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Nanotechnologie
Die Erfolge hinken den Erwartungen hinterher

In die Nanotechnologie wurden Erwartungen gesetzt, die wohl doch überzogen waren. Dabei hat die Technik keineswegs enttäuscht, denn sie steckt in vielen Dingen, wo man sie vielleicht auch gar nicht erwarten würde - von den Erneuerbaren Energien bis zum Handy.

Von Volker Mrasek | 16.02.2016
    Nur etwa ein tausendstel Millimeter dick sind diese aus Silbernanopartiken bestehenden Strukturen auf einer Kunststofffolie, aufgenommen in einem Labor des Instituts für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie der Universität Jena.
    Nur etwa ein tausendstel Millimeter dick sind diese aus Silbernanopartiken bestehenden Strukturen auf einer Kunststofffolie (dpa / picture alliance / Jan-Peter Kasper)
    Produkte, in denen Nanotechnologie steckt - eigentlich sollten sie inzwischen ein Billionen-Dollar-Geschäft sein. Davon ging die EU-Kommission vor genau zehn Jahren aus. Tatsächlich ist der Weltmarkt für Nano-Produkte aber viel langsamer gewachsen. Mit 300 Milliarden Dollar veranschlagt ihn Rüdiger Iden heute, Sprecher für Nanotechnologie bei der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Die Hoffnungen haben sich also nur zu einem knappen Drittel erfüllt: "Das wirkliche Nano da drin ist gerade 'mal ein Zehntel wert. Also das, was wir als echte Nanotechnologie im Markt bezeichnen, ist dann in der Größenordnung 30 Milliarden."
    Genau so viel Geld sei seit der Jahrtausendwende in die Förderung der Nanotechnologie geflossen, so der Chemiker und langjährige BASF-Industrieforscher. Bezahlt gemacht hat sich das Ganze also noch nicht. "Es dauert alles sehr viel länger, als wir halt vor 15 Jahren geglaubt haben."
    Zum Teil landeten die Forscher auch geradewegs in der Sackgasse. Manche Nano-Projekte scheiterten gänzlich: "Die Versprechungen waren, dass wir Kunststoffe herstellen mit den Eigenschaften von Stahl und den Vorteilen von Kunststoffen mit Hilfe von Nano-Additiven, die also Festigkeiten, Zähigkeiten von Stahl haben, aber viel leichter sind."
    Erfolge bei der Oberflächenbehandlung
    Oder die viel gepriesenen Nanoröhren aus Kohlenstoff. Sie sollten auch Nichtmetalle elektrisch leitfähig machen. Doch diese Hoffnungen haben sich zerschlagen: "Das hat sich hier auch in dem Workshop gezeigt: Davon ist nur ganz wenig geblieben bei den Materialien."
    Erfolgreich etablieren konnte sich die Nanotechnologie dagegen in der Oberflächenbehandlung. Autolacke sind kratzfester geworden, seit sie spezielle Nanoadditive enthalten. Fenster lassen Schmutz und Regen einfach abperlen, wenn sie mit hauchdünnen Nanofilmen beschichtet sind.
    Kaum jemand weiß das allerdings. Genauso verhält es sich mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien. Auch hier spielt Nano heute eine Schlüsselrolle, ohne dass es großartig bekannt wäre. Harald Krug von der Eidgenössischen Material- und Prüfungsanstalt in der Schweiz: "In der Solartechnik: Die höheren Effizienzen von Solarzellen erreichen wir nur mit Nanoschichten. Und dann natürlich die Speichertechnologie. Im Moment, wenn sie an so einen Speicher denken im Auto, an so eine normale Blei-Batterie: Die ist irre schwer und speichert nicht viel. Wenn ich Nano-Technologie einsetzen kann, kann ich im gleichen Raum dieser Batterie ungefähr das Hundertfache an Energie speichern."
    Noch nicht wirklich im Zeitalter der Nanotechnologie angekommen
    Große Anwendungschancen sehen Experten wie Rüdiger Iden auch nach wie vor in der Medizin. Entwickelt wurden zum Beispiel schon Nano-Transporter für Medikamente. Sie setzen Arzneistoffe zielgenau am gewünschten Wirkungsort aus und passieren dabei unbeschadet den Magen-Darm-Trakt oder auch die Blut-Hirn-Schranke. Noch viel mehr scheint möglich: "Die ganze regenerative Medizin: Wenn Sie Knochen nachwachsen lassen wollen, dann brauchen Sie ein Gerüst, das so wirkt wie ein Knochenaufbau. Und ein Knochenaufbau ist auf der Nanoskala! Das ist etwas, was jetzt erst so langsam technisch machbar wird."
    Um solche Entwicklungen schneller voranzubringen, wurde jüngst die Deutsche Plattform NanoBioMedizin gegründet. Sie will Materialforscher, Mediziner und Unternehmen in Zukunft stärker vernetzen.
    Harald Krug bittet deshalb noch um etwas Geduld. Es sei zu früh, um den Stab über die Nanotechnologie zu brechen: "Also, jetzt sind wir wirklich im Zeitalter der Nanotechnologie angelangt. Und dass da die Wissenschaft erst mal riesengroße Erwartungen schürt, das ist auch klar. Das war mit allen anderen Technologien auch so. Aber: Jeder, der auf seinen Laptop guckt, jeder, der sein Handy raus nimmt, sollte bedenken: Ohne Nanotechnologie hätten wir das nicht."