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Nahles will SPD zur "Kümmererpartei" machen

Bremen ist ohnehin eine Hochburg der SPD, doch warum nicht von Siegern lernen? Partei-Generalin Andrea Nahles macht die Bürgernähe der Bremer SPD als kopierwürdig aus - und will diesen "Geist" auf Bundesebene stärken.

23.05.2011
    Friedbert Meurer: Bremen hat gewählt, noch haben wir kein vorläufiges amtliches Endergebnis. Das kommt Mitte der Woche, weil laut Wahlrechtsänderung die Wahlen etwas kompliziert geworden sind mit Kummulieren und Panaschieren. Der Landeswahlleiter hat in der Nacht eine Hochrechnung präsentiert: SPD 38,6 – zwei Punkte mehr als beim letzten Mal -22,4 für die Grünen – wieder ein deutlicher Erfolg -, die CDU erstmals bei einer Landtagswahl hinter den Grünen, nur 20,1, Die Linke 5,8, bleibt drin im Landtag, die FDP kommt nicht rein, erhält nur 2,4 Prozent. – Am Telefon begrüße ich SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Guten Morgen, Frau Nahles.

    Andrea Nahles: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Fast 40 Prozent in Bremen, im Februar 48 Prozent in Hamburg. Was macht die SPD im Norden besser als im Bund?

    Nahles: Also ich glaube, dass die SPD in den Städten deswegen auch stark ist, weil sie doch zeigt, wie nah sie den Menschen ist. Wir sind da Kümmererpartei. Ich konnte mich davon selber noch am Montag überzeugen in der letzten Woche, dass da wirklich in den Quartieren die SPD ein Ansprechpartner für die Menschen ist. Und ich denke, das ist ein Geist und eine Art der Politikvermittlung, den ich auch gerne für die Bundespartei noch stärker machen würde.

    Meurer: Wie wollen Sie das machen?

    Nahles: Ja wir haben zum Beispiel jetzt einen Aktionstag gemacht vor einigen Wochen, wo alle Bundestagsabgeordnete, Landtagsabgeordnete einen Tag in die Pflege gegangen sind, richtig mitgearbeitet haben vor Ort, gezeigt haben, dass sie sich kümmern. Ich denke, solche Aktionen sollten regelmäßig zu unserer Arbeit dazugehören.

    Meurer: Die Diskrepanz ist ja doch erheblich, Frau Nahles: 24 Prozent so etwa in den Umfragen bundesweit, jetzt diese Ergebnisse, fast 40 Bremen, Hamburg fast 50. Ist es eine geografische Sache? Die SPD ist halt im Norden stark, aber im Süden hapert es, wenn wir die zwei letzten Landtagswahlen sehen: deutliche Verluste in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg nur Platz drei.

    Nahles: Na ja, man kann die Geschichte auch anders sagen, nämlich dass die Umfragen schlechter sind als dann die Wahlergebnisse. Wir haben tatsächlich ja da, wo wir wirklich angetreten sind, mit Nordrhein-Westfalen beispielsweise ein großes Bundesland nach fünf Jahren zurückerobert. Die SPD kann offensichtlich kämpfen und sie hat die richtigen Köpfe. Und das entscheidet natürlich in solchen Stadtstaaten und es wird auch in Berlin eine ganz große Rolle sielen. Mit Klaus Wowereit sehe ich uns da auch vorne. Das heißt also, wir haben die richtigen Köpfe und wir haben auch den nötigen Kampfesgeist, und Umfragen sind eben keine Wahlergebnisse, und wir können eben durchaus in Wahlkämpfen offensichtlich Boden gut machen.

    Meurer: Sie betonen die Bedeutung der Spitzenkandidaten, Börnsen Bremen, Scholz und Wowereit in Hamburg und Berlin. Kann man nicht doch überlegen, dass die SPD jetzt schon den Kanzlerkandidaten benennt?

    Nahles: Nein, das ist absolut nicht der richtige Zeitpunkt. Die SPD hat ein Stück weit eigene Stärke zurückgewonnen. Wir müssen aber auch in den Themen uns noch besser profilieren, als wir das in den letzten eineinhalb Jahren vermochten. Dabei sind wir auch gut aufgestellt. Beim Thema Bürgerversicherung haben wir das jetzt schon gemacht. Wir haben ein Konzept vorgelegt, was sich sehen lassen kann. Das müssen wir aber bei anderen Themen wie Steuern und Energie und anderen Themen auch noch weiter vorantreiben. Personalfragen stehen bei uns deswegen auch erst Ende 2012, Anfang 2013 an.

    Meurer: Lernen Sie etwas daraus, dass bürgerliche Kandidaten oder Kandidaten der SPD, die im bürgerlichen Lager besonders gut ankommen, erfolgreich sind bei Wahlen?

    Nahles: Finden Sie Klaus Wowereit besonders bürgerlich?

    Meurer: Noch haben wir die Wahlen ja. Wir haben ja die Wahlen in Berlin noch nicht gehabt, Frau Nahles!

    Nahles: Es war ja jetzt nur mal eine Gegenfrage. – Ich sage Ihnen, offensichtlich sind die Personalangebote sehr passgenau. Also wir hatten zum Beispiel einen Kandidaten in Rheinland-Pfalz, der dort sehr weit vor der Herausforderin bei den Umfragen lag, nämlich Kurt Beck. Der ist natürlich ein ganz anderer Typ als jetzt Jens Börnsen beispielsweise. Ich glaube, die Personen müssen wirklich auch auf die Regionen passen, und da sind auch unterschiedliche Typen gefragt.

    Meurer: Der Spiegel, Frau Nahles, fragt heute Morgen ein bisschen böse: "Lebt sie noch, die SPD, oder stirbt sie schon?" Würden Sie nach Bremen sagen, die SPD ist quicklebendig?

    Nahles: Also ich bin schon erstaunt. Wir werden immer mal wieder – das scheint ja wellenartig zu sein – totgeschrieben. Die SPD hat sich immer sehr gut behaupten können in den Wahlen und sich berappelt. Wir haben eine schwere Wahlniederlage 2009 gehabt im Herbst, das wissen wir, das haben wir aufgearbeitet, aber ansonsten haben wir seither in sechs Wahlen, in sechs Landtagswahlen stellen wir in Vieren den Ministerpräsidenten, in Zweien sind wir mit an der Regierung. Die SPD ist quietsch lebendig!

    Meurer: Das war Andrea Nahles, SPD-Generalsekretärin, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Danke, Frau Nahles, auf Wiederhören.

    Nahles: Auf Wiederhören!

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