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Nachlese NRW-Wahl
Mustergültig oder doch begrenzt aussagekräftig?

Freudentaumel bei der CDU nach dem Machtwechsel in NRW, gilt doch die Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland als "kleine Bundestagswahl". Während FDP-Parteichef Christian Lindner sich für Berlin positioniert, herrscht bei der SPD noch Entsetzen. Die Grünen wollen offensiv um Platz Drei kämpfen. Die Suche nach der Erfolgsformel für die Wahl im September hat begonnen.

Von Klaus Remme, Barbara Roth und Barbara Schmidt-Mattern | 15.05.2017
    Der Spitzenkandidat der CDU, Armin Laschet, freut sich am 14.05.2017 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) über das Wahlergebnis auf der CDU-Wahlparty.
    Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet freut sich über das Wahlergebnis. Jetzt wird über die Signalwirkung für die Bundestagswahl am 24. September spekuliert. (dpa/Oliver Berg)
    Hannelore Kraft: "Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freude, das ist kein guter Tag für die Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen."
    Armin Laschet: "Liebe Freunde, heute ist ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen."
    Jubel bei der CDU – sie ist stärkste Kraft in Nordrhein-Westfalen und wird den Ministerpräsidenten stellen, das ist ihr seit Ende der 1960er Jahre nur einmal gelungen. Katzenjammer bei der SPD – Rot-Grün ist abgewählt und Hannelore Kraft von allen Parteiämtern zurückgetreten. Die Sozialdemokraten haben in ihrem Stammland die Macht verloren – mit ihrem historisch schlechtesten Ergebnis. Weil die Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland der letzte große Stimmungstest vor der Bundestagswahl in 19 Wochen war, ist SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz hörbar geknickt:
    "Wir gewinnen gemeinsam, wir verlieren gemeinsam. Und das ist ein harter Tag für die Sozialdemokraten. Das ist ein Tag, der sicher dazu beitragen wird, dass wir nachdenken müssen, was wir hier in Berlin ändern müssen."
    Drei Niederlagen in Folge für die SPD
    Schlimmer hätte es für Martin Schulz nicht kommen können: Das Saarland, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen - drei Niederlagen in Folge für die SPD, zwei Ministerpräsidenten-Posten verloren. Gut vier Monate vor der Bundestagswahl ist der Schulz-Hype völlig verpufft. Der Hoffnungsträger der Sozialdemokratie scheint entzaubert. Martin Schulz weiß, dass er nun inhaltlich liefern muss. Ob aber die SPD noch genügend Energie für den Bundestagswahlkampf aufbringen kann? Der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker ist skeptisch. Schulz müsse schnellstens seine Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit konkretisieren – und zwar deutlich vor dem Programmparteitag der SPD Ende Juni:
    "Damit verbindet sich natürlich die Frage, wie man die Parteipolitik inhaltlich ausrichtet. Blinkt man eher nach links? Damit möglicherweise Wähler in der politischen Mitte verschreckend, die man ja erreichen muss. Oder buhlt man mehr um die Wähler der Mitte? Dann wird man aber einen Gerechtigkeitswahlkampf nicht wirklich betreiben können in einer vergleichsweise guten ökonomischen Situation. Denn dann würde man gerade die Wähler möglicherweise verprellen mit Umverteilungsmaßnahmen, die man in erster Linie erreichen will."
    Signale für die Bundestagswahl am 24. September
    Die SPD in einer scheinbar aussichtslosen Situation. Die Signale für die Bundestagswahl am 24. September sind nicht weg zu diskutieren: Als Juniorpartner in der Großen Koalition kann sie sich gegen die Union einfach nicht profilieren. Für Rot-Grün allerdings wird es im Bund nicht reichen. Nicht mal für Rot-Rot-Grün, also eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken, finden sich in den Umfragen Mehrheiten. Im Gegenteil – von der Angst vor einer Koalition links der Mitte, das zeigen die drei Landtagswahlen deutlich – profitieren die FDP unter Christian Lindner und vor allem Merkels CDU.
    "Wir sind uns sehr bewusst, dass wir die Herausforderungen des Bundestagswahlkampfes wie wir das jetzt in den drei Landtagswahlkämpfen gemacht haben. Nämlich gemeinsam im Sinne des Geistes einer großen Volkspartei."
    "Von Merkel-Müdigkeit nichts zu spüren"
    Diesen Fingerzeig an ihre Kritiker aus den eigenen Reihen will sich Angela Merkel nicht verkneifen. Statt Schulz-Effekt Merkel-Schub. Die CDU-Vorsitzende geht gestärkt in den Bundestagswahlkampf. Von einer angeblichen Merkel-Müdigkeit – in den eigenen Reihen von manchem heraufbeschworen – ist nichts zu spüren. Die unionsinterne Kritik an ihr ist verstummt - nachdem mit Armin Laschet, Daniel Günther und Annegret Kramp-Karrenbauer drei loyale Unterstützer der Flüchtlingskanzlerin Wahlen gewonnen haben. Selbst ihr schärfster Kritiker, CSU-Parteichef Horst Seehofer, stellte seine monatelang Attacken gegen die CDU-Vorsitzende ein.
    "Die Union hat Rückenwind bekommen durch Angela Merkel. Merkel ist heute ein Stabilitätsanker – so wird sie wahrgenommen – in der Europäischen Politik. Und ich glaube, das verfängt in der Wählerschaft. Das ist ein großes Pfund, mit dem die Union wuchern kann."
    Linke und AfD: Hochburgen in den neuen Bundesländern
    Derweil sind die Parlamente in Deutschland bunter geworden. Das liegt vor allem an den Rechtspopulisten der Alternative für Deutschland, die in Nordrhein-Westfalen den Sprung in das mittlerweile 13. Landesparlament geschafft haben. Zwar schneidet die AfD nicht mehr zweistellig ab - wie noch bei den Wahlen im vergangenen Jahr, aber auch ihr Einzug in den Bundestag gilt als sicher. Dass sich dort nach dem 24. September auch die Linke wiederfindet, stellt der Politikwissenschaftler Decker nicht in Frage:
    "Und das hängt damit zusammen, dass sowohl die Linke als auch die AfD im Bundesdurchschnitt vielleicht stärker sind als in den Ländern der alten Bundesrepublik, weil ihre Hochburgen in den neuen Bundesländern liegen. Also insofern halte ich es für wahrscheinlich, dass es im Bund Dreierkoalitionen geben muss, wenn man die Große Koalition loswerden will. Und das sind dann Koalitionen über die Lagergrenzen hinweg. Und deshalb sind sie politisch schwierig."
    Decker: "Koalitionen über die Lagergrenzen hinweg"
    Aber nicht unmöglich, wie ein Blick in vier Bundesländer zeigt: In Rheinland-Pfalz haben SPD, Grüne und FDP eine Ampel-Koalition gebildet. In Sachsen-Anhalt hält sich eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen an der Macht. In Thüringen und Berlin regieren rot-rot-grüne Bündnisse. Und in Schleswig-Holstein ist eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen am wahrscheinlichsten.
    Wäre die Linke nicht knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, wäre auch der Düsseldorfer Landtag ein Sechs-Parteien-Parlament. Statt über eine Große Koalition mit der SPD oder Schwarz-Gelb mit der FDP müsste der künftige CDU-Ministerpräsident Armin Laschet mit FDP und Grünen über ein Dreierbündnis reden. Was in Nordrhein-Westfalen nun doch nicht nötig ist, ist für den Bund umso wahrscheinlich: Die wieder erstarkten Liberale und die schwächelnde Grünen als Königsmacher.
    Historischer Sieg für die Liberalen in NRW
    Gestern, 18 Uhr, in der FDP-Parteizentrale in Berlin. Begeisterung angesichts der ersten Zahlen, die im Laufe des Abends noch ein paar Zehntel hinterm Komma besser wurden und einen historischen Sieg für die Liberalen in Nordrhein-Westfalen bedeuten. Die FDP hat einen Lauf und der Hauptverantwortliche dafür war natürlich nicht in der Hauptstadt, sondern in Düsseldorf. Nur wenige Minuten nach der ersten Hochrechnung kommentierte Christian Lindner das Ergebnis seiner Partei so:
    "Wenn eine kleinere Partei so stark an Gewicht gewinnt, dann wächst auch ihre Verantwortung. Das Ergebnis des heutigen Abends ist nicht eine Belohnung, es ist für uns ein Auftrag, genau so weiter zu machen wie in den vergangenen Jahren."
    Christian Lindner ist nach vier Jahren fast am Ziel und deshalb bremst er jede voreilige Euphorie. Unmittelbar nach dem Schock 2013, als die FDP aus dem Bundestag flog, übernahm er die Regie, formierte als Vorsitzender eine Parteiführung, die seitdem geschlossen agiert, und verortete die Liberalen auch in der – durch die bundespolitische Brille gesehen – außerparlamentarischen Opposition fest in der Mitte des politischen Spektrums. "Erneuerung aus den Ländern heraus", das war und ist seitdem seine Strategie.
    Lindner: "Wie man es macht, führt es zu Problemen"
    Montagvormittag in der Bundespressekonferenz, die AfD hat das Ergebnis gerade aus ihrer Warte kommentiert, jetzt ist die FDP dran. Auch jetzt verkneift sich Christian Lindner jede Häme etwa über das klägliche Abschneiden der Grünen. Zum eigenen Erfolg sagt er:
    "Das Ergebnis ist so gut, dass es jetzt nicht ganz leicht ist, mit ihm richtig umzugehen, denn wenn man die Eigenständigkeit der FDP betont, dann wird sofort wieder gesagt, da schau mal her, wie treten die auf, wie arrogant, betont man die Eigenständigkeit der FDP nicht, sondern hält sich an die, ja auch in unserer bundespolitischen Lage angebrachte Demut, dann heißt es, ach schau mal, jetzt treten sie ganz bescheiden auf, weil die Dienstwagenschlüssel in Reichweite sind, also, wie man es macht, führt es zu Problemen."
    Profiteure der Wählerwanderung
    Probleme, die manch andere Partei gerne hätte, am Tag danach. Schaut Lindner auf die Wählerwanderung, dann sieht er Beweise dafür, dass sich das Bild der FDP geändert hat, weil die Partei eine andere als noch vor Jahren ist. Das alte System kommunizierender Röhren zwischen Union und FDP gibt es nicht mehr, sagt er und verweist auf die NRW-Daten: 380.000 Stimmen mehr als vor vier Jahren. 160.000 kamen von der SPD, 50.000 von der CDU, 30.000 von den Grünen, 90.000 von früheren Nichtwählern. Auf dem Parteitag vor zwei Wochen sagte er über neue Parteimitglieder, was auch für die Neuwähler gestern Abend gelte:
    "Diese Menschen kommen nicht zu uns, weil sie uns als Beiboot oder Mehrheitsbeschaffer einer anderen Partei sehen, diese Menschen teilen unser Lebensgefühl, diese Menschen sind von unseren Projekten begeistert und deshalb werden wir unsere Neumitglieder nicht enttäuschen. In die Wahlen dieses Jahres gehen wir ohne Koalitionsaussage, weil wir für unsere Eigenständigkeit werden und nicht für eine andere Partei."
    Kubicki: "Wer eine zukunftsorientierte Politik will, muss FDP wählen"
    Keine Frage, der aktuelle Wahlkalender bringt Rückenwind für die FDP. Doch vor vier Jahren sah dies ganz anders aus. Als das Projekt "Wiederbelebung" in den Anfängen steckte, da waren im Kalender mit der Europawahl und mehreren ostdeutschen Bundesländern weitere Niederlagen programmiert. Erst danach, ab 2015 mit den Entscheidungen in Hamburg und Bremen hellte sich die Stimmung auf. Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg kamen hinzu und nach den letzten zwei Wochen sieht man sich wieder im Geschäft. Eigenständigkeit, darunter versteht die FDP, mögliche Regierungsbeteiligungen von Fall zu Fall zu entscheiden. Und mit Blick auf den 24. September, gilt das, was Partei-Vize Wolfgang Kubicki in der vergangenen Woche gesagt hat:
    "Wer will, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt, soll CDU wählen, wer will, dass Martin Schulz Kanzler wird, soll SPD wählen. Wer eine vernünftige, zukunftsorientierte Politik will, der muss Freie Demokraten wählen."
    Lindner: Koalitionen sind "begründungspflichtig"
    Mal mit den Sozis, mal mit der Union, mal Opposition, das ist die neue Normalität, so wie Christian Lindner sie sieht – auch für den Bund. Natürlich sei man auch in NRW bereit, Verantwortung zu übernehmen, so Lindner, aber eine Frage sei immer zentral:
    "Sind die Projekte, die wir umsetzen können, so gut verhandelt, dass wir auf jedem Marktplatz, in jeder Facebook Kommentarspalte begründen können, warum wir in diese Koalition eingetreten sind oder begründen können, weil wir es nicht getan haben, denn beides ist ja begründungspflichtig."
    Wer das bereits verabschiedete Wahlprogramm der FDP nach Hinweisen auf einen natürlichen Koalitionspartner durchsucht, der wird enttäuscht. Kurz vor der Bundestagswahl wollen die Liberalen zehn konkrete Projekte formulieren, die sie in möglichen Verhandlungen auf Bundesebene durchsetzen wollen. Eines ist sicher: Auch wenn er mögliche Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf noch führen will, Lindner ist auf dem Absprung nach Berlin.
    "In jedem Fall ziehe ich es vor, einflussloser Abgeordneter der Opposition im Bundestag zu sein als stellvertretender Ministerpräsident in Düsseldorf, um es jetzt mal auf diesen ganz harten Punkt zu bringen und wissen sie warum: Weil das 2013 meine Zusage an meine Partei und all diejenigen gewesen ist, die sich ein Comeback der FDP auf Bundesebene wünschen."
    Christian Lindner, Gesicht und Stimme einer erneuerten FDP, der mit dem Vorwurf lebt, es handle sich bei dieser Erneuerung vor allem um eine One-Man-Show. Er tut selbst nicht sonderlich viel, um diesem Eindruck entgegenzuwirken. Während die AfD heute mit gleich fünf Vertretern das Ergebnis deutete, kam Lindner: Allein!
    Özdemir: "Nicht im Wochenrhythmus unsere Strategie ändern"
    Szenenwechsel - Grüner Jubel am vorvergangenen Sonntag an der Kieler Förde: Fast 13 Prozent Stimmenanteil hat die Ökopartei bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 7. Mai erlangt – mehr als doppelt so viel, verglichen mit den Umfrage-Werten der Bundespartei.
    Doch schon in den folgenden zwei Stunden nach der ersten Prognose legt sich manche Stirn in Falten auf der Grünen-Wahlparty in Kiel. Denn die so genannte Küsten-Koalition aus SPD, Grünen und SSW hat ihre Mehrheit verloren. Um an der Macht zu bleiben, müssen die Grünen nun entweder ein Ampel-Bündnis mit der SPD eingehen oder eine Jamaika-Koalition unter Führung der CDU. In beiden Fällen ist klar: Für Grüne und FDP geht es nur miteinander oder gar nicht. Das heißt: Opposition. Bundesparteichef Cem Özdemir stellt in puncto Koalitionsaussagen sofort um kurz nach 18 Uhr fest: Land ist Land, und Bund ist Bund:
    "Wir fühlen uns eigentlich bestätigt in unserem Kurs der Eigenständigkeit, dass wir sagen, wir schielen nicht nach Umfragen. Wir werden da jetzt nicht im Wochenrhythmus quasi unsere Strategie ändern. Das ist nachgerade absurd."
    Da ahnt er vielleicht bereits die drohende Niederlage der Grünen bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Und genau so kommt es: Trotz deutlich gestiegener Wahlbeteiligung sackt die Partei im bevölkerungsreichsten Bundesland ab auf nur noch 6,4 Prozent. Tief im Westen können sich Grüne und FDP nicht ausstehen. Deshalb haben sie ein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP an Rhein und Ruhr schon vor der Wahl ausgeschlossen. Michael Kellner, der Bundesgeschäftsführer der Grünen, ist darüber eher erleichtert:
    "Dieser Weckruf hat sicherlich sehr zum Kämpfen beigetragen und dazu geführt, dass wir wieder in den Landtag eingezogen sind. Es hätte möglicherweise sonst auch anders aussehen können…"
    "Grüne Eigenständigkeit bleibt bestehen"
    Kellner zählt zum linken Parteiflügel und ist oberster Wahlkampf-Stratege der Grünen. Gemeinsam mit den Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, liegt es jetzt in seiner Hand, das Ruder herumzureißen und die Grünen aus dem Umfrage-Tief der vergangenen Monate heraus zu führen. Noch am Wahlabend bringt Michael Kellner deshalb zwei Botschaften unters Volk. Erstens: Die grüne Eigenständigkeit bei Themen und Koalitionsfragen bleibt bestehen. Zweitens: Ein schärferes grünes Parteiprofil tut dringend not.
    "Was ich heute Abend sagen würde: Ja, ich hab verstanden. Ich habe verstanden, dass wir klarer und deutlicher werden müssen."
    Und zwar vor allem bei den Kernthemen: Ökologie, Klimaschutz, Kohleausstieg, Elektro-Mobilität, soziale Gerechtigkeit…
    "Das wird die Aufgabe der nächsten Wochen sein und auch Richtung Bundesparteitag."
    Grüne: "Um Platz Drei offensiv kämpfen"
    Dort wollen die Grünen Mitte Juni ihr Programm für die Bundestagswahl beschließen. Der Erwartungsdruck vor diesem Parteitag ist riesig. Denn das Spitzenduo steht vor der doppelten Herausforderung, sich von seinen Mitbewerbern abzugrenzen, zugleich aber keine Türen für künftige Koalitionsgespräche zuzuschlagen. Und noch eines kommt hinzu: Nach den Landtagswahlen liegt die Ökopartei jetzt in direktem Wettbewerb mit der FDP.
    "Bei Platz Eins geht’s um die Frage, wer den Kanzler oder die Kanzlerin stellt. Bei Platz Drei geht’s um die Frage, ob wir weiterhin darauf setzen, dass die Ziele von Paris in Sachen Klimaschutz auch in nationale Politik umgesetzt werden. Wir wollen diesen Kampf um Platz Drei offensiv kämpfen…"
    … und Ökologie und Ökonomie miteinander versöhnen – diesen Vorsatz betonen Özdemir und auch Katrin Göring-Eckardt immer wieder. Zweites Thema: Innere Sicherheit. Hier ziehen die Grünen am Tag Eins nach der NRW-Wahl Lehren aus der Kölner Silvesternacht:
    "Wir haben gelernt, dass die Sicherheitsfrage eine große Rolle gespielt hat. Dass wir das nicht zum Kernthema unseres Wahlkampfes machen, liegt auf der Hand. Aber dass wir es auch nicht ignorieren, wenn es um Frauenrechte geht, dann gehört das für uns natürlich selbstverständlich mit dazu."
    Hoffnungen auf Habeck und Kretschmann
    Die Grünen werden vorerst weiter den Spagat üben müssen: Sie wollen eigenständig und bündnisfähig in einem bleiben. Nach vier Jahren Opposition tun sich die Bundesgrünen damit bisher erkennbar schwer.
    Umso stärker richten sich die Hoffnungen jetzt auf die beiden Wahlsieger im Norden, und im Südwesten: Robert Habeck und Winfried Kretschmann. Beide sollen im Bundestagswahlkampf eine stärkere Rolle übernehmen. Was das genau heißen wird, darüber wird im Moment noch diskutiert. Habeck und Kretschmann schätzen sich, sie stehen beide für einen pragmatischen Kurs. Soll heißen: Sie zeigen sich grundsätzlich gesprächsfähig. Robert Habeck:
    "Die Botschaften sind immer nur die Träger von Emotionen. Und nur, wenn beides zusammenpasst, funktioniert ein Wahlkampf. Wer hat was vor? Und all die kleinen Unterpunkte, das ist alles nur dann interessant, wenn es verbunden wird mit einer Idee von Gesellschaft: Wo kommen wir her, wo wollen wir hin?" Winfried Kretschmann:
    "Ich denke, wenn wir beide gut arbeiten, ordentlich regieren, dass die Menschen zufrieden sind, so wie jetzt, dann bin ich sicher, werden beide Seiten zum Schluss davon profitieren."