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Naher Osten
Israelis und Palästinenser verfangen sich in Gewalt

In der Nacht wurden Raketen aus dem Gazastreifen abgeschossen, das israelische Militär reagierte und bombardierte das abgeriegelte Palästinensergebiet. Dazu kommen etliche Messerattacken, Steinwürfe und dauerhafte Unruhen: Nach zehn Tagen ständiger Anschläge ist die Stimmung zwischen Israelis und Palästinensern extrem gereizt.

11.10.2015
    Ein palästinensischer Jugendlicher rennt während eines Zusammenstoßes mit israelischen Truppen nahe Gaza Stadt vor einer Tränengaswolke davon.
    Insgesamt elf Palästinenser sind seit Freitag ums Leben gekommen, die meisten an den Sperranlagen entlang des Gaza-Streifens, getroffen durch Schüsse des israelischen Militärs. (picture alliance / dpa / Mohammed Saber)
    Kurz nach sieben Uhr am Morgen. Im Berufsverkehr auf der Strecke vom Toten Meer hoch nach Jerusalem soll es einen Terroranschlag gegeben haben, eine Autobombe? Die Fahrerin, eine Palästinenserin, ist schwer verletzt, auch ein Polizist hat Verletzungen erlitten.
    Der Sprecher der israelischen Polizei sagte, die Terroristin sei aus dem Auto gestiegen, dann habe es im Wageninneren eine Explosion gegeben. Und so der Sprecher weiter, die Frau sei auf dem Weg nach Jerusalem gewesen, um in der Stadt einen Terroranschlag zu verüben.
    Dieser Darstellung widerspricht später ein Augenzeuge, den die palästinensische Nachrichtenagentur Maan zitiert. Der Mann sagt, das Auto habe einen Defekt gehabt, im inneren sei ein Feuer ausgebrochen, der Airbag ging auf.
    Nach zehn Tagen ständiger Anschläge ist die Stimmung gereizt. Thema in den Radionachrichten war am Morgen noch der Abschuss von Raketen aus dem Gaza-Streifen in der Nacht. Die israelische Luftwaffe reagierte und bombardierte zwei Ziele in dem abgeriegelten Palästinensergebiet. Ein Wohnhaus stürzte ein, eine schwangere Frau und ein Kleinkind kamen ums Leben.
    Harte Strafen für Steinewerfer beschlossen
    Insgesamt elf Palästinenser sind seit Freitag ums Leben gekommen, die meisten an den Sperranlagen entlang des Gaza-Streifens, getroffen durch Schüsse des israelischen Militärs. Aber auch heute versuchten rund 150 Palästinenser, durch eine Lücke in den Sperranlagen aus dem Gaza-Streifen herauszukommen. In den israelischen Zeitungen wird die Frage aufgeworfen, ob die Armee denn darauf vorbereitet sei, wenn womöglich Zehntausende aus Verzweiflung den Zaun stürmen.
    In Jerusalem beschäftigte sich die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu allerdings mit den Unruhen der vergangenen Tage: Das Kabinett beschloss einstimmig, dass Steinewerfer für mindestens zehn Jahre in Militärhaft genommen werden sollen, die Eltern von minderjährigen Steinewerfern sollen hohe Geldstrafen zahlen.
    In Jerusalem sind Polizei und Grenzschutz-Einheiten immer wieder verstärkt worden. Jetzt beruft die Regierung sogar Reservisten ein, um noch mehr Uniformierte auf die Straßen zu bringen. Und Netanjahu fordert den Generalstaatsanwalt auf, gegen die arabische Parlamentsabgeordnete Hanan Zoabi zu ermitteln, wegen Aufwiegelung: Sie habe in einer Zeitung der Hamas die Palästinenser dazu aufgerufen, zu hunderttausenden zur Al-Aqsa-Moschee zu kommen. Dann könne daraus eine echte Intifada, ein Aufstand der Palästinenser gegen die Besatzung, entstehen.
    Der Tempelberg mit Al-Aqsa-Moschee und Felsendom ist für beide Seiten ein Symbol. Die Muslime unter den Palästinensern fürchten, dass ihnen der Zugang zu ihrem "Edlen Heiligtum" genommen werden soll. Um dagegen zu protestieren, rufen sie für Dienstag zu einem Generalstreik auf.
    Unruhen in Jerusalem und im besetzten Westjordanland gehen weiter
    Die Unruhen im arabischen Ostteil Jerusalems und im besetzten Westjordanland gehen unvermindert weiter: Straßenschlachten in Jerusalem-Shoafat, viele verletzte Palästinenser bei Hebron, Nablus, Abu Dis und Tulkarem im Westjordanland. Die Notärzte vom Roten Halbmond sprechen von 70 Verletzten auf palästinensischer Seite mit Schussverletzungen durch scharfe Munition der israelischen Armee.
    Gestern kommentierte die israelische Zeitung Yedioth Ahronot auf ihrer Internetseite: "Ohne Hoffnung der Palästinenser" werde Israel "niemals Sicherheit bekommen". Die gegensätzliche Meinung gibt es heute an gleicher Stelle: Selbst als die Palästinenser Hoffnung hatten, so der Autor, habe es weiter Terror gegeben.