Durch die Kühlung mit Grundwasser im Sommer müssen die Fenster kaum noch geöffnet werden, um Hitze abzuführen. Das Treibhaus ist ein nahezu geschlossenes System geworden, wodurch der CO2-Ausstoss um 30 Prozent gesenkt werden konnte.

    Und damit nicht genug: Dieses Megatreibhaus mit seinen 9000 Quadratmetern produziert soviel überschüssige Wärme, dass damit auch noch ein Altenpflegeheim auf der anderen Seite der Straße beheizt werden kann:

    "So etwas ist bislang noch eine Ausnahme, denn die meisten Treibhäuser liegen isoliert und weit außerhalb. Aber in Zukunft werden sie in städtische Gebiete zurückkehren, dann kann ihre Restwärme nicht nur von einzelnen Haushalten, sondern von ganzen Stadtvierteln benutzt werden!"

    So wie Sunny Tom steigen immer mehr Treibhausgärtner in den Niederlanden auf umweltfreundliche, nachhaltige Methoden um – sehr zur Freude der Umweltschützer, denn immerhin sind 10.00 Hektar niederländischer Boden mit Treibhäusern bedeckt. Darin wachsen vor allem Paprika, Gurken und Tomaten heran. Sie machen das kleine Land am Rheindelta zusammen mit den Franzosen und Amerikanern zu einem der drei führenden Gemüseproduktionsländer der Welt.
    Der Anteil des biologischen Anbaus allerdings liegt in den Niederlanden nur bei rund drei Prozent; der Marktanteil der Bioprodukte sogar nur bei zwei Prozent.

    Die niederländischen Ackerbauern gehören im Gegensatz zu den Treibhausgärtnern in Sachen Umweltschutz zu den Sorgenkindern.
    Das gilt auch für die Blumenzwiebelzüchter, die 65 Prozent aller Blumenzwiebeln produzieren. Damit sind sie Weltmeister. Doch das hat seinen Preis: Auf einem niederländischen Blumenzwiebelfeld landen gut 70 Kilogramm Chemie pro Hektar - fast 18 Mal mehr als auf einem EU-Durchschnittsacker, schimpft Umweltschützer Ton Gerards von der Noordhollandse Milieufederatie:

    ""Die Tulpen und die Zwiebeln werden als ein Stück Natur verkauft, doch mit Natur hat das nicht mehr viel zu tun!”"