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Nano-Lego mit Erbmolekülen

Das DNA-Molekül trägt nicht nur die Erbinformation, es stellt auch ein ideales Bauklötzchen für die Nanotechnologie dar. Mittlerweile kann man winzige Würfel, Röhren oder hochkomplexe Origami-Strukturen aus DNA formen. Kanadische Wissenschaftler versuchen sich nun an einer konkreten Anwendung: Käfige aus DNA sollen gezielt Medikamente einschließen und sie am richtigen Ort im Körper freisetzen.

Von Frank Grotelüschen | 02.01.2013
    "Wir nutzen die DNA als Bauklötzchen, um neue Materialien zu montieren. Wir leihen uns die DNA quasi nur von der Biologie aus."

    Hanadi Sleiman beschäftigt sich zwar mit der DNA, dem Träger des genetischen Codes. Aber mit Gentechnik im üblichen Sinn hat die Chemieprofessorin von der McGill-Universität in Montreal nichts am Hut. Stattdessen spielt sie Lego mit DNA, Nano-Lego. Denn als Baustein für die Nanowelt scheint das Erbmolekül regelrecht prädestiniert.

    "Die DNA zählt zu jenen Molekülen, deren Verhalten man am besten vorhersagen und kontrollieren kann. Sie besteht aus vier Bausteinen, die eine Doppelhelix formen - ein äußerst stabiles, stabförmiges Gebilde."

    Mit speziellen Hightech-Geräten, sogenannten DNA-Synthesizern, lassen sich die vier DNA-Buchstaben in beliebiger Reihenfolge aneinanderketten.

    "In ein bis zwei Stunden kann so ein DNA-Synthesizer Stränge aus 40 bis 60 Buchstaben herstellen. Anschließend kann man diese synthetischen DNA-Stränge mit biologischen Methoden beliebig vervielfältigen, also regelrecht klonen."

    Es entstehen verschiedene Sorten von DNA-Stäbchen. Und die lassen sich mit gewieften chemischen Tricks zu den verschiedensten Formen verknüpfen, etwa zu nanometerkleinen Würfelchen. Das Rezept:

    "Man nehme vier verschiedene DNA-Stränge. Diese Stränge sind so beschaffen, dass sich ihre Enden miteinander verbinden können, so wie die beiden Enden einer Halskette. Wenn man die Enden geschickt miteinander verknüpft, erhält man einen winzigen Würfel."

    Nach demselben Prinzip lassen sich auch winzige Pyramiden formen oder kleinste Zylinder, alles im Maßstab von Nanometern, milliardstel Metern. Diese Zylinder können die Forscher auch übereinanderstapeln. Es entstehen extrem dünne Röhrchen. Und mit diesen Nanoröhrchen gelang dem Team von Sleiman etwas Spektakuläres:

    "Wir haben gezeigt, dass diese Röhrchen andere Stoffe in sich aufnehmen können. Mit Art Reißverschluss-DNA lassen sich diese Passagiere dann wieder aus dem Käfig befreien."

    Zunächst gelang das Kunststück mit winzigen Goldteilchen als Passagiere. Dazu ließen die Forscher ihre DNA-Röhrchen in einem Akt der Selbstmontage entstehen, als viele Goldkügelchen in die Nähe waren. Zwangsläufig wurden dabei einige Goldpartikel mit eingeschlossen. Das Ergebnis: eine Art Nanoerbsenschote, mit Gold statt Erbsen. Vor Kurzem haben die Experten eine Methode entwickelt, die deutlich zielsicherer ist.

    "Wir haben das Innere unserer DNA-Käfige mit fettähnlichen Molekülen beschichtet. Damit lassen sich gezielt Stoffe einfangen, insbesondere Wirkstoffe für die Medizin."

    Viele Arzneiwirkstoffe sind hydrophob, das heißt wassermeidend. Genau deshalb werden sie von der Fettschicht im Inneren des DNA-Käfigs magisch angezogen. Die nämlich ist ebenfalls wassermeidend, wodurch der DNA-Käfig zur Falle mit einem Köder wird. Erste Tierversuche mit Medikamenten-Taxis aus DNA laufen bereits: Wie verhalten sie sich in einem Organismus? Wie muss ihre optimale Form aussehen? Und sind sie womöglich giftig? Gerade hier, meint Hanadi Sleiman, könnten die DNA-Käfige Vorteile besitzen gegenüber anderen Konzepten, Polymeren etwa oder sogenanntes Liposomen.

    "Derzeit wird über die Frage diskutiert, inwieweit Nanoteilchen im Körper giftig sind. Nun, ob sie giftig sind oder nicht, hängt maßgeblich von der Form und Größe der Nanoteilchen ab. Nutzt man DNA als Baustein für solche Nano-Taxis, ließen sich diese ganz gezielt und definiert in bestimmten Größen und Formen herstellen."

    Und zwar Größen und Formen, die sich eben nicht als giftig für einen Organismus herausstellen.