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Nager in Not

In diesen Tagen beginnt ein Team der Deutschen Wildtierstiftung in der Kurpfalz bei Mannheim mit der Kartierung von Hamsterbauten. Der Grund: Der Feldhamster ist in Deutschland akut vom Aussterben bedroht, weil Intensivlandwirtschaft und Zersiedelung der Landschaft ihm immer mehr Lebensräume nehmen. Die Deutsche Wildtierstiftung will nun Landwirte mit Ausgleichszahlungen dazu bewegen, dem Feldhamster vor allem unmittelbar nach der Getreideernte im August Zeit zu lassen, sich auf den Winterschlaf vorzubereiten. Der beginnt beim Feldhamster schon im September.

Von Ludger Fittkau | 03.08.2005
    Der Biologe und Hamsterexperte Ulrich Weinhold arbeitet für die Deutsche Wildtierstiftung im Rhein-Neckar-Raum - auch Kurpfalz genannt - am Erhalt der Nagetiere mit dem braun-schwarz-weiß gemusterten Fell:

    " Das Ziel hier ist der Erhalt des Feldhamsters, der hier schon nachweislich seit mindestens 2000 bis 3000 Jahren vorkommt. Der älteste fossile Fund, den man hier gemacht hat, stammt zwar nicht aus Mannheim, sondern aus Ladenburg, das ist eine Nachbarstadt ganz in der Nähe.

    Dort wurden bei Ausgrabungen eines römischen Brunnens Nagetierskelette entdeckt und die nähere Bestimmung hat gezeigt, dass eines davon ein Feldhamster war und der datiert sich etwa so auf 200 nach Christus zurück.

    Aber das alles hier ist Altsiedelland, wir finden hier auch bronzezeitliche Relikte aus der Zeit 3000 vor Christus und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Feldhamster auch schon zu dieser Zeit hier zuhause war."

    Auf dem Stoppelfeld am Mannheimer Stadtrand lässt sich kein Feldhamster blicken. Deshalb zählen Ulrich Weinhold und sein Team zur Zeit auf einer etwa 90 Hektar großen Fläche die Zahl der Hamsterbauten, um den Bestand an Tieren zu erfassen. Nur einen Steinwurf entfernt ist der Neubau der Mannheimer Fußballarena zu sehen, in der im kommenden Jahr WM-Spiele ausgetragen werden. Auch Bahnlinien, Autobahnen und ein nahe gelegenes Messegelände sorgen dafür, dass man sich hier nicht gerade wie in einer Naturidylle vorkommt. Doch für den Feldhamster ist diese Fläche wichtig, erklärt Ulrich Weinhold:

    " Der Feldhamster liebt kontinentales Klima, das heißt, er mag es nicht zu feucht, er braucht gute, bindige Böden. Diese typischen Aueböden sind sehr bindig und bestehen aus Lehm und Tonanteilen. Die braucht er für die Anlage seiner Bauten."

    Deshalb wurde beim Neubau des Mehrzweck-Veranstaltungstempels auf die selten gewordenen Ureinwohner der Region Rücksicht genommen. Die Arena wurde extra auf einem alten Weltkriegsbunkersystem errichtet, in dem auch vorher keine Feldhamster ihre Löcher buddeln konnten:

    " Der Hamsterbau ist ein sehr stabiles Gebilde, das durchaus auch sehr in Tiefe auch geht. Hamsterbaue haben Tiefen zwischen 60 Zentimetern bis über zwei Meter, im Sommer sind sie eben mehr in der Nähe der Oberfläche und im Winter gehen die Tiere bis in zwei Meter oder zwei Meter fünfzig Tiefe runter, um ihren Winterschlaf zu halten. Das heißt, die tieferen Elemente des Hamsterbaus, die bleiben immer bestehen, wenn der Bauer hier mit dem Flug durchfährt, dann zerstört er nur die oberflächlichen Elemente."

    Die Deutsche Wildtierstiftung hat im Mannheimer Südosten die Bauern als Partner für den Erhalt der Feldhamster gewonnen. Die putzigen Nager konnten nämlich in früheren Jahren auch schon mal zur Plage für die Landwirtschaft werden , wenn sie sich zu gut vermehrt haben. Künftig will die Stiftung aus privaten Spenden Landwirten einen Ausgleich zahlen, wenn sie bei der Ernte bestimmte Getreidestreifen für die Feldhamster stehen lassen, damit sie Nahrung und Schutz finden. Margit Meergans, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Deutschen Wildtier-Stiftung:

    " Dann hätten wir jetzt hier alle fünfzig Meter einen breiten Getreidestreifen stehen, fünf Meter breit und dort hätten wir noch das volle Korn. Dort könnte sich der Hamster noch zurückziehen, er würde hier noch Ährensamen finden und könnte im Schutz dieses Getreidestreifens dann auch wieder seinen Bau erreichen und ist a) sicher vor seinen natürlichen Feinden, die ihn dann schlechter sehen und demzufolge nicht greifen können und b) schafft er es eben, seinen Wintervorrat einzusammeln."

    Weil nämlich die Bauern ihre Stoppelfelder im Hochsommer immer früher umpflügen, findet der Feldhamster in den letzten Jahrzehnten kaum noch die ausreichende Nahrung für die Vorratshaltung im Winter. Ulrich Weinhold:

    " Mittlerweile ist es eben so, dass er mit seinen biologischen Mitteln, die er eben so zur Verfügung hat, um all den Widernissen, die ihm von Menschenseite und auch von der Natur entgegengebracht werden, fertig zu werden, mehr oder weniger am Ende mit seinem Latein ist, denn die Intensivbewirtschaftung und die Verinselung seiner Lebensräume, die tragen maßgeblich dazu bei, dass der Feldhamster hier mehr oder weniger am Aussterben ist."

    Damit das nicht passiert, zahlt die Deutsche Wildtierstiftung in der Kurpfalz auch für die Anlage von Klee und Luzernfeldern Geld. Denn hier findet der Feldhamster Nahrung und Sichtschutz vor Greifvögeln - und ganz nebenbei das ideale Terrain für das Liebesspiel.