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Nährstoffaufnahme bei Pflanzenwurzeln
Wurzeltomograph durchleutet den Boden

Wissenschaftler der Universität Bonn und des Forschungszentrums Jülich haben jetzt ein Verfahren entwickelt, mit dem sie Pflanzenwurzeln bei der Nährstoffaufnahme beobachten können. So wollen sie die Bedürfnisse der Pflanzen besser studieren, damit zukünftig der Anbau bestimmter Pflanzen mit den lokalen Nährstoffbedingungen besser abgestimmt werden kann.

Von Sophia Wagner | 15.11.2016
    Members of the Circlemakers and Greenpeace environmental organizations draw a question mark with a size of more than four thousand square meters at the Oaxaca state on Friday 11 August, 2006.
    Welche Pflanze benötigt welche Nährstoffe? Um den erfolgreichen Anbau von Grundnahrungsmitteln wie Weizen und Mais zu garantieren, durchleuchten die Forscher mittels Elektrischer Impedanz-Tomographie den Boden (dpa picture alliance epa Gustavo Graff / Handout)
    "Also das Projekt worum es hier geht ist die Entwicklung eines neuen nicht invasiven Messverfahrens. Mit dem Ziel die Wechselwirkungen zwischen Wurzeln und dem Boden, in dem die Wurzeln wachsen, besser zu verstehen und zu charakterisieren."
    Professor Andreas Kemna leitet den Lehrstuhl für Geophysik an der Uni Bonn. Mit Wurzeln kennt er sich eigentlich nicht so gut aus, dafür aber umso besser mit dem Boden. Und mit den geophysikalischen Methoden, um diesen zu erforschen, wie zum Beispiel die Elektrische Impedanz-Tomographie: "Das ist ein Verfahren um Erzlagerstätten zu erfassen."
    Zusammen mit Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich hat Andreas Kemna dieses geophysische Werkzeug jetzt für den Einsatz in der Pflanzen- und Agrarwissenschaft weiterentwickelt.
    "Was man besser verstehen möchte, ist das Wachstum der Pflanzen und das hängt von verschiedensten Umweltbedingungen ab. Sprich Wasser, Nährstoffe. Wo sind sie, wann sind sie verfügbar? Wie sind die Strategien der Wurzel, um sich mit Nährstoffen und mit Wasser zu versorgen?"
    Ganz grundsätzliche Fragen also, wenn es um den erfolgreichen Anbau von Nutzpflanzen und die damit verbundene Lebensmittelproduktion geht. Trotzdem weiß man bisher wenig über die Strategien der Nährstoffaufnahme. Schließlich sind die Wurzeln im Boden relativ schlecht zu beobachten.
    Hier schafft die Elektrische Impedanz-Tomographie Abhilfe. Denn mit Hilfe des Verfahrens wird der Untergrund sozusagen mit elektrischem Strom durchleuchtet:
    "Also wir können uns vorstellen, wenn sich hier jetzt irgendwo der Spross befindet auf irgendeinem Acker an der Erdoberfläche und hier ist irgendwo dieses Wurzelsystem. Dann benutzen wir eine Reihe von einzelnen Elektroden, also einzelnen Punkten, die in einer Linie oben an der Oberfläche des Ackers platziert werden."
    Durch elektrisches Feld die Wurzelaktivitäten messen
    Die Elektroden sind aus Edelstahl und sehen wie große Nägel aus, die in den Boden gesteckt werden. Über einen Algorithmus werden zwei dieser Elektroden-Nägel von einem Computer ausgewählt. Von Ihnen wird ein elektrischer Strom durch den Boden geleitet. Die Ladungsträger, aus denen dieser Strom besteht, laufen dabei nicht auf kürzestem Weg von einer Elektrode zu anderen, sondern breiten sich im Erdreich aus. Wie das Licht einer Glühbirne in einem dunklen Kellerraum.
    "Und dadurch erfasst dieses elektrische Feld auch den Bereich der jetzt eben durchwurzelt ist."
    Damit die Wurzel als Struktur wahrnehmbar ist muss sie aktiv sein, also Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen. Das ist wichtig, weil sich durch die Nährstoffaufnahme die elektrischen Eigenschaften der Wurzel verändern.
    Denn viele Nährstoffe liegen als elektrisch geladene Ionen vor. Und um diese Teilchen leichter aufnehmen zu können, kann auch die Wurzel ihre Außenhülle elektrisch aufladen, erklärt Andreas Kemnea:
    "Dadurch verändert sich das elektrische Stromfeld, das wir erzeugen auf charakteristische Weise. Und dieses Feld vermessen wir mit Messungen an anderen Elektrodenpaaren."
    Um zu sehen wie, wann und welche Teile der Wurzel aktiv sind, müssen die Daten von tausenden unterschiedlichen Messungen mittels eines eigens entwickelten Algorithmus zusammengerechnet werden. Das Resultat ist eine regenbogenfarbige Wolke an der Stelle, an der die Wurzel im Boden steckt:
    "Rot ist die Anzeige für aktive Wurzel, dass heißt es gab Ionenflüsse in die Wurzel hinein."
    Je inaktiver die Wurzel, desto mehr schwächt sich das Signal ab. Die Forscher variieren die Bedingungen und untersuchen die Reaktion der Pflanze. Zum Beispiel wenn man der Pflanze in einem Experiment die Nährstoffe entzieht, sie als quasi verhungern lässt:
    "Und deshalb verändert sich die Farbe von rot über gelb nach grün. Und wenn wir jetzt hier noch länger warten, dann würde es sich dem Blau annähern und man könnte das tote System von der Umgebung nicht mehr unterscheiden."
    Die richtigen Pflanzen für die jeweiligen Nährstoffbedingungen
    Welche Nährstoff-Ionen genau aufgenommen werden, kann das Verfahren nicht zeigen. Deshalb werden zusätzlich zur Elektrischen Impedanz-Tomographie auch immer Untersuchungen zur Bodenchemie durchgeführt.
    Bisher wurden die Experimente hauptsächlich im Labor und auf kleinen Feldern gemacht. Als nächstes planen Andreas Kemna und die Jülicher Forscher die Durchleuchtung größerer Anpflanzungen im Freiland. Um auch hier zu verstehen, wie die verschiedenen Pflanzen auf unterschiedliche Nährstoffbedingungen reagieren:
    "Und wenn man das verstanden hätte, könnte man vielleicht auch das Management verbessern, um die richtigen Pflanzen anzubauen, bei den entsprechenden Umweltbedingungen."