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Europa in Krisenzeiten
Gabriel schlägt offensive Töne an

Seit gut zwei Monaten ist Sigmar Gabriel Bundesaußenminister. Bei einem Besuch in Bonn unterstrich er nun sein Ziel, Europa stärker zu einem weltpolitischen Akteur machen zu wollen. Der SPD-Politiker forderte auch, dass Deutschland zugunsten der EU Einfluss abgeben müsse.

Von Moritz Küpper | 07.04.2017
    Bundesaußenminister Sigmar Gabriel erhebt den Zeigefinger
    In Bonn forderte Sigmar Gabriel auch, dass die Bedeutung des Amtes der EU-Außenbeauftragten gestärkt werden müsse. (AP/Efrem Lukatsky)
    Es begann mit einem Blick in Sigmar Gabriels Kalender, ...
    " ... um zu zeigen, wie nah diese Veränderungen gekommen sind, mit denen wir es derzeit zu tun haben. Also, vor gut einer Woche, letzten Freitag, war ich in Brüssel, beim Treffen der NATO-Außenminister."
    Dem folgten unter anderem ein Besuch in London, Stichwort Brexit, Verhandlungen im Fall des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel oder eine EU-Außenminister-Konferenz zu den Themen Syrien und Libyen. Seit gut zwei Monaten ist Gabriel nun oberster Diplomat. Bei seiner Stippvisite an der Bonner Akademie für praktische Politik, machte er deutlich, dass gerade jetzt, gerade in Krisenzeiten, eben doch mehr Europa gefordert sei:
    "Wir werden lernen müssen, auch ein weltpolitischer Akteur zu sein."
    Das Amt der EU-Außenbeauftragten stärken
    Dabei müsse Deutschland aber aufpassen, nicht in die Falle zu tappen, den Rufen nach mehr deutscher Führung zu erliegen:
    "Darin sind sich übrigens die in Peking, in Moskau und Washington einig, die möchten immer nur in Berlin anrufen. Das ist eine gefährliche Geschichte, weil Europa nicht so konstituiert ist, dass es nur um Deutschland geht."
    Im Gegenteil: Der Außenminister forderte sogar, Einfluss abzugeben – zu Gunsten der EU.
    "Das ist ein bisschen schwierig, weil alle Außenminister sagen, die europäische Außenpolitik ist wichtig und wenn es darauf ankommt, dann wollen wir es natürlich selbst machen. Aber ich glaube, dass wir gut daran tun, dass wir die Außenpolitik und die hohe Beauftragte für außenpolitische Angelegenheiten, Federica Mogherini und ihr Amt stärken müssen, wir müssen sie reinholen in all die Formate, in denen wir verhandeln."
    Beispielsweise beim anstehenden G7-Außenminister-Treffen in der kommenden Woche in Lucca, Italien. Es ist ein Selbstbewusstsein, so Gabriel in Bonn, das auf die eigenen Stärken vertrauen solle. Das gelte beispielsweise auch im Umgang mit der Türkei. Bewusst reagiere er nicht auf die Provokationen von Erdogan. Aber:
    "Wenn ich könnte, wie ich wollte, kann ich leider nicht, dann würde ich jetzt Visa-Freiheit geben für Journalisten, für Wissenschaftler, für Unternehmer, für Intellektuelle. Denen würde ich sagen: Kannst kommen, brauchst kein Visum. Also, ich finde es eine Form von Softpower auch im Umgang mit der Türkei, die wir nicht unterschätzen sollten."
    Gabriel sieht Hoffnungsschimmer - trotz vieler Krisen
    Das gelte auch im Hinblick auf Russland und Wladimir Putin. Wobei sich der noch immer neue Außenminister nicht der Auffassung anschließen wollte, dass Putin mit seinem kraftvollen Verhalten von eigenen Schwächen ablenke. Dennoch: Gefragt, ob er sich, gerade als Sozialdemokrat, in der aktuellen Boykott-Situation nicht eher ein Beispiel an Willy Brandts Ostpolitik nehmen sollte, schüttelte Gabriel den Kopf:
    "Der Spruch hieß: Wandel durch Annäherung. Nicht: Annäherung durch Wandel. Die haben nicht ihre Positionen gewandelt. Haben übrigens auch nicht vorausgesetzt, dass der andere das macht, sondern darauf gesetzt, dass das durch Annäherung irgendwann der Fall ist."
    Doch grundsätzlich, so Gabriel bei seiner Reise durch die aktuell krisen-erprobte Außenpolitik, gebe es – auch wegen des Brexits – im Hinblick auf das von ihm skizzierte gemeinsame, machtbewusste Europa, auch einen Hoffnungsschimmer:
    "Offensichtlich lernt man schneller unter Schmerzen, als durch Einsicht, was mich als Pädagogen …, ich bedauere das zutiefst. Eigentlich soll man an einem guten Beispiel mehr lernen, als am schlechten, aber die Schmerzen sind natürlich riesig zurzeit und scheinbar entwickelt sich daraus eine eben auch durchaus die Bereitschaft."
    Sprachs – und reiste weiter: Nach Mali, einem weiteren Krisenstaat.