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Nachwuchssorgen in der Kaserne

Nach dem Wegfall der Wehrpflicht muss die Bundeswehr die Werbetrommel rühren, um die erforderlichen 5000 Freiwilligen anzuwerben. Ein weiteres Problem: Viele derzeitige Soldaten würden gerne bleiben, aber es fehlen die finanziellen Mittel.

Von Tonia Koch | 19.05.2011
    Bei Stephan Konan, einem der letzten Wehrpflichtigen der Luftlandebrigade 26, hat die Werbung der Bundeswehr nicht verfangen.

    "Ich fand, da war die Werbung noch ein bisschen schwach. Ich hab’ halt einen Brief bekommen und im Radio gehört. Bundeswehr bietet Zukunft."

    Aber für ihn stand sehr schnell fest, dass er seinen Grundwehrdienst ableisten wird, mehr jedoch nicht. Denn für einen Auslandseinsatz steht der Abiturient nicht zur Verfügung.

    "Da war mir die Gefahr, das Risiko zu groß."

    Vermehrte Auslandseinsätze aber werden - so kündigte es Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere gestern an - die künftige Aufgabenstellung der Bundeswehr prägen und darauf müsse die Truppe vorbereitet werden. Bei der Saarlandbrigade stieß der Vorstoß de Maizieres auf offene Ohren. Denn mit Auslandseinsätzen hat die auf insgesamt drei saarländische und einen rheinland-pfälzischen Standort verteilte Brigade Erfahrung. Die Fallschirmjäger der Luftlandebrigade 26 gehören zur schnellen Eingreiftruppe der Bundeswehr. Sie waren bislang an sämtlichen Auslandmissionen beteiligt. Und Brigade–General Eberhard Zorn ist überzeugt, dass gerade diese Ausrichtung ihre Attraktivität ausmacht.

    "Unsere Brigade hat einen Auftrag, mit dem man sich sehr gut identifizieren kann. Wir sind der Verband, der für militärische Evakuierungsmaßnahmen spezialisiert ist."

    Und wenn es im Herbst darum geht, welche Standorte eine Zukunft haben werden, sieht sich die Saarlandbrigade gut gerüstet. Stabsgefreiter Philipp Werz.

    "Ich gehe schon davon aus, dass man uns als Fallschirmjäger gut gebrauchen kann, ich denke, das steigert unsere Chancen."

    Vor wenigen Wochen wurden die letzten Wehrpflichtigen der Saarlandbrigade öffentlich vereidigt.

    Mit diesen öffentlichen Veranstaltungen hat die Bundeswehr bislang versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Denn sie weiß, sie muss junge Frauen und Männer irgendwie dazu bewegen, hinter die Kasernenmauern zu blicken, um Interesse zu wecken. Ohne die Wehrpflicht werde das sehr schwierig, glaubt Dominique Mahringer.

    "Also, man muss schon einen Einblick haben, um dann zu entscheiden, dass es einem gefällt."

    Mahringer gehört zu den 30 Prozent der insgesamt 3.500 Soldaten der Saarlandbrigade, die über den Grundwehrdienst zur Bundeswehr gefunden haben. Die Brigade war schon immer auf freiwillig länger dienende Soldaten angewiesen. Denn mit Wehrdienstleistenden kann sie ihren Auftrag schon lange nicht mehr erfüllen. Mit Beginn der Auslandseinsätze in den 90er-Jahren seien auch die Anforderungen an die Professionalität erheblich gestiegen, erläutert Brigadegeneral Zorn. Eine auf inzwischen sechs Monate verkürzte militärische Ausbildungszeit reiche nicht aus, einsatzfähige Soldaten heranzuziehen.
    "Wir in der Luftlandebrigade 26 bilden unsere Mannschaften 15 Monate aus, bevor wir sie in den Auslandseinsatz mitnehmen. Nur so können wir das verantworten."

    Keine Klagen der Soldaten hingegen gibt es über das zur Verfügung stehende Material. Auch das sei den Auslandeinsätzen geschuldet.

    "Hier an unserem Standort ist das Material sehr gut. Wenn ich mit anderen Kameraden rede, die von anderen Truppenteilen kommen, wenn ich dann höre, dass die keine Nachtsichtgeräte haben für jeden Soldaten und und und. Aber meiner Meinung nach, an diesem Standort, können wir uns über das Material nicht beschweren. An manchen Stellen hapert es im Inland, aber im Ausland denke ich, ist die Bundeswehr gut ausgerüstet."

    Diejenigen, die überzeugt worden sind, sich auf mehrere Jahre für einen Dienst in der Bundeswehr zu verpflichten, würden vielfach gerne länger bleiben, als sie dürfen.

    "Ich würde die Arbeit gerne weiter machen, ich werde auch gebraucht, weil im Moment – wie es aussieht kommen nicht so viele nach und es werden die gebraucht, die es schon können. Ich würde ebenfalls gerne noch deutlich länger dienen."

    Das aber ist vielfach nicht möglich, weil entsprechende Planstellen und die finanziellen Mittel fehlen. Die Soldaten sind deshalb zufrieden, dass der Bundesverteidigungsminister es offen ausspricht, dass die Bundeswehr über zu viele Häuptlinge, aber zu wenige Indianer verfügt.

    "Wir haben für die Zahl der Soldaten und für unseren Auftrag zu viele Stäbe und damit auch zu viele Generalsterne."

    De Maiziere wird zugunsten beruflicher Perspektiven der die knappen Ressourcen von oben nach unten umverteilten müssen, um die Attraktivität der Bundeswehr zu steigern. Und die Soldaten trauen es dem neuen Verteidigungsminister auch zu. Karl-Theodor zu Guttenberg, der Vorgänger im Amt, ist bei dem ein oder anderen bereits Geschichte.

    "Meiner Meinung nach war das viel Glanz und nichts dahinter. Ich trauere zu Guttenberg auch nicht nach. Der Abgang hätte anders sein können, aber es ist nun eben so."

    Auch regionale Konzepte, die ein Familienleben ermöglichen und eine Wochenendpendelei auf ein erträgliches Maß reduzieren gehören mit zu den Wünschen der Betroffenen.

    "Ich war auch an anderen Standorten. In Stralsund, Flensburg, Hannover, habe es aber dann doch zum Glück geschafft, den Weg zurück ins Saarland zu finden, darüber bin ich sehr froh, denn es ist natürlich schön, wenn man jeden Tag nach Hause fahren kann."

    Über die Hälfte der Soldatinnen und Soldaten der Saarlandbrigade kommen aus der näheren Umgebung aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz. Eine Tatsache, die auch die designierte Ministerpräsidentin des Landes Annegret Kramp-Karrenbauer von Akzeptanz der Bundeswehr in der Bevölkerung wertet. Genau das sei doch ein Pfund, mit dem das Saarland wuchern könne, wenn im Herbst mit der Hardthöhe um den Erhalt der Standorte gefeilscht werden müsse, glaubt Annegret Kramp-Karrenbauer.

    "Wenn wir hier im Saarland von unserer Bundeswehr reden, dann meinen wir auch unsere Bundeswehr. Es gibt eine sehr, sehr enge Verknüpfung, die ich so in anderen Bundesländern nicht sehe."