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Nahost-Konflikt
"Tote Palästinenser sind Opfer der Hamas"

Salman Shoval, Ex-Berater des ehemaligen israelischen Premierministers Ariel Scharon, glaubt nicht an einen Frieden im Nahen Osten. Die Hamas wolle keine Beruhigung der Lage, sagte er im DLF. Europäer sollten Druck auf die palästinensischen Regierung ausüben und mit Sanktionen drohen.

Salman Shoval im Gespräch mit Christine Heuer | 14.07.2014
    Der Krieg im Nahen Osten sei deshalb so schwierig zu beenden, weil die Hamas eine terroristische Organisation sei, sagte Shoval. Sie sei hauptsächlich ideologisch geprägt und werde nicht von politischen Motiven angetrieben. Die Hamas wolle keinen Frieden.
    Den Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen dürfe Israel unter keinen Umständen tolerieren. Daher seien die durch die israelischen Luftangriffe getöteten palästinensischen Zivilisten letztendlich auch Opfer der Hamas. Israel habe sich aus dem Gaza-Streifen unter Ariel Sharon zurückgezogen, damit Frieden im Nahen Osten herrschen könne. Das Gegenteil sei eingetreten, sagte Shoval.
    Der Konflikt sei zwar nicht wirklich zu lösen, aber man müsse es zumindest versuchen. Er hofft dabei auf Unterstützung unter anderem von Ägypten. Da die Hamas inzwischen ein Teil der palästinensischen Regierung sei, sollten auch die Europäer Druck auf die Regierung ausüben.

    Christine Heuer: Ein ganz anderes Thema: Israel fliegt weiter Angriffe auf Gaza. Von dort feuert die Hamas weiter Raketen auf Israel. Die Opfer überwiegend palästinensische Zivilisten.
    Am Telefon ist Salman Shoval, Mitglied der israelischen Likud-Partei, ehemaliger israelischer Botschafter in den USA. Er war auch Berater von Ministerpräsident Ariel Sharon. Guten Morgen, Herr Shoval.
    Salman Shoval: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Mehr als 160 Palästinenser sind tot, mehr als 1.100 sind verletzt, Tausende auf der Flucht. Wann, Herr Shoval, stellt Israel seine Angriffe ein?
    Shoval: Ja, wissen Sie, das ist natürlich die Tragödie. Die Tragödie ist, dass die zivilen Palästinenser im Gazastreifen die Hauptopfer der Hamas-Terroristen sind. Und diese ganze Sache, wie sich das dort abspielt, ist ja kein normaler Krieg. Es ist auch kein normales politisches Problem oder militärisches Problem. Es ist ein Kampf zwischen einer Terrororganisation, einer Terrorgruppe, genau wie die im Irak und in Syrien, die eigentlich keinen Frieden wollen und auch keine richtige Lösung wollen, denn sie sind nicht politisch. Sie sind ideologisch, sie wollen im Mittleren Osten, vielleicht später auch in Europa ein Kalifat gründen. Sie sind daran erpicht, alle Nicht-Sunni-Muselmanen physisch zu zerstören, ob sie jüdisch sind oder christlich oder Schia sind. Diese rationalen, würde ich sagen, Argumente, das lohnt sich nicht, das kann man anders lösen, man muss sprechen und so weiter, das klingt natürlich für uns sehr richtig, aber für die viel weniger. Die sagen sich, oh ja, Leute werden getötet, auf unserer Seite auch, also auch Palästinenser, aber die werden dann Märtyrer und das sind die Opfer unseres ideologischen Zieles. Alle Bemühungen, ich würde sagen, der westlichen Mächte und auch Israels selbst und auch Ägyptens, das irgendwie zu einer Lösung zu bringen, diplomatischen Lösung, haben wir die Erfahrung schon gehabt in 2012. Da war etwas Ähnliches ...
    "Israel musste etwas tun"
    Heuer: Herr Shoval, darf ich kurz unterbrechen. Sie beantworten schon lauter Fragen, die ich Ihnen noch stellen möchte. Ich möchte einhaken. Sie haben gesagt, die Zivilisten, die Palästinenser seien Hamas-Opfer. Tatsächlich sind sie ja israelische Opfer oder Opfer der Israelis, denn sie töten, verletzen und vertreiben Zivilisten.
    Shoval: Nein, sie sind Hamas-Opfer, wenn ich sagen darf, Frau Heuer, wie sehr viele Deutsche die Opfer der Nazi-Regierung waren, als die Engländer und die Amerikaner Deutschland bombardierten. Das hätte auch nicht sein sollen, nicht wahr. Das ist dieselbe Sache. Wir haben keinen Angriff an den Gazastreifen gemacht. Im Gegenteil! Wir haben uns aus dem Gazastreifen zurückgezogen. Der Gazastreifen ist eigentlich ein unabhängiger Staat heute. Und schon, würde ich sagen, seit über einem Jahr schießen die Hamas-Organisationen und andere kleinere Gruppen Raketen nach Israel, an israelische Zivilisten. Ich glaube, kein Land, kein Land kann das als akzeptabel akzeptieren, dass jeden Tag und jede Nacht ihre Zivilbevölkerung beschossen wird. Da musste Israel etwas tun. Dann kam noch dazu der Mord der drei israelischen Jungen. Das hat natürlich eine Situation geschafft, wo Israel etwas tun musste, nicht wollte, nicht wollte.
    "Das Problem kann man nicht richtig lösen"
    Heuer: Die Frage ist doch jetzt, Herr Shoval, wie kommt man da raus. Heute fordert der UN-Generalsekretär eine Waffenruhe. Wenn die Palästinenser Ja dazu sagen, sagt Israel dann auch Ja?
    Shoval: Schauen Sie, dann muss man sehen, unter welchen Bedingungen, denn es ist natürlich vollkommen unakzeptabel, nachdem Israel ziemlich effektiv die Raketenbatterien wahrscheinlich eliminiert hat im Gazastreifen, wie Ihre Korrespondentin aus von Tel Aviv vorhin sagte, dass jetzt die Hamas neue Raketen bekommen wird von Iran und Syrien, denn was sich heute abspielt oder was sich in den letzten paar Monaten abgespielt hat, war ein Resultat von Hunderten, vielleicht mehr neuen Raketen, mehr moderneren Raketen iranischem Ursprungs und syrischem Ursprungs, und wenn das jetzt wieder erneuert werden sollte, dann wird dieser ganze Waffenstillstand, wie Sie sagten, natürlich ein Stillstand für einige Monate sein und dann fängt die ganze Sache wieder an. Schauen Sie, ich bin realistisch genug, um zu verstehen, dass man das Problem nicht richtig lösen kann, weil eine ideologische extreme Organisation an der anderen Seite ist, für die Opfer, menschliche Opfer keine Rolle spielen. Aber man muss versuchen, es zu vermindern, und das ist, was Israel versucht zu tun, hoffentlich mit der Hilfe der anderen, der demokratischen Welt, weil wir eigentlich zusammen im selben Kampf sind.
    Heuer: Herr Shoval, wer soll denn vermitteln? Sie haben Ägypten angesprochen, die USA kämen in Frage.
    Shoval: Ja. Ägypten wäre bestimmt effektiv, wenn sie es tun wollten, und ich hoffe, dass sie es tun wollen, denn der Gazastreifen ist immer noch in gewissem Maße von Ägypten, von den Tunnels, die zwischen Sinai und dem Gazastreifen sind, abhängig, ich würde sagen, nicht absolut, aber relativ, und Ägypten könnte da was tun. Amerika? – Schauen Sie, Amerika versucht. Amerikas guter Willen ist unbezweifelt. Aber wie effektiv Amerika sein kann, jedenfalls von der Seite der Hamas, das ist ein großes Fragezeichen.
    Europäer sollten Druck auf palästinensische Regierung ausüben
    Heuer: Heute kommt der deutsche Außenminister in die Region. Spielen die Deutschen oder die Europäer überhaupt eine Rolle in diesem Konflikt?
    Shoval: Ja, denn seit dem Abkommen, dem sogenannten Versöhnungsabkommen zwischen der Hamas und dem palästinensischen Präsidenten, also Abu Masen, spielen natürlich die Europäer, besonders die Europäer, wie auch die Amerikaner, eine finanzielle Rolle, indem sie sehr viele teure Gelder an die Palästinenser liefern. Früher war Hamas natürlich separat, jetzt ist es ein Teil der palästinensischen Regierung und die Europäer könnten das ganz klar machen, auch dem Abu Masen, der natürlich eine problematische Rolle spielt, und ihm sagen, ihr müsst die Hamas beeinflussen, den Terror aufzuhören, sonst werden wir die finanzielle Hilfe stoppen.
    Heuer: Und das wäre dann aus Ihrer Sicht auch das wichtigste Ergebnis einer erfolgreichen Vermittlung, dass die Hamas für alle Zeiten ihre Angriffe einstellt? Ganz kurz zum Schluss, Herr Shoval.
    Shoval: Ja, das ist natürlich das Ziel. Wir haben uns aus dem Gazastreifen zurückgezogen, weil wir nicht weiter dort sein wollten, und wir erwarteten, Ministerpräsident Sharon erwartete, dass dann der Frieden ausbricht, jedenfalls an der Grenze, und das Gegenteil ist geschehen.
    Heuer: Salman Shoval, Likud-Politiker aus Israel. Er war Botschafter in den USA für sein Land und er war Berater von Ministerpräsident Ariel Sharon. Herr Shoval, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
    Shoval: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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