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Nahost-Konflikt
"Was Trump anbietet, ist oberflächlich"

Der israelische Historiker Moshe Zimmermann setzt wenig Hoffnungen in den Vorstoß des US-Präsidenten, im Nahost-Konflikt zu vermitteln. Donald Trump denke immer, Dinge seien einfach, und entdecke dann die Schwierigkeiten, sagte Zimmermann im DLF. Unerwartet sei allerdings Trumps Kompromissbereitschaft gegenüber den Palästinensern.

Moshe Zimmermann im Gespräch mit Christine Heuer | 23.05.2017
    Moshe Zimmermann im Gespräch.
    Das Allerwichtigste für die israelische Regierung sei die Zustimmung Trumps zur israelischen Siedlungspolitik, sagt Moshe Zimmermann, Historiker an der Uni Jerusalem (dpa / Martin Schutt)
    Christine Heuer: Eine seltene Gelegenheit auf Frieden im Nahen Osten, die sieht Donald Trump nach seinem Amtsantritt. Denn wer, wenn nicht er, sollte den ultimativen Deal hinbekommen – auch das ein Zitat -, Frieden zu schaffen nämlich zwischen Israel und den Palästinensern. Wie so ein Deal aussehen könnte, darüber hat der neue US-Präsident bisher allerdings wenig gesagt. Mit Spannung wird eine Grundsatzrede heute von ihm erwartet. Die hält er in Israel. Dort ist er gerade zu Besuch. Darüber möchte ich sprechen mit dem israelischen Historiker Moshe Zimmermann. Guten Morgen!
    Moshe Zimmermann: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Donald Trump, Herr Zimmermann, hat offenbar einen Geheimplan zur Lösung des gordischen Knotens, Frieden im Nahen Osten. Warum ist da früher niemand drauf gekommen?
    Zimmermann: Weil es kein Plan ist und kein Geheimplan. Er redet von einem Frieden, er redet von einer Bereitschaft, von einer Möglichkeit, hier wie nie zuvor zu einem Frieden zu kommen. Aber was er als Inhalt da anzubieten hat, da müssen wir noch heute auf seine Rede warten. Und ich nehme an, dass da nicht viel Konkretes dabei herauskommt. Er versucht, die Kontrahenten, die Israelis und Palästinenser dazu zu bewegen, Vertrauensmaßnahmen anzubieten oder zu schaffen und über diesen Weg dann weiterzugehen. Wie immer bei Trump: Er denkt, dass Sachen einfach sind, und entdeckt nachher die großen Schwierigkeiten.
    Heuer: Und komplexer als diese Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern ist ja wenig in der internationalen Politik. Nehmen die Kontrahenten diesen US-Präsidenten eigentlich wirklich ernst?
    Zimmermann: Leider ja. Auf jeden Fall ist die israelische Regierung von Trump begeistert, schon vom Tag seiner Wahl. Er gilt als Israel-Freund, er gilt als jemand, der bereit ist, die israelische Siedlungspolitik am Ende doch zu akzeptieren. Das ist mindestens die Stimmung in der Regierung und deswegen wollen die ihn ernst nehmen. Auf der anderen Seite müssen die Palästinenser ihn auch ernst nehmen, wenn die Israelis ihn ernst nehmen. Was dabei herauskommt, ist fraglich.
    "Verrat von Geheimnissen ist nicht das Wichtigste"
    Heuer: Nun ist es aber so, dass die israelische Regierung natürlich total euphorisch war nach Trumps Wahl zum US-Präsidenten. Es hat aber in der Zwischenzeit ja zahlreiche Irritationen gegeben, zum Beispiel den Geheimnisverrat möglicherweise oder vermutlich israelischer Geheimdienstinformationen an die Russen. Wie sieht diese Regierung hinter verschlossenen Türen Donald Trump denn inzwischen?
    Zimmermann: Für diese Regierung ist dieser Verrat von Geheimnissen nicht das Wichtigste. Das Allerwichtigste für diese Regierung ist die Zustimmung von Trump zur israelischen Siedlungspolitik. Und da kommen aus Amerika, auch von Trump, Töne, die man vorher nicht erwartet hat: mehr Kompromissbereitschaft gegenüber den Palästinensern. Man versucht, jetzt auf der Seite der Palästinenser auch mehr Möglichkeiten zu bekommen, um Wohnungen, Häuser zu bauen in den von Israelis besetzten Gebieten. Das ist etwas, was die israelische Regierung nicht mag. Und ich nehme an, dass in dem Moment, wo sich das ein bisschen konkretisiert, die Spaltung innerhalb der israelischen Regierung zum Ausdruck kommt. Die israelische Regierung ist im Großen und Ganzen für eine Fortsetzung der Siedlungspolitik und hofft sehr, dass das von Trump akzeptiert wird.
    Heuer: Was meinen Sie mit Spaltung innerhalb der israelischen Regierung?
    Zimmermann: Innerhalb der israelischen Regierung gibt es Extreme und Extremere, und zwischen den beiden Gruppierungen kann es zu einer Spaltung kommen oder zu Reibereien kommen. Es gibt dort die absoluten Hardliner, die davon ausgehen, dass Israel zwischen Jordan-Tal und Mittelmeer ein Staat sein wird, wo die Palästinenser sich unterzuordnen haben, und es gibt diejenigen, die bereit sind, vielleicht für bestimmte Gebiete irgendwelche Zugeständnisse zu ermöglichen. Das ist der Unterschied innerhalb der Regierung, der zu dieser Spaltung führen könnte.
    Heuer: Das heißt unter anderem auch, Donald Trump macht jetzt seinem Freund Netanjahu das Leben erst mal nicht wirklich so viel leichter. Auf der anderen Seite – Sie haben es erwähnt, Herr Zimmermann – hat Israel auf Bitten Trumps bereits Zugeständnisse an die Palästinenser gemacht. Heißt das nicht, dass diese neue Art von Donald Trump, die ja so keiner kennt, dass die vielleicht doch Erfolg versprechend ist?
    Zimmermann: Das, was Trump da anbietet, ist oberflächlich. Ich will nicht voreilig urteilen. Wir warten heute auf seine Rede um die Mittagszeit. Aber dass das, was bisher besprochen war, eher oberflächlich ist, ist ziemlich klar. Es geht ja um die Essenz: Ist Israel bereit, eine Zwei-Staaten-Lösung zu akzeptieren, ja oder nein? Und es scheint, dass die israelische Regierung in Richtung gegen die Zwei-Staaten-Lösung geht. Und zweitens geht es dann um die Siedlungspolitik: Soll man die bremsen, soll man die zähmen, oder kann man die fortführen? Darum geht es und ich weiß nicht, ob da Trump ein Rezept hat, um beide Seiten zu einer Befriedigung zu bringen. Was klar ist: Er hört auch auf das, was aus Saudi-Arabien kommt, und ich nehme an, dass das ihn dazu bewogen hat, diese Zugeständnisse von Seiten der israelischen Regierung zu verlangen.
    "Für Israel sind die Grenzen des künftigen Israels das A und O"
    Heuer: Saudi-Arabien, Herr Zimmermann, da wollte ich Sie nach fragen. Denn dort war Donald Trump ja tatsächlich zu allererst auf seiner ersten Auslandsreise und er hat dort mal eben einen Waffendeal über mehr als 100 Milliarden, genau 110 Milliarden Dollar, unterschrieben. Wie kommt denn das eigentlich an in Israel? Saudi-Arabien ist ja jetzt nicht gerade der beste Freund Israels.
    Zimmermann: Das ist richtig, aber das ist die amerikanische Tradition. Die Amerikaner verkaufen immer Waffen an die Saudis und Israel versucht, ein Gleichgewicht zu schaffen, auch von Amerika Waffen zu kaufen. Das ist selbstverständlich keine Garantie für Frieden im Nahen Osten, aber das ist nicht das große Problem Israels. Aus der Sicht der israelischen Regierung ist es nicht die Frage, hat Saudi-Arabien zu viele Waffen oder nicht, sondern die Frage, steht Saudi-Arabien klar gegen Iran, da für Israel Iran der Teufel ist. Und zweitens, hat das überhaupt etwas mit der Besatzung Israels in Palästina zu tun, weil für Israel die Grenzen vom künftigen Israel das A und O ist.
    Heuer: Herr Zimmermann, kurze Frage zum Schluss, auch wenn die ziemlich umfassend ist. Iran als gemeinsamer Gegner Israels und Saudi-Arabiens und auch anderer arabischer Staaten, das scheint ja ein bisschen die Idee von Donald Trump zu sein, dass der gemeinsame Feind Iran die arabischen Staaten, Israel, die Region zusammenschweißt. Kann das funktionieren?
    Zimmermann: Eine Sache ist klar: Die Feindschaft zwischen Saudi-Arabien und Iran ist eigentlich das Fundament der Beziehungen im Nahen Osten.
    Heuer: Herr Zimmermann, wir haben nicht viel Zeit. Kurze Antwort bitte auf die Frage.
    Zimmermann: Das ist etwas, womit man rechnen muss. Das ist die Feindschaft. Israel versucht, von dieser Feindschaft zu gewinnen. Ob das gelingt, ist eine offene Frage.
    Heuer: Der israelische Historiker Moshe Zimmermann. Ich danke Ihnen für das Gespräch, das wir ein bisschen abrupt beenden müssen. Entschuldigen Sie dafür. Guten Tag, Herr Zimmermann.
    Zimmermann: Guten Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.