Dienstag, 16. April 2024

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Namen als soziale Marker
Kevin und Mohammed – Die Last der Vornamen

Petra, Susanne, Michael deuten auf ein Geburtsjahr in den 60ern, Özgur und Aishe auf eine bestimmte Ethnizität. Damaris Nüblin und Michael Zürn forschen zu Namen, wie die Eltern sie wählen und warum sie als soziale Marker fungieren. Ein ganze bestimmter Name geht dabei gar nicht mehr.

Ulrike Burgwinkel | 17.08.2017
    Rumpelstilzchen -  in einer Probe der Leipziger Oper wird das Märchen der Gebrüder Grimm vom Ballett des Hauses getanzt. Dabei zeigt die Koenigstochter dem Rumpelstilzchen verschiedene Vornamen.
    Aussagekraft von Namen: Sag mir, wie Du heißt, und ich weiß Bescheid (dpa / picture alliance / Volkmar Heinz)
    "Nomen est omen" – es ist abgedroschen, aber stimmt noch immer. Petra, Susanne, Michael zum Beispiel deuten auf ein Geburtsjahr in den 60ern; Günther, Renate oder Horst auf eines in den 50er Jahren.
    Max, Lea, Emma, Paul
    Heute wollen Eltern vor allem "wohlklingende" Namen und zum Nachnamen passende wie Max, Lea, Emma oder Paul… Eltern wollen Individualität und natürlich das Beste für ihre Kinder und geben sich entsprechend Mühe bei der Benamsung. Einschlägige Magazine schreiben schon von
    "Baby Name Anxiety" - Babynamen-Angst.
    Schwierigkeiten kann der Name zum Beispiel bei Bewerbungsschreiben jeder Art bereiten, trotz Antidiskriminierungsgesetz: Migrantisch geprägte Namen wie Muhamed, Özgür oder Aishe verringern die Chancen, Alexander hat bessere.
    Namen und ihre Konnotationen
    An der Uni Mainz forscht die Sprachwissenschaftlerin Professor Damaris Nübling über Namen und deren Konnotation, an der Uni Köln veröffentlichte der Wirtschaftspsychologe Dr. Michael Zürn letzten Monat seine Studie zu vertrauensbildenden Namen.
    Namen fungieren als soziale Marker. Das ist das Untersuchungsgebiet von Professor Damaris Nübling, Sprachwissenschaftlerin an der Uni Mainz. Neben dem Geschlecht lässt sich relativ problemlos das Alter der Person am Namen ablesen. Ein Karl-Heinz ist demnach älter als ein Finn. Vergleichsweise ebenfalls deutlich markiert ist die ethnische Herkunft.
    Ethnizität ist deutlich markiert
    "Ethnizität, auch Nationalität, wenn wir solche Schweizer Namen wir Urs und Beat anschauen, dann ist das Nationalität, die auf Vornamen markiert werden kann, natürlich auch Religion. Jüdische, christliche, muslimische Namen. Also eine ganze Reihe an sozialen Differenzen und nicht zuletzt auch Schicht-Informationen."
    Diverse Studien. nicht nur in den Sozialwissenschaften, sondern ebenfalls in der Onomastik, der Namenskunde, beschäftigen sich mit diesen sozialen Markern. Allerdings gibt es keine Studien zur Motivation der Eltern bei der Auswahl des Namens für ihr Kind.
    Eltern wollen Wohlklang
    "Was wir aber wissen, ist, dass die meisten Eltern, über 90 Prozent, heute sagen, dass der Name schön klingen muss. Was ist das? Ist das Passfähigkeit zum Familiennamen, sind das bestimmte Vokale, bestimmte Konsonanten. Da wird nie weiter gefragt. Sind das bestimmte Kulturen, an die er anklingt, vielleicht finden Manche italienische Namen per se schön oder auch nicht schön. Das heißt, das, was wir Euphonie oder Wohlklang nennen, das ist nie genau definiert worden. Aber es sagt uns zumindest doch, dass es den Menschen nicht um die wörtliche, um die etymologische Bedeutung eines Namens geht."
    Individualität und Herdentrieb
    Früher wurde ein Name oft weitergegeben in der Familie. Kinder hießen wie die Großeltern oder Paten. Heute scheint neben dem Wohlklang der Wunsch nach Individualität eine wichtige Rolle zu spielen. Dem entgegen stehen wiederum die Hitlisten der beliebtesten Namen. Sophia, Marie, Max und Alexander sind die immer gleichen Dauerbrenner der letzten Jahre. Die Schwierigkeit für werdende Eltern, den richtigen Namen für ihr Kind auszuwählen, hat aktuell ein Etikett bekommen: Baby Name Anxiety – Babynamen-Angst.
    Damaris Nübling hält das allerdings für ein Modelabel, nicht für die Diagnose einer echten Angststörung. Daneben gibt es einige Namen, die faktisch nicht mehr vergeben werden, verbrannt sind. "Adolf" ist das bekannteste Beispiel.
    Adolf ist stigmatisiert
    "Namensstigmatisierung" nennt die Mainzer Sprachwissenschaftlerin dieses Phänomen. Und neben dem alten "Adolf" haben sich in den letzten Jahren neue Namen hinzugesellt, die zwar keine historische Last tragen, aber eine eher unliebsame Schichtenzugehörigkeit markieren.