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Nahost-Konflikt
Mogherini testet die Stimmung

In den kommenden zwei Tagen wird die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach Ramallah und Jerusalem reisen, um die politische Stimmung für Neuverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern zu testen. Die EU wolle bei künftigen Verhandlungen eine wichtige Rolle übernehmen, kündigte sie an. Doch was kann Europa tun?

Von Torsten Teichmann | 20.05.2015
    Federica Mogherini während einer Pressekonferenz.
    EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. (dpa / Georgi Licovski)
    Die Wirtschaftskrise hat in den vergangenen Wochen endgültig Ramallah erreicht. In der palästinensischen Stadt im Westjordanland gibt es Ministerien, Büros und Banken, die Angestellte beschäftigen. Doch wenn der öffentliche Dienst keine vollen Gehälter zahlt, dann bekommen das alle zu spüren, klagt der Palästinenser Yousef Zider. Er ist Manager im Bravo-Supermarkt in Ramallah:
    "Für die letzten drei Monate haben die Menschen nur 60 Prozent ihres Einkommens erhalten. Das trifft uns direkt. Die Kunden kaufen das Nötigste, Lebensmittel, aber nichts darüber hinaus."
    Schweden wird im Mai mit 4,3 Millionen Euro einspringen. Auch Israel will wieder Zolleinnahmen an die Palästinenser überweisen. Aber eine Lösung der wirtschaftlichen Krise ist das nicht. Denn die politischen Ursachen, die Wurzeln des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern geht derzeit kaum jemand an.
    Ein Konflikt mit Europa und den USA ist nicht zu vermeiden
    In den kommenden zwei Tagen testet die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, ein weiteres Mal die politische Stimmung in Ramallah und Jerusalem. Mogherini sagte vor ihrer Abreise, die EU sei bereit, eine wichtige Rolle beim Neustart von Verhandlungen zu übernehmen. Und allgemein wird erwartet, dass Europa Druck auf die neue, rechts-nationalistische Regierung in Israel ausübt. Aber wie?
    Zumal Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu der Sorge widerspricht, seine Politik isoliere das Land. Vielmehr sieht Netanjahu Israel Schulter an Schulter mit einigen Nachbarstaaten der von Gewalt gezeichneten Region:
    "Viele Staaten in der Region teilen unsere Ansichten. Sie schätzen die Gefahren gleich ein. Sie sagen: Um Gefahren abzuwehren, sei Israel ein wichtiger Partner. Wir bemühen uns, diese Partnerschaft in Stabilität und Frieden zu verwandeln. Dazu gehört auch eine verantwortungsvolle, diplomatische Verständigung mit den Palästinensern, die vitale Israels Interessen schützt."
    "Eine diplomatische Verständigung", sagt Netanjahu. Ein Konzept gibt es nicht. Außerdem hat Netanjahu gerade einen erklärten Gegner einer Zwei-Staaten-Lösung zum Beauftragten für Gespräche mit den Palästinensern gemacht: Innenminister Silvan Schalom.
    Ein Konflikt mit den Interessen der Europäer und Amerikaner ist nicht zu vermeiden: Der Botschafter der USA in Israel, Dan Shapiro bemüht sich im Radio um Zurückhaltung:
    "Ich schätze Minister Shalom sehr. Aber es ist bekannt, dass es Meinungsverschiedenheiten zwischen Israel und den USA gibt, was die Siedlungen angeht. Das hat sich nicht geändert und das wird sich auch nicht ändern. Wir müssen aber trotzdem nach Wegen suchen, die notwendige Lösung voranzutreiben - zwei Staaten für zwei Völker."
    Zeitplan für die Schaffung eines palästinensischen Staates
    Anders als in Israel gilt bei der US-Regierung und in vielen Staaten in Europa die Besatzung des Westjordanlandes und die Kontrolle des Gazastreifens durch Israel als Hindernis für eine politische Lösung des Konflikts mit den Palästinensern.
    Und was kann Europa tun? Frankreich bereite eine Resolution für den UN-Sicherheitsrat vor, heißt es. Ein Text, der einen Zeitplan für die Schaffung eines palästinensischen Staates festlegen könnte. Deutschland wird sich dabei wohl zurückhalten. Auch der Vorschlag einer erweiterten europäischen Kennzeichnung von Produkten aus israelischen Siedlungen ist umstritten. Es wird deshalb interessant, an welcher Stelle die EU-Außenbeauftragte Mogherini bei ihrem Besuch in Nahost ansetzen will.