Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Nahost-Konflikt
Israel droht mit noch größerer Bodenoffensive

Israel hat damit gedroht, die Bodenoffensive im Gazastreifen bei Bedarf "erheblich auszuweiten". Die UNO und die USA forderten einen gezielteren Einsatz, von dem die Zivilbevölkerung stärker als bislang verschont bleibe. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warf Israel Völkermord vor.

18.07.2014
    Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu begründete den Invasionsbefehl damit, dass die Tunnel der radikalen Palästinenser-Organisation Hamas nicht allein durch Bombardierungen zerstört werden könnten. "Gemeinsam mit dem Verteidigungsminister habe ich das Militär angewiesen, sich auch auf eine mögliche deutliche Ausweitung der Operationen am Boden einzustellen", sagte der Ministerpräsident nach einer Sondersitzung des Kabinetts in Tel Aviv. Korrespondenten beobachten vor Ort bereits einen Aufmarsch weiterer israelischer Soldaten an der Grenze zu Gaza:
    It always amazes me just how young Israeli soldiers are as I watch bus after bus-load arrive at the border #Israel pic.twitter.com/mpbE6PAC6s— Emily Wither (@ewither) July 18, 2014
    Neben der Zerstörung der Raketen der Hamas "und anderer terroristischer Gruppen im Gazastreifen" hat die Armee laut Netanjahu den Auftrag, "die Terrortunnel zu zerstören, die aus dem Gazastreifen nach Israel gegraben wurden". Die israelische Armee hatte gestern einen Anschlag von 13 schwerbewaffneten Angreifern vereitelt. Diese rückten in einem Tunnel auf den nahe gelegenen Kibbuz Sufa vor.
    Abbas warnt vor Folgen der Bodenoffensive
    Im Zuge der Bodenoffensive wurden bisher 33 Palästinenser getötet, darunter ein fünf Monate altes Baby und drei Jugendliche. Die Gesamtzahl der palästinensischen Todesopfer stieg seit Beginn der Militäroffensive am 8. Juli mehr als 270 Menschen. Die Armee hat nach eigenen Angaben rund 150 Ziele angegriffen und zerstört, darunter Raketenwerfer, Tunnel und eine Waffenfabrik. Dabei seien auch Kämpfer gefangen genommen worden.
    In Gaza waren die Straßen menschenleer. Nur zum dritten Freitagsgebet im Fastenmonat Ramadan gingen die Menschen kurz in die Moscheen, wo die Imame zum Durchhalten aufriefen und einen nahen Sieg versprachen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte Israel dazu auf, die Bodenoffensive zu stoppen. Der Einsatz werde nur zu noch mehr Blutvergießen führen und die Bemühungen um ein Ende der Gewalt verkomplizieren. Die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge hat sich nach UN-Angaben binnen 24 Stunden auf rund 40.000 Menschen fast verdoppelt.
    Papst Franziskus appellierte in Telefongesprächen an die Präsidenten Israels und der Palästinenser, Schimon Peres und Mahmud Abbas, auf ein Ende der Gewalt hinzuwirken. Das Oberhaupt der Katholischen Kirche sagte, nachdem zunehmender Hass und die Feindseligkeiten eine wachsende Zahl von Opfern gefordert hätten, herrsche im Gazastreifen ein "gravierender humanitärer Notstand".
    Leise Kritik von UNO und USA an Israel
    Der UNO-Sicherheitsrat wird noch heute zu einer Dringlichkeitssitzung zur Lage im Nahen Osten zusammenkommen. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, Israel müsse noch "weit mehr tun, um zivile Opfer zu vermeiden". Auch US-Außenminister John Kerry forderte in einem Telefonat mit Netanjahu, die Bodenoffensive müsse sich "zielgerichtet" gegen die Tunnel richten.
    Der UNO-Sicherheitsrat berät heute Abend über den Nahost-Konflikt.
    Der UNO-Sicherheitsrat berät heute Abend über den Nahost-Konflikt. (AP)
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hob das Recht Israels auf Selbstverteidigung hervor. Die jüngsten Ereignisse hätten gezeigt, dass die Hamas inzwischen über "eine völlig neue Qualität der Bewaffnung" verfüge, sagte Merkel am Freitag in Berlin. "Jedes Land muss sich, wenn es so angegriffen wird, auch wehren." Auswirkungen des Nahost-Konflikt sind auch in Deutschland zu spüren: In Essen hat die Polizei 14 Menschen festgenommen. Sie stehen unter dem Verdacht, gemeinsam schwere Straftaten geplant zu haben. Als Ort wurde die Alte Synagoge genannt.
    Die ägyptische Regierung, die in dem Konflikt vermittelt, verurteilte ebenfalls die weitere Eskalation, kritisierte aber vor allem die Hamas: "Hätte die Hamas die ägyptischen Vorschläge akzeptiert, wäre seitdem das Leben dutzender Palästinenser verschont geblieben", sagte Außenminister Samech Schukri. Kairo hatte am Dienstag Pläne für einen Waffenstillstand vorgelegt, die von Israel akzeptiert und von der Hamas abgelehnt wurden.
    Frankreichs Außenminister Laurent Fabius berichtete, der Palästinenserpräsident habe ihn um Vermittlung gebeten. Paris solle sich bei den Hamas-Verbündeten Katar und Türkei dafür einsetzen, Einfluss auf die Hamas auszuüben, damit diese eine Feuerpause akzeptiere.
    Erdogan: "Israel verübt einen Völkermord"
    Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat Israel einen Völkermord im Gazastreifen vorgeworfen. Zudem betreibe es mit seiner derzeitigen Offensive "Staatsterror". Erdogan rief die islamische Welt auf, gemeinsam gegen Israel Stellung zu beziehen. Eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der Türkei und Israel sei ausgeschlossen, solange er im Amt sei, sagte Erdogan weiter. Israel bedrohe den Weltfrieden und habe "nie auf der Seite des Friedens gestanden".
    Der türkische Ministerpräsident Reccep Tayyip Erdogan wirft Israel Völkermord vor.
    Der türkische Ministerpräsident Reccep Tayyip Erdogan wirft Israel Völkermord vor. (dpa / picture-alliance / Henning Kaiser)
    Die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel sind seit 2010 in einer Dauerkrise. Damals erschossen israelische Soldaten zehn türkische Aktivisten, die an Bord eines Schiffes Hilfsgüter nach Gaza bringen wollten. In den vergangenen Monaten hatten sich beide Seiten einander wieder angenähert.