Dienstag, 16. April 2024

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England nach dem Sieg über Deutschland
"Vom Gefühl her ist England schon Europameister"

Nach dem Sieg über Deutschland ist die Euphorie auf der Insel sehr groß, sagte Raphael Honigstein im Deutschlandfunk. Das Trauma von Niederlagen gegen die DFB-Elf bei wichtigen Turnieren sei nun ein Stück weit geheilt. Bis zum EM-Titel ist es aber noch ein weiter Weg, sagte der Journalist.

Raphael Honigstein im Gespräch mit Marina Schweizer | 30.06.2021
Großbritannien, London: Fußball: EM, England - Deutschland, Finalrunde, Achtelfinale im Wembley Stadion. Englands Harry Kane (M) erzielt gegen Torwart Manuel Neuer das Tor zum 2:0.
Nach dem Sieg über Deutschland steht England im EM-Viertelfinale. Der Weg ist Endspiel vor heimischen Publikum ist nun nicht mehr weit. (dpa-Bildfunk / AP / Frank Augstein)
Nach 55 Jahren hat England Deutschland mal wieder in einem K.o.-Spiel bei einem Turnier bezwungen, letztmals war dies den "Three Lions" beim WM-Finale 1966 gelungen. Die englische Presse feierte das Überwinden des Traumas frenetisch.

"Das ist eine große Erleichterung und Genugtung, weil man ein kleines Stück der Schmerzen und des Traumas heilen konnte", sagte Journalist und Buchautor Raphael Honigstein im Deutschlandfunk. Zwar könne man auf englischer Seite die Geschichte nicht ändern, aber mit Siegen natürlich dafür sorgen, dass sich die Geschichte nachträglich nicht mehr so schlimm anfühlt, sagte Honigstein. Der seit 1993 in London lebt und als Kenner des britischen Fußballs gilt.

Die Angst vor dem Scheitern

"Vom Gefühl her ist England nach dem Sieg über Deutschland schon Europameister", sagte Honigstein. 55 Jahre des Schmerzes seien nun in gewisser Weise relativiert worden, aber England habe seit 1966 keinen großen Titel mehr gewonnen. Es gebe aber immer noch eine große Gruppe in der englischen Bevölkerung, die Angst vor einem erneuten Scheitern der eigenen Mannschaft habe. Zu schwer wiegen die Enttäuschungen der letzten Jahre und Jahrzehnte.

England verfüge derzeit über gutes Spielermaterial und vor allem habe Trainer Gareth Southgate der Mannschaft ein gutes System verpasst, wo Wert auf die Defensive und einen pragmatischen Ansatz gesetzt werde, analysierte der Journalist, der für The Athletic und den Spiegel schreibt.

Niederlage von Frankreich als Warnung

England sei nun in der Lage ins Endspiel einzuziehen, aber es gewinne bei der Europameisterschaft nicht immer die bessere Mannschaft, wie die Niederlage Frankreichs gegen die Schweiz gezeigt habe, sagte Honigstein. Dies sei eine Warnung für die "Three Lions" und Southgate sei dies durchaus bewusst. Zudem seien mit Spanien, Italien und Belgien auch noch Mannschaften im Turnier, die vielleicht noch ein Stück besser als England seien, sagte Honigstein