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Nanotechnologie
Smartphones, die riechen können

Wer berührungslos mit der Kreditkarte bezahlt oder eine Fahrkarte mit dem Handy kauft, der nutzt eine Technik namens Near Field Communication, kurz NFC. Forscher des Massachusetts Institute of Technology nutzen NFC, um kleine und günstige Sensoren für Chemikalien zu bauen - auf verblüffend simple Weise.

Von Piotr Heller | 21.01.2015
    Ein Jugendlicher betrachtet Inhalte auf seinem Smartphone.
    Ein Jugendlicher betrachtet Inhalte auf seinem Smartphone. (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
    "Jetzt stecke ich ein Sprengstoff-Imitat in die Schachtel. Chemisch gesehen ähnelt das Imitat vielen gängigen Sprengstoffen."
    Joseph Azzarelli ist Chemiker am MIT. Er steckt das Imitat, das wie Knetmasse aussieht, in die Pappschachtel. Zu sehen ist das alles in einem Video, das eine Erfindung demonstrieren soll, die am Deckel der Schachtel klebt: Es handelt sich um einen dünnen Sensor, der Chemikalien erkennt.
    "Jetzt, wo sich der Sprengstoff in der Schachtel befindet, ist der Sensor aktiv. Und wir sehen die Nachricht auf dem Smartphone, dass explosives Material erkannt wurde."
    Joseph Azzarelli arbeitet im Team von Tim Swager. Die Forscher bauen kleine Sensoren, die sich mit Smartphones auslesen lassen. Dazu nutzen sie die Nahfeldkommunikation, kurz NFC. Das ist ein Standard, um Daten per Funk auszutauschen. Eine Spielart des Standards sind kleine Chips mit Stromkreisen aus Aluminium. Ein Smartphone sendet Funkwellen aus, aktiviert die Stromkreise und erhält dadurch eine Antwort. So kann es einen Chip erkennen. Die Forscher um Tim Swager haben diese Chips so verändert, dass sie nur funktionieren, wenn eine bestimmte Chemikalie präsent ist.
    "Wir unterbrechen den Stromkreis, nehmen das Aluminium raus und ersetzen es durch Nanoröhrchen aus Kohlenstoff. Die Röhrchen können ihre Leitfähigkeit ändern, wenn sie mit einem Gas in Berührung kommen, sodass die Sensoren entweder funktionieren oder nicht."
    Nanoröhrchen auf Stromkreisen
    Erklärt Tim Swager. Seine Forscher bringen die Nanoröhrchen auf eine besondere Art auf den Stromkreisen an: Sie zeichnen sie mit einer Art Bleistift.
    "Wir haben einen Weg gefunden, die Sensoren zu fertigen, indem wir sie mit Nanoröhrchen zeichnen. Darauf kamen wir so: Ein Bleistift besteht aus Graphit. Und das ist unsern Nanoröhrchen recht ähnlich. Also dachten wir uns: Könnten wir nicht unsere funktionalisierten Nanoröhrchen hernehmen und mit ihnen die Schaltkreise zeichnen?"
    Tim Swager nennt die Röhrchen "funktionalisiert", weil er sie mit bestimmten Zusätzen versieht, damit sie als Sensoren taugen.
    "Wir haben Nanoröhrchen, die auf Ethen reagieren. Das ist ein Pflanzenhormon, das den Reifeprozess steuert. Und mit ihm kann man prüfen, wie alt ein Produkt ist. In diesem Fall fügen wir einen kupferbasierten Stoff in die Nanoröhrchen ein. Dieser Stoff kann Ethen binden und das verändert die Leitfähigkeit der Nanoröhrchen."
    Sensoren kosten nur wenige Cent
    Und macht den Chip so zu einer Spürnase für Ethen. Tim Swager hat eine Startup-Firma gegründet und will Verpackungen für Lebensmittel herstellen, in denen die Ethen-Sensoren eingebaut sind. Kunden im Supermarkt könnten dann per Smartphone prüfen, ob der Inhalt frisch ist. Das soll die erste Anwendung der Erfindung werden. Doch es soll nicht die letzte bleiben. Die Sensoren kosten nur wenige Cent und sind nicht mal einen Millimeter dick. Das heißt, dass man sie praktisch überall anbringen könnte: In Klimaanlagen, um Schimmelbefall zu erkennen; In Armbändern von Industriearbeitern, um Schadstoffe zu messen. Und Tim Swager denkt auch an eine Art Crowdsourcing für Umweltdaten:
    "Jeder, der ein Smartphone hat, kann die Sensoren benutzen. Also könnten Leute zum Beispiel die Umweltverschmutzung in ihrer Nachbarschaft messen, indem sie Chips für Umweltgifte verteilen und mit den Handys auslesen. Die Daten könnten sie zusammen mit den zugehörigen GPS-Koordinaten hochladen. Und schon hätte man eine Überwachung der Umweltdaten in der Gegend."