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Nachtfrequenz 15
Jugendkultur im erweiterten Ruhrgebiet in einer Nacht

60 Kommunen im Gebiet des erweiterten Ruhrgebiets haben sich am Wochenende an der "Nachtfrequenz 15" beteiligt. Die Nacht der Jugendkultur, fand zum sechsten Mal statt, mit unzähligen Projekten, Wettbewerben und Tagen der offenen Tür.

Von Peter Backof | 28.09.2015
    Aua. Gerade hat es einen Siebenjährigen vor die Halfpipe der Skateranlage gezwirbelt. Das ist heute besonders peinlich, wenn Tricks daneben gehen, denn etwa 300 Kinder und Jugendliche schauen zu. Die Anlage soll ganz gut sein, sogar aus Mönchengladbach pilgern Skater hier hin. Die Könner werden später auftreten. Um 18 Uhr ist erst mal Platz für die Kleinen.
    "Stunt Roller kann man sagen. Und Scooter."
    Stunt Roller, weiß der kleine Liam, das ist, wenn man mit seinem Roller Bekanntschaft mit dem Beton der Anlage macht und dabei von Zweitklässler-Mädchen, die bereits Handtaschen umhängen haben, kritisch gemustert wird. Mit dieser Konstellation fängt Jugendkultur wohl in etwa an. Und sie hört, wenn man auch Skater jenseits der 40 auf dieser Vielgenerationenanlage sieht, niemals auf.
    ""Nacht der Jugendkultur" ist ein bisschen unsexy."
    Als Name, kommentiert Pressesprecherin Stefanie Görz. Daher steht jetzt "Nachtfrequenz 15" über unzähligen Projekten, Battles, Flashs, Zeig-Dich-Aktionen.
    "Ich mein, wir sind jetzt hier in Düsseldorf. Mit 28 Projekten, glaube ich, die Stadt mit den meisten Beteiligungen."
    Häuser und Anlagen von privaten oder öffentlichen Trägern, von dem ausgesprochenen Szenetreff bis zum Jugendheim mit therapeutischem Ansatz, sehr heterogen, wer heute alles die Tür öffnet. Eine halbe Stunde Bahnfahrt geht es in einen Randbezirk, zum S.O.S-Jugendtreff in Garath. Der Sichtbetonbau aus den 1970ern hat, über und über mit Graffiti garniert, zumindest ästhetisch einen Touch von Getto.
    "Soziales Auffanglager würde ich nicht sagen. Wir haben viele, die in der Szene drin sind, die selber sprühen oder halt auch Musik machen. Wir haben einen Musikraum, ein Tonstudio."
    Eine Produktionsstätte für Jugendkultur sei das, sagt Sozialarbeiter Andre Kemper. Programm heute: japanische Jugendkultur. Hier sind ganze Rudel von Teenagern, die sich bei einem Cosplay wie Manga-Charaktere verkleiden, fotografieren, filmen. Hier kann man mit einer besonderen Software aus Japan Karaoke in vielen Sprachen singen. Und dabei sehr amüsant scheitern. Fail - das Wort fällt oft und gerne. Oder: beim Kult-Kampfspiel "Tekken" den Avatar eines anderen möglich flott platt machen.
    Warum sich gerade in Düsseldorf etwas in die Jahre gekommene Phänomene wir die Cosplay-Maskerade halten? In Düsseldorf gebe es eine starke japanische Community, das sei wohl der Grund, ergänzt Andre Kemper.
    Ein paar Straßen weiter, immer noch im Randbezirk, ein anderes Setting. Feuertonnen im großen Garten, eine Chillout-Lounge mit Kissenlandschaft. Und Altreifen, die von Bäumen hängen.
    "Ja, man fängt von einem bestimmten Punkt an!"
    Das sei schon mal die erste und wichtigste Regel beim Cross-Golf, weiß ein etwa achtjähriger Turnierteilnehmer. Cross-Golf ist eine Art entgrenztes Minigolf, man spielt es mit Softbällen. Inspiriert ist es von der Parkour-Idee. Man bewege sich im urbanen Raum, laufend, kletternd oder eben Golf spielend, gegen den Strich, geradeaus, oder nach eigenen Regeln. Wenn man das nun noch gamifiziert, das heißt, Levels und Belohnungen in Aussicht stellt, dann ist der Trend doch gemacht, oder, fragen wir die etwas ältern Teenager:
    - "Ja, also der Kinderklub hat mich sehr überzeugt, ich möchte hier weiterhin mitspielen, was das Zeug hält!"
    - "Naja, eigentlich gefällt uns Fußball mehr. Ich glaube, dieses Golfturnier war mal so aus Spaß, damit wir auch diesen Sport kennenlernen."
    Bei den 17-Jährigen ist die Schwelle zur Ironie schnell überschritten. Ob etwas geht oder gar nicht geht, wird ad hoc entschieden. Die Gesamtidee der Nachtfrequenz gehe aber in Ordnung, sagen auch die etwas Älteren. Stefanie Görz vom Veranstalterteam, fühlt sich bestätigt.
    "Das ist hier wirklich auch noch mal so eine Akzeptanzarbeit. Und natürlich ist das ein Zusammenfassen von dezentral geleisteter Jugendarbeit. Man sieht, dass hier vor Ort wahnsinnig intensiv und kleinteilig Jugendarbeit gemacht wird."
    Die letzten Stationen, gegen null Uhr. Schon von Weitem zu riechen ist eine 300 Meter lange Wandfläche, die legal mit Graffiti besprayt wird. Und in einer Halle in der Nähe küren die Breakdancer beim Global-Skillz-Battle ihre besten. Ideal ist es, wenn es völlig in den Hintergrund tritt, wer jetzt genau die Idee zu dem einen oder anderen Programmpunkt hatte, jemand aus einem Jugendamt mit sozialtherapeutischem Ansatz oder die Jugendlichen selber. Das ist der Tenor bei der gut besuchten "Nachtfrequenz 15" in Düsseldorf: Kann man schon machen.