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Nachlese zu der Landtagswahl in Bremen

Das war schon ein überraschend hoher Wahlsieg, den die SPD gestern bei der Landtagswahl im kleinsten Bundesland, in der Freien Hansestadt Bremen, verbuchen konnte: 42,3 Prozent - nur 0,3 Punkte weniger als vor vier Jahren. Und dies bei einem bundesweiten Negativtrend für die SPD. Die Sozialdemokraten bleiben auch nach 56 Jahren stärkste Partei im kleinsten Bundesland. Ein Verdienst vor allem des SPD-Spitzenkandidaten Henning Scherf, und ein Sieg für die Große Koalition in Bremen, auch wenn die CDU arge Verluste von 7,2 Prozentpunkten hinnehmen musste, jetzt bei 29,9 Prozent liegt. Anders als bei den letzten Landtagswahlen Anfang Februar in Hessen und Niedersachsen war es gestern in Bremen keine Denkzettel-Wahl für Bundeskanzler Gerhard Schröder und die rot-grüne Koalition. So jedenfalls sieht es Dieter Roth von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen:

Gode Japs, Folkert Lenz und Martin Steinhage | 26.05.2003
    Das war schon ein überraschend hoher Wahlsieg, den die SPD gestern bei der Landtagswahl im kleinsten Bundesland, in der Freien Hansestadt Bremen, verbuchen konnte: 42,3 Prozent - nur 0,3 Punkte weniger als vor vier Jahren. Und dies bei einem bundesweiten Negativtrend für die SPD. Die Sozialdemokraten bleiben auch nach 56 Jahren stärkste Partei im kleinsten Bundesland. Ein Verdienst vor allem des SPD-Spitzenkandidaten Henning Scherf, und ein Sieg für die Große Koalition in Bremen, auch wenn die CDU arge Verluste von 7,2 Prozentpunkten hinnehmen musste, jetzt bei 29,9 Prozent liegt. Anders als bei den letzten Landtagswahlen Anfang Februar in Hessen und Niedersachsen war es gestern in Bremen keine Denkzettel-Wahl für Bundeskanzler Gerhard Schröder und die rot-grüne Koalition. So jedenfalls sieht es Dieter Roth von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen:

    Die Bremer Wahl wurde von den Bremern als eine Abstimmung über die Verhältnisse in ihrem Land gesehen, in Bremerhaven und in Bremen. Ich glaube, dass dieses wirklich ein kommunales Ereignis war. Und das wurde sehr deutlich auch unterstützt von den Politikern selber, also insbesondere von Henning Scherf, der ja die Bundespolitik ganz draußen haben wollte.

    Und das gelang ihm, aber auch der CDU. Beide großen Parteien konnten sich diesmal von Bundeseinflüssen absetzen. Für eine deutliche Mehrheit von 65 Prozent war die Landespolitik bei der Stimmabgabe wichtiger als die Politik im Bund. Hiervon profitierten vor allem die Bremer Sozialdemokraten. Eine kluge Strategie, meint Dieter Roth ....

    ... denn der Einfluss der Bundespolitik wäre nur negativ gewesen. Wir wissen, dass die Bremer auch ganz ähnlich wie die Bundesbürger insgesamt die Politik in Berlin , das heißt die Regierungsleistungen dort, nicht sehr positiv beurteilen. Aber sie hatten ein relativ positives Urteil über die SPD-Leistung in diesem Senat, in dieser großen Koalition.

    Die Bremer wollten die Fortführung der Großen Koalition. 59 Prozent aller Wähler plädieren für die Neuauflage von Rot-Schwarz an der Weser. 33 Prozent der Wähler - und fast die Hälfte der SPD-Anhänger - halten dagegen Rot-Grün für besser. Aber - unterm Strich - heißt das:

    Diese Große Koalition wurde als die bessere Alternative angesehen zu einer Veränderung. Man glaubt immer noch daran - und das ist ja einmalig in der Bundesrepublik - , dass eine Große Koalition über so lange Zeit besteht, dass die Große Koalition Bremen helfen.

    Und Henning Scherf wird dafür sorgen, dass diese Große Koalition in Bremen fortgeführt wird. Noch in dieser Woche sollen die Verhandlungen mit der CDU aufgenommen werden. Henning Scherf, das ist der eigentliche Gewinner vom gestrigen Sonntag. Er hat - wie Dieter Roth versichert - einen "ganz großen Anteil" am Wahlsieg der SPD:

    Henning Scherf ist nicht nur populär, sondern was seine Zahlen, die wir hier gemessen haben, angeht, dann schlägt er fast alles, was in der Bundesrepublik je passiert ist. Also, dieser Bürgermeister hat hohe, hohe Sympathien. Aber nicht nur das. Er wird für glaubwürdig angesehen, für entscheidungsstark, bürgernah angesehen, in einem Ausmaß, wie wir es nie gemessen haben. Und insofern wollten die Bremer und Bremerhavener diesen Bürgermeister als ihren Landeschef.

    Henning Scherf hat einen Großteil der Wähler, die 1999 zur CDU gegangen sind, zurückgewonnen für die SPD. Aber er hat auch Wähler abgeben müssen, wie Dieter Roth weiß:

    Viele jüngere Wähler sind zu den Grünen gegangen. Die SPD hat da dicke Verluste. Aber bei den älteren Wählern, insbesondere bei den über 60-jährigen, da gibt es Bewegung zu Gunsten der SPD, und da hat Scherf sicherlich eine große Rolle gespielt - insbesondere bei den Frauen und zu Lasten der CDU, die doch sehr stark sind. Also das sind Größenordnungen, die wir nicht sehr oft beobachten.

    Wer ist jener gradlinige Politiker der SPD, von dem man in den letzten Jahren außerhalb der Bremer Stadtgrenzen nur wenig gehört hat. Über das Phänomen Scherf ein Beitrag von unserem Bremer Landeskorrespondenten Folkert Lenz:

    Als "Omaknutscher" wird Henning Scherf bisweilen in Bremen bezeichnet - wegen seiner demonstrativen Bürgernähe und seiner Distanzlosigkeit, die sich häufig auch in körperlichen Übergriffen ausdrückt. Freundlich gemeinten, natürlich. Auch der Titel "Umarmer" ist nicht nur spöttisch zu verstehen, sondern oft auch liebevoll. Die Bremer mögen ihren Bürgermeister - vor allem, wenn sie schon das Seniorenalter erreicht haben. Das rechnete heute bei der Wahlanalyse der Leiter des Statistischen Landesamtes in Bremen, Jürgen Dinse, vor. Als Mensch der Mensch der Zahlen kleidete er das allerdings in trockenere Worte:

    Noch in den 70er Jahren war das so, dass das Altersprofil der SPD-Wähler so ging: Also hier sind die Jungen, und da sind die Alten, und dann ging das so runter... Und das hat sich jetzt eben sehr verändert. Dass aber der höchste Stimmenanteil eben bei den über 60-Jährigen ist - ob das jetzt ein ganz besonderer Scherf-Effekt ist, das kann man vermuten.

    Die Sympathiewerte bei der älteren Generation - sie allein können nicht erklären, warum die bremische SPD den ersten Sieg für die Sozialdemokratie bei einer Wahl in Deutschland in diesem Jahr erringen konnte - nach drei Schlappen in Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Zugelegt hat die SPD vor allem im Citybereich und in bürgerlichen Quartieren des Zwei-Städte-Landes. Auch hier scheint der "Faktor Scherf" zum Tragen gekommen zu sein. Die offene Art des Regierungschefs, wie er sie nicht nur im Wahlkampf zeigt, wird als ehrlich und unaufgesetzt empfunden:

    Das ist aber nett, dass ihr hier stehen bleibt und euch mal erkundigt, was hier Sache ist. Geht ihr noch zur Schule ihr beiden?" - "Ja, ich will jetzt ne Ausbildung machen und ich hab mich mal vorgestellt" - "Und du?" - "Ich bin in der zwölften Klasse..." - "Zwölfte Klasse? Abi machen ist richtig, Studieren ist richtig.

    Für solche Auftritte ist der "Lange aus dem Rathaus" - wie er sich gerne selber nennt - bekannt. Und das nicht nur in Vorwahlzeiten. Henning Scherf gilt als Politiker zum Anfassen. Seine Popularitätswerte bezeichnen Demoskopen als "außergewöhnlich". Fast 70 Prozent aller Bremer und Bremerhavener hätten ihn zum Bürgermeister bestimmt - wenn eine Direktwahl im Bundesland denn möglich gewesen wäre. Klar, dass die Sozialdemokraten bei der Werbung um Stimmen das Aushängeschild "Henning" bis zum Anschlag verwendeten:

    Ich zeige immer den Langen, wie er auf dem Fahrrad sitzt nach oben. Das macht das Herz der Wählerinnen und Wähler warm. Und dann nehmen sie mir immer gerne die Broschüren ab.

    Auch die Union setzte auf das Zugpferd der Sozialdemokraten. "Wer Scherf will, muss CDU wählen" - hieß es zum Beispiel auf Werbepostkarten des Parteinachwuchses. So sollte der Fürsprecher der großen Koalition vereinnahmt werden. Doch die Strategie, von den hohen Sympathiewerten des Regierungschefs profitieren zu wollen, verkehrte sich für die Bremer CDU ins Gegenteil. Wohl zu viele Unionsanhänger dachten taktisch und machten ihr Kreuz bei der SPD und Henning Scherf, der als Garant für eine Fortsetzung von Rot-Schwarz galt. Deswegen musste die Union kräftig Federn lassen, wie Spitzenkandidat Hartmut Perschau in einer selbstkritischen Analyse feststellte.

    Ich habe ganz viele Leute getroffen, die mir gesagt haben: Lieber Herr Perschau, wir mögen Sie ja alle, aber bei Ihnen ist es doch wirklich egal, ob Sie nun erster oder zweiter Bürgermeister sind. Wenn Henning Scherf zurück tritt und wir kriegen dann Rot-Grün, das ist doch eine Katastrophe für Bremen. Und so hat es auch aus unserem Wählerpotenzial Angstwähler gegeben, die aus Angst davor, dass Rot-Grün kommt, gesagt haben, dann wählen wir lieber die sichere Seite: Henning Scherf.

    Das Phänomen Scherf: Es war also nicht die SPD, sondern allein König Henning, der gestern einen Sieg einfuhr. Am Sockel seines Thrones mag nun auch niemand mehr rütteln. Selbst die letzten Parteilinken, die daran geglaubt hatten, dass es irgend wie ja doch noch etwas mit Rot-Grün werden könnte, haben ihre Avancen gestern Abend begraben. Mit seinem Erfolg hat Scherf genau ins Schwarze getroffen - und nirgend wo anders hin. Das mussten nun auch die verbliebenen Kritiker an der Basis einsehen.

    Auf jeden Fall sollte die große Koalition weiter geführt werden. Wir haben in den letzten Jahren hier einiges geschafft. Und wenn man sieht, was Henning Scherf für Probleme hatte in den ersten Jahren mit den Grünen, dann kann ich das ganz gut verstehen, dass er ganz gerne mit der CDU weiter arbeiten will." - "Henning Scherfs Aussage steht für Rot-Schwarz. Und ich glaube nicht, dass es ernst zu nehmende Kräfte gibt, die den Denkmalsturz betreiben.

    Soweit der Beitrag von Folkert Lenz. Wir machen weiter mit der Wahlanalyse. Interessant die unterschiedliche Bewertung der beiden großen Bundes- und Landesparteien. Auf einer von der Forschungsgruppe Wahlen vorgegebenen Skala von plus fünf bis minus fünf schneidet die Bremer SPD mit der Note 1,6 deutlich besser ab als die Bundes-SPD, die zur Zeit mit 0,1 bewertet wird. Auch die CDU wird an der Weser mit 1,1 klar besser beurteilt als die Bundes-CDU, die die Note 0,3 erhält.

    Gerade diese Zahlen belegen, dass sich die SPD bundesweit nach wie vor auf einer Abwärtsfahrt befindet. Von einem Stopp des negativen Trends zu sprechen, ist in den Augen Dieter Roths eine "Fehldiagnose". Vielmehr ist klar: Das Bremer Ergebnis kann nicht als Umschwung für die Bundesregierung gedeutet werden. Aber es zeigt auch:

    Die CDU wird ja im Moment nicht als die wirkliche Alternative zu einer sehr kritisierten Politik der Bundesregierung angesehen.

    Und auch in Bremen ist sie der eigentliche Wahlverlierer. Im Vergleich zu ihrem Rekordergebnis vor vier Jahren musste die CDU gestern hohe Verluste hinnehmen. Sie beruhen zum großen Teil auf koalitionstaktischen Überlegungen vieler Wähler, die vor allem die Fortsetzung der Großen Koalition wollten und diesmal deswegen SPD wählten. Ehemalige CDU-Wähler gingen aber auch zur Schill-Partei, die aus dem Stand über vier Prozent erhielt, und zur FDP, die einiges zulegte, aber erneut die Fünf-Prozent-Hürde verfehlte. Dieter Roth erklärt die Verluste der CDU so:

    Die CDU hat natürlich auch gelitten unter dem Erfolg der Schill-Partei, unter dem partiellen Erfolg der FDP. Das sind natürlich eher bürgerliche Wähler, die das gemacht haben. Zum Teil sind es Protestwähler, die auch in der Regel wenig Parteibindungen haben. Aber die CDU hat unter diesen Gewinnen der FDP und auch der Schill-Partei sicherlich eher Verluste gehabt.

    Die FDP ist in Bremen einmal mehr an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, weil ihr diesmal die Unterstützung durch CDU-nahe Wähler weitgehend fehlte:

    Die konnte sie natürlich nicht kriegen, weil das überhaupt gar nicht als Alternative hier im Vorfeld gehandelt wurde. Insofern gab es keine Unterstützung von taktischen Wählern oder von Koalitionswählern, wie die FDP sie oft bekommt, wenn sie eben gebraucht wird.

    Anders als die FDP konnten sich die Grünen in Bremen als Oppositionspartei gut profilieren und erzielten einen Zuwachs von fast vier Prozentpunkten.

    Die Ursachen waren, dass junge Wähler, die ganz einfach acht Jahre Große Koalition als ein bisschen zu lang ansahen, wieder zurückgegangen sind zu den Grünen.

    Montag nach der Wahl, das bedeutet auch immer Wahl-Nachlese in den Berliner Parteizentralen. Wie dort heute auf das Bremer Ergebnis reagiert wurde, schildert Martin Steinhage aus unserem Hauptstadtstudio:

    Der Wahlsieg der SPD in Bremen ist der Sieg von Henning Scherf.

    Bundeskanzler Gerhard Schröder gab sich heute ausgesprochen bescheiden: Er weiß zu genau, wem er den Erfolg in Bremen zu verdanken hat. Und dass sein Anteil daran – gelinde gesagt - sehr gering war. Schröder machte daraus kein Hehl, hob gar hervor, Henning Scherfs Erfolg sei um so bemerkenswerter, als es an der Unterstützung aus Berlin gefehlt habe. Ohne die Auseinandersetzungen um die Agenda 2010 beim Namen zu nennen, erklärte der Kanzler frank und frei, Rückenwind seitens der Bundes-SPD habe es leider nicht gegeben. Und so gebe es aus Berlin auch keine Ratschläge oder gar Wünsche für die Koalitionsbildung an der Weser:

    Henning Scherf steht für einen bestimmten Kurs und er hat gestern deutlich gemacht, dass er diesen Kurs halten wird und halten will. Meine volle Unterstützung dafür hat er.

    Der Neigung, aus einem Wahlergebnis in erster Linie die erfreulichen Aspekte herauszulesen, mochte auch dieses Mal niemand widerstehen. - So etwa Grünen-Chef Reinhard Bütikofer, dessen Parteifreunde trotz klarer Zugewinne in der Opposition bleiben müssen:

    Wir haben uns sehr gefreut über das Ergebnis der Wahl in Bremen. Der Genosse Trend bleibt grün.

    ...oder FDP-Chef Guido Westerwelle, dessen liberale Freunde trotz eines Gesamtergebnisses unter fünf Prozent nur über die Bremerhavener Hintertür einen einzigen Abgeordneten in die Bürgerschaft entsenden können:

    Da wir acht Jahre lang überhaupt nicht dabei waren, ist das etwas, was ausdrücklich auch erwähnt werden soll, und deswegen kommen wir zu dem Ergebnis, ein Teil Erfolg.

    Ebenso frohgemut Angela Merkel, die CDU-Bundesvorsitzende. Sie freute sich über das Wahlergebnis, da die Union trotz deutlicher Verluste an der Weser weiter mitregiert – und so auch aus diesem Bundesland fürderhin Einfluss auf das Geschehen im Bundesrat nehmen kann:

    Wir glauben, dass trotz der Tatsache, dass wir uns natürlich mehr Stimmen gewünscht hätten, dass es gut ist, das Bremen auch in Zukunft im Bundesrat seine konstruktiven Möglichkeiten mit einbringen wird können, damit auch das Richtige für Deutschland geschieht.

    Eine Anmerkung, die der Grünen-Vorsitzende nicht unkommentiert lassen wollte. Wobei der üblicherweise für seine Besonnenheit bekannte Reinhard Bütikofer ausnahmsweise heftig wurde – der Ärger darüber, dass in Bremen eine große Koalition weiterregiert, wo es doch zahlenmäßig locker auch für rot-grün reichen würde, sitzt nun einmal tief:

    Vor dem Hintergrund, finde ich, hat die CDU den Anspruch eigentlich vollständig verloren überhaupt noch die Sessel in der Bremer Landesregierung zu wärmen. Wenn sie aber nun unbedingt auf ihren Sesseln kleben wollen, dann sollen sie wenigsten sich darauf beschränken, Bremer Kommunalpolitik zu machen und nicht diese Sesselpupserei noch zur Grundlage machen, dafür in der Bundespolitik weiter zu stören.

    Zumindest die Bundesratsklausel in einem neuen Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU müsse verändert werden. Die Stimmen Bremens dürften nicht länger zu Lasten der rot-grünen Bundesregierung gehen, forderte Bütikofer. - Während die Grünen der Chance nachtrauern, ein weiteres Bündnis mit der SPD zu etablieren, versuchte heute umgekehrt die bundespolitische Opposition, aus eben diesem Umstand Honig zu saugen: Sowohl Angela Merkel als auch Guido Westerwelle sahen in dem Wunsch nach Fortsetzung der Großen Koalition in Bremen sozusagen eine "Rot-Grün-Schwäche":

    Es zeigt, die SPD kann Wahlen gewinnen, wenn sie sich klar gegen rot-grün stellt. Wer gegen rot-grün als Sozialdemokrat Wahlkampf macht hat offensichtlich eine Chance auf ordentliche Wahlergebnisse. Und wer den Kanzler versteckt, kann sogar Wahlen gewinnen.

    Der SPD-Spitzenkandidat hat sein persönliches Schicksal mit dieser großen Koalition verbunden. Diese Absage an rot-grün die sagt insgesamt etwas aus über die Stimmung im Lande.

    Einig waren sich dagegen die Kontrahenten auf der Berliner Bühne darin, dass Große Koalitionen stets die Ausnahme von der Regel sein sollten. Was in Bremen funktioniere, lasse sich nicht auf den Bund übertragen, um etwa dort die Probleme zu lösen, hieß es unisono. CDU-Chefin Merkel verwies auf die Gefahren, die solche Elefanten-Hochzeiten für die politische Kultur haben:

    Wir haben immer die Gefahr, dass die Ränder gestärkt werden. Wenn sich die großen Kräfte in der Mitte ohne klare Alternativform auch sozusagen ausdrücken wäre auf Bundesebene das Erstarken von linken und rechten Rändern und hier haben wir es ja noch mit einer PDS zu tun und da haben wir es noch mit ganz anderen Erscheinungen zu tun aus meiner Sicht sehr groß.

    Bremen hat indes auch gezeigt, wie sehr der Juniorpartner einer Großen Koalition – in diesem Fall also die Union – bei solch einer Konstellation ins Hintertreffen geraten kann. FDP-Chef-Westerwelle, der ja schon aus Eigeninteresse stets gegen Bündnisse der beiden Volksparteien wettern muss, kommentierte das Bremer Wahlergebnis der Union voller Häme – und traf den Nagel doch auf den Kopf:

    Wie gesund eine große Koalition für die CDU ist, dass sieht man ja an diesen Verlusten die man früher erdrutschartig genannt hätten.

    Am Tag nach der Wahl im kleinsten Bundesland wurde in Berlin auch heftig diskutiert über die Lage der Koalition im größten Bundesland. Denn in NRW hängt bekanntlich beim rot-grünen Bündnis der Haussegen schief – was Anlass gab zu allerlei Anmerkungen. So äußerte sich der Kanzler optimistisch, dass man schon rasch an Rhein und Ruhr zu einer vernünftigen Sacharbeit zurückkehren werde. Von einem möglichen Koalitionswechsel seiner Düsseldorfer Genossen wollte er nichts wissen. Eingepackt war die Botschaft freilich in einen Seitenhieb an den kleinen Partner:

    Ich hab da gelegentlich eine Neigung auf Seiten des grünen Koalitionspartners feststellen können. Eine Neigung zu Debatten, die der grüne Koalitionspartner in Berlin längst überwunden hat.

    Reinhard Bütikofer wies diesen Anwurf des Kanzlers milde zurück – und warb für das bestehende Bündnis:

    Wir sehen für Nordrhein-Westfalen und für Deutschland keine bessere Alternative zu rot-grün und deswegen halten wir an dieser Kombination fest.

    Angela Merkel wiederum macht in Zweckpessimismus – sie glaubt, rot-grün an Rhein und Ruhr werde sich schon wieder zusammenraufen:

    Deshalb kann ich mir das nicht vorstellen, wie ich mir überhaupt gar nicht vorstellen kann, das rot-grün sich so schlecht verträgt, wie man es in der Zeitung liest in Nordrhein-Westfalen und deshalb glaube ich, dass die Koalition dort eher länger halten wird, als kürzer.

    Ähnlich die FDP: Man würde zwar schon gerne wollen - und als Ersatzpartner für die Grünen einspringen. Aber so recht mag auch bei den Liberalen niemand an den Bruch der Düsseldorfer Regierung glauben.

    Danke an Martin Steinhage. Anders als manche Politiker in Berlin glauben mögen, waren bundespolitische Themen diesmal bei der Landtagswahl in Bremen nicht ausschlaggebend. Entscheidend für die Wahl waren die Erwartungen an die Große Koalition, die ökonomischen Probleme und die Schulpolitik in Bremen. Aber, betont Dieter Roth von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen:

    Letzten Endes war das personell alles so zugespitzt, dass man eigentlich Scherf gewählt hat. Und Scherf stand dann einfach für die Lösung verschiedener Probleme.