Donnerstag, 18. April 2024

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Nahostpolitik der USA
"Wir müssen uns auf neue Zeiten einstellen"

Die Nahostrede des scheidenden US-Außenministers John Kerry sei nicht mal mehr Symbolpolitik. Mit Donald Trump warte schon der nächste US-Präsident. "Und da können wir ganz andere Töne erwarten als die, die Kerry von sich gegeben hat", sagte Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im DLF.

Josef Braml im Gespräch mit Stefan Heinlein | 29.12.2016
    Josef Braml, Experte für transatlantische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.
    Josef Braml, Experte für transatlantische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. (picture-alliance/ dpa / Privat /Arno Wolf)
    Stefan Heinlein: Zu Beginn dieser Sendung haben wir berichtet über die Nahostrede von John Kerry, dem scheidenden US-Außenminister. Sie markiert eine weitere Volte der US-Außenpolitik, über die ich jetzt reden möchte mit Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Guten Tag, Herr Braml!
    Josef Braml: Guten Tag, Herr Heinlein!
    Heinlein: Herr Braml, acht Jahre hatten Obama und Kerry Zeit, im Nahen Osten Zeichen zu setzen. Warum wagt man sich in Washington erst jetzt, so kurz vor Ende der Amtszeit, aus der Deckung?
    Braml: Ja, man will vielleicht noch irgendetwas in die Geschichtsbücher bringen, was es wohl dann doch nicht schaffen wird. Der nächste Präsident wartet bereits und da können wir ganz andere Töne erwarten als die, die Kerry von sich gegeben hat.
    Heinlein: Also ist das nur Symbolpolitik, um den Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern?
    Braml: Vielleicht auch, um das Nichthandeln zu rechtfertigen. Man hat ja den Nahen, Mittleren Osten nicht wirklich im Fokus gehabt, hat sich zurückgezogen, viel mehr nach Asien hin orientiert. Das heißt, das, was jetzt noch passiert, ist nicht mal mehr Symbolik, weil diese Symbolik keiner mehr ernst nimmt.
    Heinlein: Sie haben Donald Trump erwähnt. Wie ungewöhnlich ist es denn, dass der kommende US-Präsident jetzt bereits vor allem via Twitter die Politik seines Vorgängers kritisiert, dieses Beharken der beiden Präsidenten, wie ungewöhnlich ist das?
    Braml: Das ist ungewöhnlich wie alles, was der Präsident in spe auch schon im Wahlkampf gemacht hat. Wir müssen uns auf neue Zeiten einstellen: Trump wird den sogenannten Bully Pulpit revolutionieren, diese hervorragende Kanzel, mit der er eben über das Volk auch Druck dann auf den Kongress machen wird. Und das hat er gleich nach seinem Wahlsieg gemacht, das heißt, er wird sich nicht allzu lange mit seinen Parteifreunden oder auch dem politischen Gegner auseinandersetzen, sondern wird versuchen, die dann auch über die Öffentlichkeit unter Druck zu setzen. Das macht er bereits jetzt in Themenbereichen, die für ihn, seine Wahl und seine mögliche Wiederwahl sehr wichtig sind. Wir dürfen nicht vergessen: Bei einem Nahostkonflikt geht es auch um ein Herzensanliegen der Christlich-Rechten, die ihn gewählt haben, so wie schon zuvor George W. Bush vier von zehn Stimmen den Christlich-Rechten zu verdanken hat, die in diesem Nahostkonflikt sehr viel Herzblut haben.
    Trump hat "die Graswurzelorganisationen für sich instrumentalisieren können"
    Heinlein: Hat ein Donald Trump Herzblut in der US-Außenpolitik, in der amerikanischen Außenpolitik? Denn er ist ja bisher ein weißer Fleck in dieser Richtung, er hat ja keinerlei Erfahrung, was internationale Politik anbelangt.
    Braml: Die muss man auch nicht haben. Man muss auf das Wählerpotenzial schauen. Er hat die Graswurzelorganisationen für sich instrumentalisieren können, indem er ihnen versprochen hat, Richter zu nominieren, die das Abtreibungsurteil Roe v. Wade revidieren, und indem er eben ihnen auch versprochen hat, ganz fest an der Seite Israels zu stehen. Diese Menschen haben eine Eschatologie, eine Heilserwartung, dass Jesus Christus dann wiederkehren würde, wenn eben Israel in seinen alttestamentarischen Grenzen reetabliert wird. Das heißt, das, was jetzt besiedelt wird, das wird Israel bleiben und gehören. Ob Trump selber daran glaubt, sei dahingestellt. Er weiß, wenn er das macht, hat er die bleibende Unterstützung eines sehr wichtigen Wählerblocks in den USA.
    Heinlein: Also muss sich auch auf israelischer Seite eigentlich keiner von der Rechten Sorgen machen, es wird eine neue Achse, eine echte Achse entstehen zwischen Trump und Netanjahu?
    Braml: Das ist zu erwarten auch mit der Nominierung… ja, Nominierung kann man ja noch nicht sagen, mit der Bekanntgabe des neuen Botschafters, dass der sich ja auch massiv für Siedlungsbau ausgesprochen hat, der auch hier schon sehr extreme Töne angeschlagen hat. An diese Töne sollten wir uns gewöhnen, weil, das wird der neue Kurs sein der US-Außenpolitik, was den Nahostkonflikt angeht.
    "Was vonseiten Israels kommt, ist die zu erwartende Reaktion"
    Heinlein: Können Sie mir noch kurz erklären, warum Netanjahu dennoch so giftig reagiert auf die Rede von John Kerry? Denn bis zum 20. Januar, bis zur Amtsübergabe ist es ja nicht mehr sehr lang.
    Braml: Gut, das würde ich unter Symbolpolitik verbuchen. Man weiß, dass man hier in der nächsten Administration enge Verbündete hat, das, was jetzt hier vonseiten Israels kommt, ist die, ja, zu erwartende Reaktion. Aber ich glaube nicht, dass man sich da wirklich Sorgen macht.
    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Mittag Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Ich danke für das Gespräch, Herr Braml, und auf Wiederhören!
    Braml: Herzlichen Dank Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.