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Nahrung aus der Senkrechten

Die "Hängenden Gärten der Semirames" - eines der antiken Weltwunder - waren wohl auch mit Kräutern bestückt, duftenden Küchenzutaten. Heute kann ein Kräutergarten auch direkt an der Wand leben, die Wand selbst sein, eine Essbare Wand also, wie die niederländischen Erfinder sie nennen.

Von Peter Kaiser | 13.08.2013
    "Ich zeig das mal, ich mach das auf hier. Hier ist auch eine kleine Beschreibung immer mit drin, so sieht der Rohling aus."

    Schnell hat Thea Carlin, Gärtnerin an der Königlichen Gartenakademie - nahe des Berliner Botanischen Gartens - den Karton geöffnet und das Modul der Essbaren Wand herausgezogen.

    "Man nimmt sozusagen bloß die Folie ab."

    Die "Eetbare Wand" - erfunden in den Niederlanden - zu deutsch: die essbare Wand - besteht aus einem 50 mal 50 Zentimeter großen Kasten oder Modul, das in neun kleine Quadrate unterteilt ist. Die Quadrate sind mit Erde und Torf gefüllt, geschützt durch ein Vlies darüber.

    "Die Erde ist natürlich so konzipiert, dass sie auch gut Wasser hält, es ist ein bisschen Torf mit drin, aber auch so, dass sie mindestens 2 bis 3 Monate ohne Dünger auskommen, die Pflanzen, danach sollten sie mal gedüngt werden. Sodass wir im Prinzip bloß noch die Pflanzen reinsetzen müssen, und das ist auch relativ einfach und gut gelöst.

    Das Vlies, was hier drauf ist, ist schon zurechtgeschnitten, sodass man bloß das Vlies auseinander machen muss und hier in die Erde ein Loch machen muss, wo die Pflanze reinkommt. Also es kann jeder sich seine Pflanzen reinstellen oder pflanzen lassen."

    Das Funktionsprinzip der Essbaren Wand ist einfach und raffiniert. Hinter den 9 Quadraten, die später einmal mit etlichen Kräutern wie Estragon, Oregano, Thymian, Rosmarin oder auch mit verschiedenen Minzen bestückt sein können, verläuft im Modul ein Bewässerungssystem. Das Füllloch für das Wasser ist oben.

    "In ein Modul dieser essbaren Wand passen ungefähr eineinhalb Liter Wasser rein. Und das kann man je nach Witterung, je nach Standort entsprechend einmal die Woche, einmal am Tag machen. Was zu viel ist, sammelt sich hier unten, also es würde auch nicht rauslaufen, sodass es nicht an der Wand runterläuft."

    Die Essbare Wand ist die Alternative zur kräuterarmen Stadtwelt, weil sie Frisches und Gesundes jeden Tag griffbereit direkt in der Küche bietet. Dabei ist sie nicht die Spezialwand für Küchenchefs oder Freizeitgourmets. Vielmehr ist die Essbare Wand für jeden verwendbar. Zugleich kann man sie universell wie ein Möbel innen als Raumelement einsetzen.

    "Das ist universell einsetzbar. Man kann die essbare Wand natürlich auch mit anderen Pflanzen bestücken, man kann auch für dunklere Räume Pflanzen reinsetzen, die in dunklen Räumen wachsen, auch das ist möglich. Also es ist universell einsetzbar. Und interessant ist auch, dass man die verschiedenen Module zu kompletten Feldern arrangieren kann. Also man kann drei zusammen, sechs zusammen, je nachdem wie viel Platz man hat, die richtig als Sichtmoment auch haben."

    Mit einem kleinen Nebeneffekt, sagt Thea Carlin schmunzelnd:

    "Wenn Besuch da ist, es gibt keine Probleme erst mal mit der Konversation, man hat immer etwas, worüber man sich unterhalten kann."

    Die Essbare Wand ist mehr als eine modische Neuheit im Pflanzenmarkt. Sie ist eine Art privater Ministadtgarten auf allerengstem Raum, neudeutsch könnte man "Private Farming" sagen. Und das geht sowohl in der Wohnung als auch auf dem zu kleinen Balkon, der Minidatsche, wie auch immer. Zudem muss man für diesen Wandgarten kein sonderlich ausgeprägtes Gärtnertalent besitzen, nicht unbedingt.

    "Ich denke schon, dass es auch Menschen, die jetzt nicht so den grünen Daumen haben, Spaß macht. Dadurch, dass das ein sehr gut durchdachtes Prinzip ist, kann eigentlich jeder damit umgehen."

    Es könnte also gut sein, dass in Zukunft der Satz: "Reich mal bitte das Basilikum von oben" ein alltäglicher Satz sein wird.