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Nahles: Bundestagswahlsieg wird "ein hartes Stück Arbeit"

Inzwischen seien mit Niedersachsen fünf schwarz-gelbe Landesregierungen abgewählt worden, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Das zeige, dass auch das Wahljahr im Bund offen sei.

Andrea Nahles im Gespräch mit Dirk Müller | 21.01.2013
    Dirk Müller: Wie angekündigt ist SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles jetzt am Telefon. Guten Morgen.

    Andrea Nahles: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Frau Nahles, machen Sie sich jetzt auch keine Gedanken mehr und Sorgen über Peer Steinbrück?

    Nahles: Nein, ich mache mir keine Sorgen um Peer Steinbrück. Aber ich habe gestern auch gelernt, das wird ein hartes Stück Arbeit, um diese Bundestagswahl zu gewinnen.

    Müller: Es gibt keinen Rückenwind, oder es hat keinen Rückenwind gegeben. Das hat gestern Sigmar Gabriel, der Parteichef, gesagt. Auch Peer Steinbrück hat gesagt, dass er maßgeblich dazu beigetragen hat, dass es keinen Rückenwind gegeben hat. Kann das besser werden?

    Nahles: Das muss besser werden. Wir haben Themen, die wir in den Vordergrund stellen müssen, und dann hatten wir hier Mediendebatten, teilweise aufgebauscht, aber trotzdem auch natürlich nicht hilfreich, und insoweit war das schon für die niedersächsischen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein ganz schön hartes Stück, das auch trotzdem mit Verve durchzufeiten, was sie gemacht haben und was sie erfolgreich gemacht haben und mit großer Gelassenheit gemacht haben.

    Müller: Redet denn jemand in der Partei offen mit Peer Steinbrück und sagt, das und das und das, was du gemacht hast und wie du im Moment auftrittst, das geht nicht?

    Nahles: Wir reden immer offen. Alles andere bringt auch nichts. Wir haben aber keinen Grund, jetzt hier Krisendebatten zu führen, denn mit Verlaub: knappe Wahlergebnisse hat es auch schon öfter gegeben. Aber trotzdem wird es einen Regierungswechsel geben und damit auch eine Mehrheit im Bundesrat für Rot-Grün. Darüber freuen wir uns. Stephan Weil, der wirklich einen tadellosen Wahlkampf gemacht hat und ein sehr kompetenter Mann ist, der wird jetzt Ministerpräsident. Wir jedenfalls sind froh, dass das geklappt hat, und wir werden das auch auswerten, zum Beispiel auch die Art, wie Wahlkampf gemacht wurde. Die haben ja sehr viele Haustürbesuche auch gemacht und viel mit den Menschen geredet. Das scheint mir, die richtige Medizin zu sein.

    Müller: Unter uns kann ich schlecht sagen, weil ja doch sehr, sehr viele jetzt zuhören. Ich sage es trotzdem jetzt. Unter uns: Das sind zwei Prozent mehr auf einem Ausgangsniveau, was so schlecht war wie noch nie vor fünf Jahren, 30 Prozent, jetzt 32. So gut sieht das noch nicht aus.

    Nahles: Ich habe ja gesagt, das ist ein gutes Stück Arbeit. Aber wissen Sie, Frau Merkel, die hat jetzt fünf Landtagswahlen erlebt, wo Schwarz-Gelb abgewählt wurde. Sie hat sich sehr stark engagiert in Niedersachsen, mehr als sonst, und das Ergebnis dürfte die auch nicht glücklich machen. Das heißt ja nur, dass auch das Wahljahr im Bund offen ist, und das Gute ist, dass auch klar ist, dass nicht die kleinen Parteien hier wirklich nach vorne marschieren, sondern dass wirklich die beiden Alternativen, Schwarz-Gelb auf der einen, Rot-Grün auf der anderen Seite, sich hier auf einen harten Kampf einstellen müssen. Aber das ist auch gut, weil es eben eine klare Alternative ist und mit klaren politischen Forderungen ja unterfüttert werden kann, die wir ja in Niedersachsen jetzt auch hatten. Wir werden jedenfalls das Thema soziale Gerechtigkeit, faire Mieten, Mindestlohn, Familien- und Bildungspolitik in den Mittelpunkt stellen.

    Müller: Frau Nahles, ich habe das eben vor gut einer Stunde Hermann Gröhe, CDU-Generalsekretär, auch gefragt und möchte Ihnen auch diese Frage stellen. Die FDP, ist das so was wie ein kleines politisches Wunder?

    Nahles: Das ist vielleicht ein Stehaufmännchen, das könnte man vielleicht sagen. Aber woher steht sie denn? Auch nicht aus eigener Kraft. Das ist ja ganz eindeutig, dass hier taktisch gewählt wurde. Das kann man auch an der Wählerwanderung sehen. Die haben ja über 100.000 Stimmen von der Union bekommen. Aus eigener Kraft hätten sie es nicht geschafft. Man hat also versucht, ein Regierungsbündnis zu retten, das ist schief gegangen.

    Müller: Entschuldigung! Was heißt aus eigener Kraft? Wenn nur die FDP-Mitglieder die FDP wählen, oder wie meinen Sie das aus eigener Kraft?

    Nahles: Nein! Aus eigener Kraft heißt, wenn sie wirklich als Partei überzeugt hätten. Wenn Sie mich fragen, haben sie das nicht, sondern es war jetzt offenbar eine taktische Überlegung vieler CDU-Wähler auch. Das ist auch legitim, das ist auch völlig in Ordnung. Es hat aber leider jetzt dazu geführt aus Sicht der Union, aus großer Freude für uns, dass das nicht funktioniert hat, und die Union wird sich jetzt überlegen, auch die Wählerinnen und Wähler, ob sie das in Zukunft noch mal machen. Ich glaube das nicht.

    Müller: Aber die SPD hat aus eigener Kraft das zweitschlechteste Ergebnis aller Zeiten erzielt?

    Nahles: Ja wenn Sie so wollen? – Sie können mich überhaupt nicht in schlechte Stimmung versetzen, …

    Müller: War nur eine Frage!

    Nahles: …, weil wir haben natürlich die ganze Zeit gehofft, dass der Wahlsieg klarer ist, aber wir haben seit Juli 33 Prozent fast kontinuierlich gehabt in den Umfragen. Das einzige, was wirklich variiert hat, war die Frage, ob die FDP drinnen oder draußen ist. Damit liegt die niedersächsische SPD momentan deutlich über dem Bundestrend und damit haben die einen hervorragenden Wahlkampf hinbekommen, und deswegen bin ich sehr zufrieden und die niedersächsische SPD kann das auch sein.

    Müller: Jetzt interessiert mich noch eins. Leihstimmen, eigene Kraft war unser Thema. Die Grünen – alles aus eigener Kraft?

    Nahles: Ich denke, dass die Grünen mittlerweile fast überall in Deutschland ein zweistelliges Ergebnis sich erarbeitet haben, und ich denke nicht, dass sie auf die Stimmen anderer Parteien da sehr stark angewiesen sind.

    Müller: Also keine Leihstimmen der SPD?

    Nahles: Leihstimmen glaube ich nicht. Ich glaube, es hat einen kleinen Wählerabfluss von uns zu Gunsten der Grünen gegeben, aber das war nicht dramatisch.

    Müller: Bei uns im Deutschlandfunk heute Morgen SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Danke fürs Gespräch und auf Wiederhören.

    Nahles: Danke – Tschüß!


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