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Nachrichtensendung "heute+"
Wie weit kann man gehen mit dem "Jung-Sein"?

Mit "heute+" startete in dieser Woche ein neues Nachrichtenformat, das vor allem jüngere Zielgruppen ansprechen soll. Dabei wirken die Macher in der Ansprache des Publikums äußerst unentschlossen - mal wird geduzt, dann gesiezt - und ebenso in Sachen Wortwahl. Eines hat die neue Show aber unanfechtbar für sich.

Von Christoph Sterz | 23.05.2015
    Ein Mainzelmännchen
    Wie jung und "fresh" darf es sein? Bei seiner neuen Nachrichtensendung "heute+" experimentiert das ZDF ordentlich. (Soeren Stache dpa/lbn (c)
    Muss ich mich jetzt wirklich entscheiden, welche Meinung ich hab? Aber ... aber ich bin doch noch so jung, da kann ich mich doch nicht einfach auf irgendwas festlegen. Diese jungen Leute da in diesem ZDF, bei diesem heute+, die machen das doch auch nicht, die legen sich doch auch nicht fest, und das fängt ja schon bei den kleinsten Sachen an, zum Beispiel, ob man die eigenen Zuschauer so Claus-Kleber-mäßig siezen muss.
    "Guten Tag und herzlich willkommen zu heute+. Ich freu mich, dass Sie uns gefunden haben."
    Oder halt lieber doch nicht.
    "Hallo und herzlich willkommen zu heute+. Ich begrüße Euch an Euren Internet-Empfangsgeräten."
    Ja, und jetzt steh ich da, völlig ratlos; und wo wir gerade beim Stehen sind, der Moderator von heute+, der steht ja auch, in dieser Studio-Hölle, die er sich jetzt jeden Abend mal kurz von Onkel Claus ausleiht; und da steht er, und weiß nicht, wohin mit seinen Händen. Deswegen landen die mal cool und lässig in den Hosentaschen, und mal werden sie ganz brav zusammengefaltet.
    So ist ja auch "heute+" irgendwie, gleichzeitig ganz lässig und ganz brav, und zusammengefaltet wird auch, und zwar die komplette Sendung, von der Konkurrenz, vom Fernsehmetzger Stefan Raab zum Beispiel. Wobei das ja eigentlich auch schon wieder ein gutes Zeichen ist, von jemandem kritisiert zu werden, der inzwischen auch physisch das hohe Alter seiner Witze erreicht hat.
    Aber dass es überhaupt Kritik gibt, das liegt halt auch wieder daran, dass die "heute+"-Leute so unentschlossen sind, wie weit sie mit diesem Jung-Sein gehen können, und dann kommt halt zwischendurch so was hier dabei raus:
    "Das ist jetzt für viele, die's nutzen, tipp-topp-knorke-praktisch-hammerfett-Bombe-krass, für andere aber ein Inbegriff der Gruselvorstellung."
    Immerhin gibt es die Show
    Und was soll ich jetzt davon halten? Weil in dieser Pressemitteilung vom ZDF, da stand doch, dass bei "heute+" "Ansprache und Tonalität auf Augenhöhe mit dem interneterfahrenen Publikum" sein wird. Und das bin ich ja. Also nicht das mit der Augenhöhe und der Tonalität. Das mit dem Internet meine ich.
    Und während ich mir diesen, entschuldigung, bomben-krassen neuen Scheiß angucke, werde ich wieder ganz unsicher. Ich weiß ja nicht, aber ist etwas automatisch jung und neu und anders, nur weil zum Beispiel Interviewpartner nicht mehr vor Schrankwänden in Büchern blättern, sondern stattdessen so Zerr-Stör-Wackel-Effekte zu sehen sind? Und zwar ungefähr in jedem einzelnen Beitrag?
    Aber egal, wie ich "heute+" so finde oder besser gesagt nicht weiß, wie ich es finde – die Sendung hat einen ganz klaren Vorteil: Sie existiert. Sie wird tatsächlich ausgestrahlt. Das ist bei diesen jungen neuen Sachen ja nicht immer so. Der ARD-ZDF-Jugendkanal zum Beispiel, der hat ja noch nicht mal nen offiziellen Namen. Jugendkanal geht schon mal nicht – weil es ja gar keinen Kanal geben wird. Das wird ja nicht im Fernsehen ausgestrahlt, weil ... ja warum eigentlich?
    Wahrscheinlich, weil's zu jung ist. Oder einfach zu tipp-topp-knorke-praktisch-hammerfett-Bombe-krass. Oder so. Aber genau weiß ich das auch nicht – vielleicht kann ich das einfach nicht so gut beurteilen und auch nicht entscheiden. Ich bin ja noch so jung.