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Nanotechnologie
Spermien als Antrieb für den Mikro-Roboter

Die diagnostischen Mittel zur Untersuchung der Unfruchtbarkeit der Frau sind ohne operativen Eingriff relativ begrenzt. Abhilfe könnten Mikro-Roboter schaffen, die durch Spermien angetrieben werden. Wie das funktioniert, erklärt Biotechnologin Veronika Magdanz im Dlf.

Veronika Magdanz im Gespräch mit Uli Blumenthal | 15.02.2018
    Menschliches Sperma auf dem Weg zur Eizelle.
    Spermien auf dem Weg zur Eizelle: Per Magnet könnten Sie gesteuert werden, um Gründe für Unfruchtbarkeit zu untersuchen (imago)
    Uli Blumenthal: Die Evolution hat ganz unterschiedliche Techniken hervorgebracht, mit denen sich Zellen in unserem Körper fortbewegen. Bakterien beispielsweise tun dies mithilfe langer, dünner Filamente. Körperzellen verformen sich und bilden sogenannte Scheinfüße aus, um damit auf Wanderschaft zu gehen. Solche natürlichen Antriebe sind seit Jahren Vorbild für die Entwicklung künstlicher Mikro-Roboter, die unter anderem Wirkstoffe gezielt im menschlichen Körper verteilen sollen. An der TU Dresden arbeitet Doktor Veronika Magdanz an der Entwicklung eines biohybriden sperma-beförderten Mikroschwimmers als Diagnosewerkzeug. Frau Dr. Magdanz, man könnte auch sagen, es ist ein Mikro-Roboter mit Spermienantrieb. Worum geht es bei Ihren Forschungen im Detail?
    Veronika Magdanz: Es gibt im Bereich der Nanotechnologie ja die Vision, im Mikromaßstab Dinge fortbewegen zu können und gezielt wo hinbringen zu können, was ja sehr interessant ist für medizinische Anwendungen. Und da gibt es in der Nanotechnologie einen Forschungsbereich, der sich genau damit beschäftigt: Wie können wir autonome Transportmittel im Mikromaßstab entwickeln. Und dazu kann man Mikroschwimmer entwickeln, die magnetisch angetrieben sind oder durch chemische Reaktionen. Oder es gibt die Herangehensweise, motile Zellen zu nutzen.
    "Hütchen auf Kopf der Spermien"
    Blumenthal: Und wie muss man sich jetzt so einen Mikroschwimmer mit Spermienantrieb konkret vorstellen? Wie sieht der aus?
    Magdanz: Bisher haben wir das so gemacht, dass man mithilfe der Nanotechnologie kleine Mikroröhrchen herstellen kann, die wie so kleine Hütchen dann im Prinzip dann auf die Köpfe der Spermien gesetzt werden. Und diese Mikroröhrchen können zum Beispiel dünne magnetische Materialien enthalten und können dann eben ferngesteuert werden.
    Blumenthal: Das heißt, Sie bringen sozusagen Spermien und diese Mikroschwimmer dann zusammen und halten die in irgendeiner Nährflüssigkeit, und dann sollen sie zu welchen Zwecken im menschlichen Körper eingesetzt werden?
    Magdanz: Es geht für mich besonders darum, Gründe von Unfruchtbarkeit zu untersuchen. Bisher ist es so, dass die diagnostischen Mittel für die Untersuchung der Unfruchtbarkeit der Frau relativ begrenzt sind und an einem gewissen Punkt auch relativ invasiv sind. Also von außen kann man oft schlecht feststellen, woran es liegt. Und die Idee ist, dann diese Mikroroboter zu nutzen, um zum Beispiel Veränderungen im Körper festzustellen und dann Hinweise zu erhalten auf mögliche Gründe für Unfruchtbarkeit.
    "Durch ein schwaches Magnetfeld steuern"
    Blumenthal: Wenn Sie diese Mikroroboter für diagnostische Untersuchungen einsetzen wollen, heißt das aber auch, dass Sie sie steuern müssen. Wie wollen Sie das anstellen?
    Magdanz: Das ist ein Punkt, den wir bisher schon machen können, und zwar kann man ja eine dünne magnetische Schicht in diese Hülle einbringen, dann damit eine einzelne Spermie einfangen, und dann kann ich die durch ein schwaches Magnetfeld steuern, das von außen angelegt wird.
    Blumenthal: Aber woher wissen Sie, wo dieser Mikroschwimmer dann im menschlichen Körper genau ist?
    Magdanz: Die Sichtbarmachung ist noch eine Herausforderung, die auf jeden Fall im Moment auch ein Limit der Technologie ist.
    Blumenthal: Was könnte man sich da vorstellen? Wie macht man dann diese Mikroschwimmer sichtbar? Mithilfe von Ultraschall oder anderen bildgebenden Verfahren?
    Magdanz: Ja, genau. Ultraschall ist im Moment noch nicht in der Lage, so eine Auflösung zu erreichen. Aber man könnte sich das auch vorstellen, wenn man zum Beispiel gewisse Kontrastmittel verwendet oder generell die Auflösung dieser Technik noch verbessert werden kann. Andere Möglichkeiten könnten auch MRI sein, also Magnetresonanztechniken.
    Erste klinische Phasen
    Blumenthal: Sie haben anfangs unseres Interviews davon gesprochen, dass es auch andere Konzepte für diese sogenannten Mikroschwimmer gibt, beispielsweise beschichtet mit Kohlenstoff und dann gesteuert durch Licht. Oder das Vorbild Wimperntierchen, wo so eine Art peristaltische Bewegung gemacht wird. Oder es gibt auch das Konzept einer Mikromuschel, die über ein externes Magnetfeld gesteuert wird. Das sind alles Entwicklungen der letzten Jahre, aber man hat den Eindruck, es ist sozusagen noch ganz stark Grundlagenforschung, und es geht eigentlich darum, erst mal Konzepte zu entwickeln, die noch relativ weit von wirklichen Anwendungen sind. Ist diese Beschreibung zutreffend?
    Magdanz: Aus meiner Sicht schon. Aber zum anderen zeigt auch die sehr rasante Entwicklung in diesem Bereich, dass es da auch schnell zu einer Veränderung kommen kann. So gibt es zum Beispiel eine Gruppe in Montreal in Kanada, Professor Mate, die schon so weit sind, dass sie motile Bakterien nutzen und die mit Krebsmittel bestücken und dann schon in die Maus injizieren und die inzwischen im MRI-Scanner dort zum Tumor bringen können. Also das geht schon langsam in klinische Phasen über, aber auch je nach System. Das wird sicherlich noch einige Jahre dauern.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.